Die großen Banken der Euro-Länder sollen vom Jahreswechsel an erstmals umfassend geprüft werden. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte der Süddeutschen Zeitung und vier weiteren Zeitungen, die Europäische Zentralbank (EZB) werde "ganz tief in alle Bilanzen schauen und auswärtigen, unabhängigen Sachverstand einbeziehen". Die EZB-Experten würden schon aus Eigeninteresse ganz genau hinschauen, sagte Dijsselbloem. Der Zentralbank sei "völlig klar, dass ihre Glaubwürdigkeit beschädigt wird, wenn sie nicht genau prüft".
Die Europäische Zentralbank wird dann voraussichtlich von Herbst 2014 an die großen Banken der Euro-Länder direkt beaufsichtigen. Zuvor müssen alle 130 Geldhäuser nachweisen, dass ihre Bilanzen sauber sind. Andernfalls müssen sie nachbessern, im schlimmsten Fall können sie auch abgewickelt werden. Ziel der zentralen Aufsicht ist es, das europäische Finanzsystem sicherer zu machen. Bisher hatten oft nationale Bankaufseher verhindert, dass marode Geldhäuser geschlossen werden.
Unterdessen ist um die Verteilung der Kompetenzen bei der Abwicklung von Banken ein heftiger Streit zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung ausgebrochen. Die Kommission legte am Mittwoch zentrale Regeln vor, wie genau die Schließung von Banken ablaufen soll. Um die Steuerzahler zu schützen, sollen sämtliche Geldhäuser an den entstehenden Kosten beteiligt werden und vorab in einen gemeinsamen Fonds einzahlen, der notfalls einspringt. Findet die Aufsicht der EZB heraus, dass ein großes Geldinstitut nicht mehr geschäftsfähig ist, soll künftig ein Gremium aus Vertretern der Mitgliedsstaaten, der Behörde und der EZB vorschlagen, ob die Bank zu sanieren oder abzuwickeln ist.
Dijsselbloem warnt vor unklaren Kompetenzen
Die finale Entscheidung darüber soll die Kommission zusammen mit dem Mitgliedsstaat treffen. Genau das lehnt Berlin ab. Die Kommission überschreite ihre Kompetenzen, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Bundesregierung sei nicht bereit, der EU-Kommission die Entscheidung über die Schließung angeschlagener Banken zu überlassen.
Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem warnte angesichts des Streits vor unklaren Kompetenzen. Unter Verweis auf frühere Streitigkeiten sagte er, die Euro-Gruppe dürfe "nicht wieder in die Situation kommen, dass die Entscheidung verschleppt wird, weil sich nationale Vertreter darüber zerstreiten, wer die Rechnung zahlt". Die Währungsgemeinschaft brauche klare Regeln und klare Entscheidungsbefugnisse, um "schnell und effizient" zu entscheiden. Die Verantwortlichen müssten in der Lage sein, "über Nacht oder über das Wochenende" zu handeln.
In dem Gespräch mit europäischen Zeitungen kündigte Dijsselbloem für April 2014 einen kompletten Kassensturz in Griechenland an. Danach werde über weitere Maßnahmen entschieden, darunter einen Schuldenerlass oder die nachträgliche direkte Rekapitalisierung der griechischen Banken durch den Euro-Rettungsfonds ESM. Zugleich stellte Dijsselbloem weitere Hilfen für Irland und Portugal in Aussicht. Darüber werde im Herbst entschieden.