Mythos 1: Kaffeekapseln sind das Umweltdesaster schlechthin
Vorab gesagt: Wem es wirklich um den Erhalt der Natur geht, der verzichtet besser gleich auf Kaffee. Denn schon die Herstellung und Lieferung der Bohnen ist in der Regel schlecht für die Umwelt: gerodete Urwälder, enormer Wasserverbrauch, Transport in stinkenden Frachtschiffen.
Wer trotzdem nicht verzichten will, hat immerhin bei der Zubereitung einige Möglichkeiten. Ein großer Mythos: Die Siebträger-Maschine ist gut, Kaffee-Kapseln sind böse. Doch so einfach ist es nicht. Je nachdem, wie der Kaffee zubereitet wird und was mit dem Müll passiert, fällt die Ökobilanz sehr unterschiedlich aus.
Wer für eine einzelne Tasse Kaffee seine Siebträgermaschine nutzt, verbraucht sehr viel Strom, bis der Apparat und das Wasser aufgeheizt sind - es lohnt sich energetisch gesehen nur für mehrere Tassen. Bei Kapsel-Maschinen ist der Stromverbrauch geringer, vor allem was den Vergleich bei einer einzigen Tasse angeht. Dafür entsteht mehr Müll, Schätzungen zufolge mehr als 5000 Tonnen pro Jahr allein in Deutschland.
Wie negativ das zu bewerten ist, kommt jedoch darauf an, was mit dem Müll passiert: Sind die Kapseln aus Aluminium, können sie mit relativ geringem Energieaufwand recycelt werden. Dafür muss der Verbraucher sie aber in den Verpackungsmüll werfen, nicht in den Restmüll. Die Aluminiumherstellung selbst ist jedoch enorm energieintensiv und somit umweltbelastend, was die ökologische Bilanz der Kapsel drückt.
Sind die Kapseln aus Plastik, ist die Herstellung zwar minimal umweltverträglicher, die Recyclingquote aber deutlich schlechter. Plastik wird als Abfall zu großen Teilen einfach verbrannt.
Verbraucher sollten sich vor der Anschaffung einer Maschine also unbedingt überlegen, ob sie in der Regel alleine Kaffee trinken - denn dann kann eine Kapsel-Maschine ökologisch sinnvoller sein. Eine ausführliche Auswertung zur Ökobilanz verschiedener weiterer Zubereitungsarten gibt es hier. Und wem das zu kompliziert ist, der sollte einfach Tee trinken.
Mythos 2: Papiertüten sind viel umweltverträglicher als Plastiktüten
Jede Tragetasche hat ihren Ruf. Da wäre zum Beispiel der Jutebeutel: ganz klar die Öko-Ecke. Die riesige Mehrwegtasche aus Kunststoff: Da kauft jemand für die Großfamilie ein. Oder eben die klassische Plastiktüte: die Inkarnation des Bösen.
Vor etwas mehr als einem Jahr haben Handel und Bundesumweltministerium letzterer den Kampf angesagt. Sie haben eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, laut welcher der Einzelhandel künftig für 60 Prozent aller Plastiktüten eine Abgabe verlangen muss. Von 2018 an soll der Anteil auf 80 Prozent steigen. Die Botschaft an den Verbraucher ist klar: Benutzt weniger Plastiktüten!
Trotzdem werden viele Kunden auch weiterhin an der Kasse von der plötzlichen Notwendigkeit einer Tragetasche überrascht. Weil sie das schlechte Image der Plastiktüte im Hinterkopf haben, greifen viele zur Alternative aus Papier. Die kostet zwar ebenfalls Geld, ist aber umweltverträglicher - denken sie.
Tatsächlich aber ist die Papiertüte erst nach der vierten Nutzung ökologisch sinnvoller als eine Plastiktüte. Das liegt vor allem an ihrem Ausgangsstoff: Um eine Tüte aus Papier reißfest zu machen, müssen besonders lange und widerstandsfähige Fasern verwendet werden. Diese werden vor der Verarbeitung mit Chemikalien bearbeitet. Verbessert werden kann die Umweltbilanz der Papiertüte zwar mit Recyclingpapier - der Ressourcenverbrauch bleibt jedoch sehr hoch, da nur mit viel Materialeinsatz die gewünschte Reißfestigkeit erreicht werden kann. Und selbst dann gilt: Wird die Papiertüte einmal nass und kann nicht erneut benutzt werden, ist die Ökobilanz dahin.
