Flug zur Raumstation ISS:Ein Ticket für 60 Millionen Dollar

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Start einer Falcon-Heavy-Rakete von Space-X in Cape Canaveral. (Foto: REUTERS)
  • Als erstes Privatunternehmen soll Space-X Astronauten zur ISS fliegen.
  • Erstmals seit 2011 könnten die USA somit in diesem Jahr wieder eigenständig Menschen ins All bringen, ohne von den Russen abhängig zu sein.
  • Am Samstag startet ein entscheidender Testflug. Erst wenn der glückt, dürfen auch Menschen mit der Raumkapsel fliegen.

Von Hans von der Hagen und Dieter Sürig

Direkt am Saturn Causeway in Cape Canaveral/Florida hat sich die Raketenfirma Space-X breitgemacht. Hier an der Zufahrt zur Startrampe 39A, wo vor 50 Jahren die gigantischen Saturn-Raketen der Apollo-Mondmissionen im Schneckentempo vorbeigefahren sind, prangen nun die blauen Lettern des Raumfahrtunternehmens von Elon Musk an einem Hangar. Space-X hat sich den historischen Startplatz bis 2034 gesichert, umgebaut und gleich diese riesige Integrationshalle hingestellt, in der mehrere Falcon-Raketen Platz finden.

Musk will hier mitten im floridianischen Sumpfgebiet, nicht weit vom Atlantik entfernt, die Geschichte der amerikanischen Raumfahrt auf seine Art weiterschreiben. Hier, wo einst Apollo 11 zur ersten bemannten Mondlandung aufgebrochen ist, hat er vor einem Jahr erstmals seine neue Rakete Falcon Heavy gestartet - werbewirksam mit einem Tesla-Sportwagen an Bord, der nun irgendwo im Sonnensystem herumschwirrt. Am Samstag will Musk mit einem unbemannten ersten Testflug seiner Astronautenkapsel Dragon 2 eine Ära beginnen, in der erstmals ein Privatunternehmen Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS befördert.

Die Falcon 9 steht bereits seit einigen Wochen "vertical" auf der Startrampe 39A, ganz oben thront die Dragon 2-Kapsel, in der bis zu sieben Astronauten Platz finden können. Die Kapsel soll beim Testflug nur mit Dummys bestückt werden, wie Space-X-Vizepräsident Hans Koenigsmann bei einem Pressebriefing sagte. Sollte der Flug zur ISS reibungslos klappen, könnten zwei Astronauten im Juli mit der Dragon zur ISS fliegen, so der Plan.

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Space-X ist allerdings nicht alleine: Auch der Luftfahrtkonzern Boeing hat eine Crew-Kapsel mit sieben Sitzplätzen entwickelt - der CST-100 Starliner soll voraussichtlich erstmals im April ein paar Kilometer weiter mit einer Atlas-Rakete der United Launch Alliance starten, bei einem weiteren Test im August sollen drei Astronauten mit zur ISS fliegen.

Nachdem Privatfirmen wie Space-X bereits seit Jahren die ISS mit Fracht beliefern, weitet die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa ihre Kooperation mit der Industrie aus. Eine Zäsur in der Raumfahrt.

Erstmals seit 2011, als die Flüge mit dem Spaceshuttle eingestellt wurden, könnten die USA somit in diesem Jahr wieder eigenständig Menschen ins All bringen, ohne von den Russen abhängig zu sein: Eine ganze Astronauten-Generation ist mit der Sojus-Kapsel zur ISS geflogen - nach Nasa-Angaben für etwa 80 Millionen Dollar pro Sitzplatz. Bei Space-X und Boeing soll das dann etwa 60 Millionen Dollar kosten.

Die Nasa hatte das sogenannte Commercial Crew Program 2010 gestartet, um die Lücke nach dem Spaceshuttle so schnell wie möglich wieder schließen zu können. Von fünf Unternehmen, die die Crewkapsel bauen wollten, sind Boeing und Space-X übergeblieben, die nach Angaben der Nasa insgesamt 4,8 respektive 3,1 Milliarden Dollar bekommen haben, um das Raumschiff zu entwickeln. Der erste bemannte Flug sollte bereits 2017 stattfinden - doch es gab Verzögerungen. Der Rechnungshof des US-Kongresses, das Government Accountability Office (GAO), hatte von Sicherheitsrisiken für die Crews gesprochen. GAO identifizierte etwa Mängel beim Startsystem und kritisierte, dass Space-X seine Rakete erst betanken will, wenn die Astronauten bereits in der Kapsel Platz genommen haben. Und Boeing müsse beim Rescue- und Landesystem für seinen Starliner nacharbeiten.

