Arbeit und Soziales:Rassistische Affenlaute fallen nicht unter Meinungsfreiheit

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Wenn die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, sind die Grenzen der Meinungsfreiheit laut Gericht überschritten. (Foto: Uli Deck/picture alliance/dpa)

Ein Mann sagt zu seinem Kollegen mit dunkler Hautfarbe "Ugah, ugah" und wird fristlos entlassen. Zu Recht, sagt das Bundesverfassungsgericht.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die rassistische Diskriminierung eines Kollegen kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen - daran ändert auch eine Berufung auf die Meinungsfreiheit nichts. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde eines Angestellten, der einen Kollegen mit dunkler Hautfarbe mit den Worten "Ugah, ugah" tituliert hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Wenn eine Person mit dunkler Hautfarbe nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert werde, dann sei dies "fundamental herabwürdigend", befand eine Kammer des Ersten Senats.

Der Mann, der schon einmal wegen eines äußerst derben Spruchs in der Kantine abgemahnt worden war, arbeitete als Service-Agent seit 13 Jahren in einem Logistikunternehmen und saß sogar im Betriebsrat. In einer Sitzung hatte er mit dem Kollegen mit dunkler Hautfarbe ein IT-Problem zu besprechen. Dieser empfahl, die Sache logisch anzugehen. Daraufhin der Service-Agent: "Weil du jetzt eine Brille hast und logisch denken kannst?" Was er überhaupt von ihm wolle, fragte der Kollege, worauf der Service-Agent die Affenlaute "Ugah, ugah" hervorstieß. Der Kollege nannte ihn einen "Stricher" - ob vorher oder nachher, ist strittig - und meldete die Sache der Geschäftsleitung.

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Der Service-Agent versuchte noch, die Sache kleinzureden. Der Umgangston im Betriebsrat sei eben manchmal flapsig, das diene der Auflockerung der Atmosphäre. Aber die Geschäftsleitung schickte ihm die Kündigung.

Laut Gericht sind die Grenzen der Meinungsfreiheit dann überschritten, wenn nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Der Beschluss aus Karlsruhe bekräftigt die Lesart der Arbeitsgerichte, die herausgearbeitet hatten, wo die Grenzlinie zwischen einer bloßen Grobheit und einer rassistischen Diskriminierung verläuft. Nämlich dort, wo eine Beleidigung an eines der Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausdrücklich genannt sind - in diesem Fall die rassistische Diskriminierung. Die Äußerung sei "regelmäßig als grobe, wegen der ethnischen Herkunft diskriminierende Beleidigung aufzufassen", so formulierte es das Arbeitsgericht Köln.

Der Kläger versuchte, sich zu erklären: Oliver Kahn habe sich ja auch Affenlaute anhören müssen

Bemerkenswert sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Köln, das sich eingehend mit dem Sinngehalt solcher Laute befasst hat. Worte wie "Arschloch", "dumme Sau" oder eben auch "Stricher" seien schlicht derbe Beleidigungen, nicht schön, aber eben oft "ein Zeichen mangelnder Beherrschung und fehlender Erziehung". Affenlaute gegenüber einem Menschen mit dunkler Hautfarbe zu äußern, geht dem Gericht zufolge über diese Ebene hinaus und sendet ganz andere Botschaften: dass man jemanden nahezu als einen geistig minderbemittelten Primaten ansehe, dass Hautfarbe ein bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten sei, dass man Menschen mit dunkler Hautfarbe als geringwertig verachte.

Anders ausgedrückt: In diesem Kontext werde die Beleidigung zur "Selbstoffenbarung" eines Rassisten. Dass der Kläger sich hinterher nicht einmal entschuldigt habe, bestätige nur, dass es hier nicht um ein Spontanversagen oder einen Ausrutscher gehe - sondern "um eine Manifestation einer rassistischen Grundeinstellung".

Wie stets beim Thema Meinungsfreiheit ist freilich der Zusammenhang entscheidend, in dem eine Äußerung fällt - hier also die dunkle Hautfarbe desjenigen, der beleidigt wird. Der Kläger hatte seine "Ugah, Ugah"-Kommunikation damit abzumildern versucht, dass das Fußballpublikum einst auch Oliver Kahn als Affen tituliert habe, gern auch mit Bananenwürfen garniert. Laut Landesarbeitsgericht ist so ein Verhalten zwar ebenfalls beleidigend, "hat aber nichts mit Diskriminierung und insbesondere nichts mit Rassismus zu tun".

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