Was hat Tsipras in Brüssel versprochen - und wie verkauft er es?
Praktisch in letzter Minute hatte Griechenlands Premier Alexis Tsipras am Montag neue Vorschläge für Steuererhöhungen und Einsparungen vorgelegt, die in den kommenden anderthalb Jahren fünf Milliarden Euro einbringen sollen. Athen ist demnach laut Regierungskreisen bereit, die Mehrwertsteuer im Tourismus zu erhöhen, die meisten Frührenten abzuschaffen und die Reichen im Land mit einer Sondersteuer zu belegen. Unternehmen, die 2014 mehr als 500 000 Euro Gewinn machten, sollen Sondergewinnsteuer zahlen. Eine Immobiliensteuer, die die linke Regierung eigentlich abschaffen wollte, soll bestehen bleiben. Zudem sollen die Rüstungsausgaben um 200 Millionen Euro sinken. Rentenkürzungen soll es aber nicht geben.
"Unser Vorschlag ist akzeptiert worden als Basis für Gespräche", sagte Tsipras nach den Beratungen. Notwendig sei nun ein umfassendes Programm, das Griechenland wirtschaftlich "lebensfähig" mache. "Der Ball liegt im Feld der europäischen Regierungen." Grundlage eines Abkommens müsse "soziale Gerechtigkeit" sein, sagte er. Seine Regierung werde "Renten und Löhne schützen".
Schuldenkrise:Wie es jetzt mit Griechenland weitergeht
Die Euro-Chefs verlassen Brüssel ohne Ergebnis. Was passiert nun? Klar ist: Selbst ein neues Kreditpaket wäre keine dauerhafte Lösung.
Wie reagiert Europa auf die Gipfelergebnisse?
Österreichs Finanzminister Hans-Jörg Schelling verlangte von Griechenland einen detaillierten Plan zur Umsetzung der Reformvorschläge. Ohne konkrete Zusagen werde es keine Vereinbarung der Geldgeber mit Athen geben, sagte Schelling. In der Frage, welchen Primärüberschuss (Haushaltsplus ohne Zinszahlungen) Griechenland erzielen soll, sei seiner Kenntnis nach bereits ein Fahrplan vereinbart worden, sagte Schelling.
Kanzlerin Angela Merkel hatte zuvor noch einmal den Druck auf die Regierung in Athen erhöht: Sie sah in den Brüsseler Verhandlungen zwar einen "gewissen Fortschritt", sagte aber auch: "Es ist auch klar geworden, dass noch sehr viel Arbeit zu leisten ist, und dass die Zeit dafür sehr kurz ist". Schon am Donnerstag und Freitag kommen beim regulären EU-Gipfel 28 Staats- und Regierungschefs zusammen.
Krisengipfel zu Griechenland:Jetzt muss Tsipras handeln
Die Euro-Länder nehmen Athen ernst, das haben sie auf dem Sondergipfel gezeigt. Doch die griechische Regierung muss jetzt endlich Sparauflagen umsetzen. Nur so kann sie verhindern, was keiner will.
Die deutsche Exportwirtschaft forderte Härte im Umgang mit Athen: "Nein, keine weiteren Kompromisse, unter keinen Umständen", sagte Außenhandelspräsident Anton Börner. "Man darf den Griechen da nicht weiter entgegenkommen." Im Zweifel sollte eher ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro riskiert werden, forderte Börner. Für die deutsche Wirtschaft würde das "keinerlei negative Folgen" haben. Dass nach den neuen griechischen Reformvorschlägen inzwischen aber eine Einigung des Landes mit seinen internationalen Geldgebern möglich erscheine, halte er aber "für eine gute Neuigkeit".
Was sagen die griechischen Medien?
Griechenlands Medien sehen nach der jüngsten Annäherung im Schuldenstreit Regierungschef Tsipras in Erklärungsnot. Die konservative Zeitung Kathimerini schreibt, Tsipras müsse jetzt seinem Parlament und seiner Partei erklären, warum er von seinen Wahlversprechen so sehr abweiche. Einen "Crash-Test für die Regierung" erwartet das Blatt.
Die Zeitung Ta Nea kritisierte, dass noch immer kein Wort über die Umstrukturierung des Schuldenberges gefallen sei, sprich: über einen weiteren Schuldenschnitt für das Land. Tsipras stehe daher vor einer Konfrontation mit seiner Partei Syriza. Der Ministerpräsident muss für seine einschneidenden Sparmaßnahmen eine Mehrheit im griechischen Parlament finden.
Exklusiv Europa:Habermas: Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist
Nicht Banken, sondern Bürger müssen über Europa entscheiden, das fordert der berühmte Philosoph Jürgen Habermas. Angela Merkel habe die Krise mitverursacht. Der Kanzlerin seien die Anlegerinteressen wichtiger als die Sanierung der griechischen Wirtschaft.
Wie steht Tsipras in seiner eigenen Regierung da?
Innerhalb der eigenen Partei ist Tsipras' Vorschlag umstritten. So gab sich die Regierung nach dem Gipfel zwar optimistisch. "Die Zeichen deuten darauf hin, dass wir ganz nahe an eine Übereinkunft sind", sagte ein Regierungssprecher. Dagegen erachtete der griechische Vize-Parlamentspräsident Alexis Metropoulos (Syriza) eine Verabschiedung des aktuellen Reformangebots im Parlament als unsicher. Die Abgeordneten könnten dagegen stimmen, sagt er.
Der ehemalige griechische Außenminister Dimitris Droutsas begrüßte die Annäherung: "Es gibt einen Hoffnungsschimmer, dass wir die Katastrophe abwenden können", sagte der Pasok-Politiker im Deutschlandfunk. Es gehe aber auch um "sehr, sehr harte Maßnahmen". Es gelte nun, das Sparpaket durch das griechische Parlament zu bringen. "Das wird keine leichte Aufgabe sein für Herrn Tsipras." Das Sparpaket sei das Gegenteil seiner Versprechen, sagte Droutsas. Jetzt stehe der Premier da "wie der König ganz nackt ohne Kleidung".