"Das Raumschiff ist noch nicht voll qualifiziert", gesteht Nasa-Manager Bill Gerstenmaier ein. "Aber wir wissen, dass die Hardware gut genug ist, um diesen Demonstrationsflug zu machen." Zumal die Dragon 1-Kapsel bereits 15 Frachtmissionen zur ISS geflogen hat. Letztlich gehe es ja auch darum, bei Dragon 2 weitere Mängel zu identifizieren. "Wir erwarten, dass wir auf diesem Flug einiges lernen werden." Derzeit müssen unter anderem noch mögliche Probleme mit dem Fallschirmsystem und Düsen an der Kapsel gelöst werden. Was das Tankproblem betrifft, so soll die Falcon 9 kurz vor dem Start betankt werden. Die Astronauten sind bereits an Bord, können aber über ein Rettungssystem evakuiert werden.

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Space-X-Manager Koenigsmann, der das Konzept der wiederverwendbaren Raketen entwickelt hat, zeigt sich glücklich. "Die bemannte Raumfahrt ist die Kernmission von Space-X, es gibt nichts Wichtigeres", sagt er und spricht von aufregenden Zeiten. In den Sechzigerjahren hat der gebürtige Berliner die Mondlandungen mit Begeisterung im Fernsehen verfolgt, nun arbeitet er selbst an der historischen Startrampe in Cape Canaveral.

Auch wenn die Kapsel nun beim Demonstrationsflug am Samstag nur mit Versorgungsfracht und Hardware für die ISS gefüllt wird, hofft Koenigsmann, dass er dann schon im Sommer an der Rampe 39A das erste Mal auch Astronauten verabschieden kann. Und da die Dragon 2 bereits jetzt beim ersten Testflug an der Raumstation andocken soll, wird es auch Fotos mit ISS-Astronauten geben, die dort nach dem Entladen probeweise an den Konsolen Platz nehmen können.

Am kommenden Freitag soll die Dragon-Kapsel wieder im Atlantik landen. Dass sie nicht wie ursprünglich vorgesehen mit eigenem Antrieb spektakulär auf festem Boden landet, ist ebenfalls der Vorsicht der Nasa geschuldet: "Es wäre mit einem enormen Aufwand verbunden gewesen, dieses Verfahren genehmigen zu lassen", sagte Musk.

Die Pläne gehen schon viel weiter - bis zum Mars

Ohnehin scheint - gemessen an den weiteren Plänen des Space-X-Chefs - der Weg zur ISS nur eine Vorübung zu sein. Im Januar twitterte Musk ein Bild, das wirkte, als würde er plötzlich seine wahre Geliebte vorzeigen: Zu sehen war Starship, oder besser: ein Versuchsmodell davon. Es ist nicht für Weltraumflüge gedacht, sondern soll nur für die Tests von Starts und Landungen dienen. Das silberfarbene Ding glänzte derart unwirklich in der Sonne, dass Musk vorsorglich ergänzte, dass es sich um ein echtes Bild handle. Verstörend war auch die Form des Testmodells. Es erinnerte verblüffend - und wenn man Musk Glauben schenken mag auch nicht ganz zufällig - an ein Raketenmodell der "Tim-und-Struppi"-Comicreihe.

Starship ist der neue Name für die Big Falcon Rocket, ein mehr als 100 Meter langes Konstrukt aus Raumschiff und Raketenträger. Damit könnte es nach Ansicht von Musk von der Erde aus "überall ins Sonnensystem" gehen. Die Außenhaut soll dann aus einer Edelstahllegierung bestehen. An sich gilt Stahl als viel zu schwer für den Raketenbau. Doch Musk behauptet, dass das vergleichsweise günstige Material bei Starship funktionieren könnte, sogar dann, wenn es in die Atmosphäre des Mars eintreten würde. Um die enorme Reibungshitze zu überstehen, soll zur Kühlung aus winzigen Öffnungen Wasser oder Treibstoff an die Oberfläche treten und die Außenhaut schützen: Starship würde schwitzen.

Gemessen an diesen kühnen Träumen ist Dragon nur konventionelle Raumfahrt. Doch schon die ist heikel genug. Spätestens dann, wenn die Kapsel mit leicht angekokelten Hitzekacheln aus dem Wasser gezogen wird, dürfte man sich wieder daran erinnern, dass schon die Raumfahrt in Erdnähe ein Geschäft ist, das sich an der Grenze des Machbaren bewegt.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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