Raumfahrt:Regierung chartert Flug ins All

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Etwa dreieinhalb Minuten nach dem Start der Spectrum-Rakete von Isar Aerospace wird die Unterstufe abgetrennt. Die obere Stufe bringt die Satelliten dann in die gewünschte Umlaufbahn. Illustration: Isar Aerospace/oh (Foto: Isar Aerospace/oh)

Isar Aerospace wird 2022 wohl als erstes deutsches Start-up seine Kleinrakete starten. Mit dabei sind die Gewinner eines Satellitenwettbewerbs des Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

Von Dieter Sürig

Der Flug wird nicht einmal zehn Minuten dauern, doch wird er wohl ein neues Kapitel der deutschen Raumfahrt eröffnen: Das Unternehmen Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München will in etwa einem Jahr erstmals seine kommerzielle Kleinrakete Spectrum in den Erdorbit schießen. Es wird voraussichtlich der erste Start eines so genannten Microlaunchers, der in Deutschland gebaut wird, neben Isar Aerospace entwickeln auch Hyimpulse aus Baden-Württemberg und die Rocket Factory Augsburg (RFA) solche Kleinraketen. Und seit Montag ist bekannt, was die 28 Meter lange zweistufige Spectrum ins All befördern soll - im Auftrag der Bundesregierung.

Die Rakete soll normalerweise bis zu eine Tonne Fracht in den unteren Erdorbit bringen können, doch beim ersten Testflug sollen es erst einmal nur etwa 100 Kilogramm werden - darunter sieben Kleinsatelliten von fünf wissenschaftlichen Institutionen, vor allem von Universitäten. Es handelt sich dabei um die Sieger eines Kleinsatellitenwettbewerbs des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das auch einen Microlauncherwettbewerb ausgerichtet hatte, den Isar Aerospace in der ersten Runde gewonnen hat. Das DLR hat dafür ein Preisgeld von elf Millionen Euro ausgelobt und darf dafür Nutzlasten für die ersten beiden Flüge des Start-ups auswählen.

Beim Premierenflug mit dabei: Das Würzburger Zentrum für Telematik will mit drei jeweils fünf Kilo schweren Kleinsatelliten die Ausdehnung von Vulkanaschewolken vermessen. Die TU Berlin und die Universität Maribor in Slowenien testen unterschiedliche Mini-Transceiver für die Kommunikation, und die Uni Trondheim in Norwegen testet für eine Firma einen Sternensensor. Vertreten ist auch das DLR selbst, wobei es darum geht, die Entwicklung von Satelliten zu beschleunigen. Zwei so genannte Deployer der Start-ups Exolaunch aus Berlin und Isispace aus den Niederlanden sollen die Satelliten dann auf die Bahnen verteilen.

Für den Leiter der Raumfahrtagentur im DLR, Walther Pelzer, sind die beiden Wettbewerbe auch ein weiterer Schritt, die Rolle der Agenturen zu verändern und "Wegbereiter für die Kommerzialisierung von Raumfahrtaktivitäten in Deutschland und Europa" zu sein. Anstatt intensiv bei der Entwicklung von Hardware mit zu bestimmen, will das DLR mehr als Kunde auftreten. "Wir wollen künftig verstärkt Services nachfragen", sagt Pelzer - um mittelständische Firmen und Start-ups zu stärken und Kapazitäten für den Zugang zum All aufzubauen. "Der Wettbewerb hat europaweit viel Aufmerksamkeit erzeugt, auch weil Isar Aerospace in kurzer Zeit eine hohe Technologiereife erreicht hat", so Pelzer.

Für 2023 ist der erste kommerzielle Flug geplant

Die Bundesregierung beauftragt mit Isar Aerospace erstmals ein privat finanziertes europäisches Raumfahrtunternehmen mit dem Transport von institutionellen Nutzlasten in den Orbit. "Diese Kooperation trägt dazu bei, dass die Entwicklung von Forschung und Technologie für den Weltraum weiter gefördert wird", sagt Isar-Aerospace-Chef Daniel Metzler. Im kommenden Frühjahr will DLR-Manager Pelzer einen weiteren Gewinner des Kleinraketenwettbewerbs bekanntgeben, sodass das DLR dann in den kommenden Jahren Kapazitäten bei weiteren zwei Flügen nutzen kann, die wiederum bei weiteren Satellitenwettbewerben ausgewählt werden. Schon beim zweiten Demonstrationsflug sollen auch Unternehmen dabei sein, es gebe bereits zwölf Bewerbungen.

Metzler will den zweiten Demo-Flug von Spectrum 2023 starten, "direkt danach planen wir den ersten kommerziellen Flug". Der Start ist jeweils in Andøya vorgesehen, "wir haben uns einen exklusiven Startplatz in Norwegen gesichert, von dem bis zu 15 Starts pro Jahr möglich sind", sagt Metzler. Neben dem DLR hat er bereits diverse Kunden auf der Startliste, darunter Airbus mit einem Erdbeobachtungsatelliten oder Branderkennungssatelliten von Ororatech.

Isar Aerospace ist auch an einem Konsortium namens UN:IO beteiligt, das unter Führung des Berliner Satellitenherstellers Reflex Aerospace und der Laserkommunikationsfirma Mynaric bis 2025 eine unabhängige sichere europäische Breitbandkonstellation mit 400 Satelliten aufbauen möchte und von der EU gefördert wird. An dem Konsortium sind nach eigenen Angaben 14 europäische Firmen und Forschungsinstitute beteiligt. Ein erster Testflug ist für Ende 2023 geplant.

Isar-Mitbewerber RFA peilt bislang ebenfalls für Ende 2022 seinen Erstflug an und hat kürzlich dafür einen Vertrag mit der Firma Lunar Research Service aus der Ukraine abgeschlossen, die mit dem Flug eine Mondmission vorbereiten will, sowie weitere Startaufträge unterschrieben. Hyimpulse musste den für Herbst ersten geplanten Flug einer kleineren Höhenforschungsrakete auf den Sommer 2022 verschieben. Der eigentliche Microlauncher wird wohl 2023 abheben, die Gründer haben für ihre Rakete auch bereits einige Absichtserklärungen von Kunden in der Tasche.

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