Ökologisch deutlich sinnvollver sind zwar Beutel aus Baumwolle oder Jute, doch auch sie sind längst nicht so umweltfreundlich wie ihr Ruf. Beim Anbau der Stoffe wird extrem viel Wasser und Energie verbraucht, zudem droht eine Übersäuerung des Bodens. Die Umweltbilanz des Beutels ist allerdings schon allein deswegen besser, da er kein Wegwerfprodukt ist - das gilt aber streng genommen erst, sobald er 25 bis 32 Mal wiederverwendet wurde.
Eine Alternative, die sich immer häufiger an Supermarktkassen findet: klitzeklein zusammengefaltete Polyester-Beutel. Laut Umweltbundesamt sind die die umweltfreundlichste Alternative zur Plastiktüte. Sie halten in der Regel bis zu zehn Kilo aus - deutlich mehr als alle anderen Tragetaschen. Ihre Lebensdauer kann daher Jahre betragen.
Diesen Mythos verbreitet zum Beispiel die Verpackungsverordnung. Der Getränkekarton, umgangssprachlich auch Tetra Pak genannt, wird dort als "ökologisch vorteilhaft" eingestuft. Und das, obwohl er nicht wiederbefüllbar ist. Die vorteilhafte Bewertung verdankt er seinem geringen Gewicht, das Transportenergie spart. Außerdem lässt sich der Karton recyceln.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) legt noch einen drauf. Auf seiner Website heißt es: "Zwischen den bestehenden Glas-Mehrwegsystemen und Getränkekarton-Einwegsystemen lässt sich kaum ein ökologischer Vor- oder Nachteil erkennen."
Dabei gibt es durchaus Argumente gegen den Getränkekarton: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bemängelt, dass dieser mittlerweile häufig viel Plastik enthält, vor allem wegen der Ausgusshilfen und Verschlüsse. Auch sei der Recyclinganteil der Materialien viel geringer (36 Prozent) als von den Herstellern angegeben (71 Prozent). Hinzu komme, dass für die Herstellung kein Recyclingkarton verwendet werde, sondern vor allem Neufasern.
Von der Gesetzesgrundlage ist die Lage eigentlich ohnehin klar: Mehrwegverpackungen sind immer zu bevorzugen, heißt es dort. Damit das auch wirklich der Umwelt dient, sollte der Verbraucher jedoch beachten, dass der Inhalt, also beispielsweise die Milch, nicht vom anderen Ende der Republik herangekarrt wird. Frank Wellenreuther hat am Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg die Umweltauswirkungen zahlreicher Verpackungsformen untersucht. "Vereinfacht kann man sagen, dass Mehrwegsysteme in einem regionalen Kontext, also ohne lange Liefer- und Rückfahrten meist sehr gute Ökobilanzergebnisse zeigen", sagt er. Es lasse sich sogar recht genau beziffern, wann eine Glasflasche umweltfreundlicher ist als der Getränkekarton: Sobald sie weniger als 200 Kilometer transportiert und mindestens 15 Mal benutzt wird, so der Experte.
Und noch etwas hat die Glasflasche allen anderen Verpackungen voraus: Glas ist, im Gegensatz zu allen anderen Verpackungsmaterialien, inert. Das heißt, dass es nicht mit darin aufbewahrten Lebensmitteln reagiert und folglich auch keine Chemikalien an sie abgibt.
Mythos 4: Nichts ist schlechter als Coffee-to-go-Becher
Die Zahl ist zunächst einmal erschreckend: 320 000 Kaffee-Einwegbecher werden allein in Deutschland weggeworfen - pro Stunde. Das ergibt eine Berechnung der Deutschen Umwelthilfe. Auf den Tag hochgerechnet sind das etwa 7,7 Millionen Becher, jährlich knapp drei Milliarden. Ganz zu Unrecht sind die To-go-Becher also schonmal nicht das wohl größte Feindbild umweltbewusster Menschen in deutschen Innenstädten.
