Öffentlicher Raum:"Parkplätze einfach zu streichen, ist zu wenig"

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Mehringdamm in Berlin: Drei Ministerien suchen einen Konsens, auf welche Weise der CO₂-Verbrauch von Fahrzeugen am sinnvollsten eingestuft werden sollte. (Foto: Stefan Zeitz/imago stock&people)
  • Gemessen an den Grundstückspreisen in den Städten gibt es den öffentlichen Parkraum derzeit zum Spottpreis.
  • Der Automobilverband VDA schildert nun in einem Positionspapier, wie Parken in den Städten neu organisiert werden könnte.
  • Umweltschützer wähnen in dem Vorstoß eine Nebelkerze.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Für Helmut Dedy ist die Grenze vielerorts schon erreicht. "Manche Stadt erstickt fast am Autoverkehr", sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. "Der öffentliche Raum in den Städten ist knapp und zu wertvoll, um nur Fahrbahn und Parkplatz zu sein." Die Ansprüche wachsen noch. Einerseits braucht es mehr Platz für Radwege, Grün in der Stadt oder Begegnungszonen, andererseits wachsen viele Städte und damit die Zahl der Autos. Zunehmend suchen auch Lieferautos Platz - für die stetig wachsende Zahl an Päckchen, die sie der Internet-Kundschaft ausliefern sollen. Der Automobilverband VDA formuliert es so: "Urbane Mobilität und Logistik stehen derzeit vor großen Herausforderungen."

Am Donnerstag hat der Verband deshalb ein dreiseitiges Positionspapier publik gemacht. Es ist eine Flucht nach vorn: Diejenigen, die mit dem Verkauf von Autos ihr Geld verdienen, bangen um deren Platz in den Städten. Man wolle gemeinsam mit Städten an Lösungen arbeiten, "wie Mobilität bei sich stetig verschärfender Flächenknappheit (...) sichergestellt werden kann".

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Die Autoindustrie setzt dabei auf Technologie und neue Anreize. So sei es zentral, die Flächen effizienter zu nutzen - auch mithilfe der Digitalisierung. "Alle, die auf einen Parkplatz angewiesen sind, sollten einen freien Stellplatz möglichst ohne Suchverkehr erreichen können", heißt es in dem Papier. Informationen, wo gerade ein Platz frei ist, könnten dabei auch Fahrzeuge untereinander austauschen. Parallel müsse es auch möglich werden, die Preise fürs Parken je nach Tageszeit zu differenzieren. Verkehrsströme und -aufkommen ließen sich so steuern, wirbt der VDA.

Gemessen an den Grundstückspreisen in den Städten gibt es den öffentlichen Parkraum derzeit zum Spottpreis. Für Anwohner-Parkausweise etwa schreibt der Bund eine Bandbreite an Gebühren vor, sie liegt derzeit zwischen zehn und knapp 31 Euro pro Jahr, und das schon seit 1993. Die Gebühren sollen dabei vor allem den Verwaltungsaufwand decken, wozu sie aber nach Auffassung des Städtetags oft nicht mal reichen. Er fordert eine Bandbreite zwischen 20 und 200 Euro. "Wir müssen die Verkehrswende so gestalten, dass mehr Menschen aufs eigene Auto verzichten", sagt Städtetags-Chef Dedy. Derzeit prüft das Bundesverkehrsministerium, den Städten mehr Spielraum zu geben. Auch Parken auf Radwegen soll künftig mehr schmerzen, wegen höheren Bußgelds.

Zumindest die Autohersteller hätten nichts dagegen, um so "den tatsächlichen Wert der Nutzung des begrenzten öffentlichen Raums abzubilden". Allerdings brauche es dabei eine soziale Komponente: Anwohner mit geringem Einkommen etwa müssten dadurch weniger für den Parkausweis zahlen als andere. Selbst bei den Bußgeldern für Falschparker würde der VDA gern über eine derartige Staffelung reden.

Der Parkraum aber soll bleiben. "Parkplätze einfach zu streichen, ist zu wenig", sagt VDA-Geschäftsführer Kurt-Christian Scheel. "Nötig sind kommunale Gesamtkonzepte, die den Bürgern alltagstaugliche Mobilitätsalternativen bieten." Gebe es keine Alternative zum eigenen Auto, wachse nur die Zahl jener, die auf Parkplatzsuche durch Städte kreisen oder falsch parken.

Umweltschützer wähnen in dem Vorstoß eine Nebelkerze. "Auf den ersten Blick mag er fortschrittlich klingen", sagt Michael Müller-Görnert, Experte beim Verkehrsclub Deutschland. Letztlich aber scheue die Industrie die nötigen Einschnitte. "Wenn wir mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer wollen, dann muss der Parkraum schrumpfen", sagt Müller-Görnert. "Auch die Zahl der Autos in den Städten."

© SZ vom 03.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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