Da kein Kaffee für die meisten auch keine Lösung ist (die Deutschen haben sich mit 162 Litern im Jahr mittlerweile auf Platz sieben beim Pro-Kopf-Konsum getrunken), greifen viele stattdessen zum Mehrweg-Becher. Doch der ist nicht automatisch nachhaltiger als sein Einweg-Pendant.
Von der beliebten Bambus-Variante beispielsweise rät die Deutsche Umwelthilfe ab. Die Becher enthalten demnach in der Regel einen hohen Plastikanteil. Das Veterinäramt Stuttgart hat in einer Untersuchung herausgefunden, dass Bambusgeschirr nur zu 20 bis 37 Prozent tatsächlich aus Bambusfasern besteht, der Rest sind Kunststoffe. Diese sind nicht nur umweltschädlich, sondern können bei Temperaturen ab etwa 70 Grad auch in gesundheitlich bedenklichen Mengen in die Lebensmittel übergehen, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung.
Doch auch wer Becher aus Porzellan, Keramik oder Glas benutzt, ist nicht automatisch nachhaltiger unterwegs. Diese sind in der Theorie zwar langlebig, da die Behälter aber schnell Sprünge bekommen oder sogar beim ersten Herunterfallen komplett zerbrechen, ist die Ökobilanz nicht automatisch besser als die der Einwegbecher. Hinzu kommt, dass ihre Herstellung viel Wasser und Energie verbraucht. Porzellan und Keramik müssen zudem im Restmüll entsorgt werden.
Praktischer und langlebiger sind da Becher aus Edelstahl: Sie sind nicht nur robust und gesundheitlich unbedenklich, sondern auch recycelbar. Der Nachteil an Edelstahl ist jedoch, dass er viel Energie in der Herstellung braucht.
Damit sich ein Mehrwegbehälter in der Ökobilanz insgesamt lohnt, darf er vor allem nicht im Schrank verstauben. Einen Edelstahlbecher mit einer Plastikummantelung beispielsweise muss der Besitzer mehr als 40 Mal benutzen, damit seine Ökobilanz beim Wasserverbrauch besser ausfällt als die des Einwegbechers aus Pappe. Das sollte gerade bei der Edelstahlvariante, die lange hält, nicht allzu schwer sein: Wer unter der Woche zwei Mal am Tag Kaffee trinkt, für den lohnt sich der Mehrwegbecher schon nach einem Monat.
Bei Mais, Kichererbsen oder passierten Tomaten gibt es im Supermarkt die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Verpackungen zu wählen. Aber was ist die bessere Wahl, Konservendose oder Glas?
Die ernüchternde Antwort: keines von beidem. Am ökologisch vorteilhaftesten wäre ein Verbundkarton, wie das Heidelberger Ifeu-Institut im Jahr 2013 herausgefunden hat. Zwar war der Auftraggeber der Studie ein großer Hersteller genau solcher Verpackungen, das Ergebnis ist jedoch einleuchtend: Dosen aus Metall sind in der Herstellung sehr energieaufwendig. Und für die Gläser gibt es, anders als für Getränkeverpackungen, kein Mehrwegsystem. Es lässt sich zwar recyceln und einschmelzen, doch auch dieser Prozess ist energieintensiv. Einwegglas stuft auch das Umweltbundesamt als die umweltschädlichste Verpackung ein.
Wenn es nun aber im Supermarkt den Mais nur in Dosen oder Gläsern gibt? "In den meisten Umweltwirkungskategorien zeigt die untersuchte typische Weißblechdose etwas niedrigere Umweltlasten als die Einwegglasverpackung", sagt Frank Wellenreuther vom Ifeu-Institut. Allerdings sind die Dosen innen mit Epoxylacken beschichtet, um das Metall vor Korrosion zu schützen. In diesen Kunststoffen ist die umstrittene östrogenähnlich wirkende Chemikalie Bisphenol A (BPA) enthalten, die auch in Lebensmittel übergehen kann. Als sich schwedische Journalisten vor einigen Jahren im Selbstversuch zwei Tage lang nur aus Konservendosen ernährten, stiegen die BPA-Werte in ihrem Urin um mehr als 4000 Prozent an.
Die EU hat BPA bei der Herstellung von Babyflaschen aus Kunststoff verboten. Das schwer zu beeindruckende Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht trotzdem keinen Grund zur Beunruhigung. Alle anderen greifen lieber zum Glas.