Übernahmekampf:Hedgefonds erobern die Macht bei Osram

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Widerstand in den eigenen Reihen: Die Osram-Mitarbeiter haben bereits gegen die Übernahme durch die Österreicher demonstriert. (Foto: Philipp Guelland/Shutterstock)
  • Laut Finanzkreisen gehören bereits bis zu 45 Prozent der Osram-Aktien sogenannten Hedgefonds.
  • Der seit Monaten anhaltende Übernahmepoker um das über 110 Jahre alte Münchner Traditionsunternehmen wird so immer komplizierter.

Von Thomas Fromm, München

In einer Zeit, in der Osram mittendrin in einem sehr unappetitlichen Übernahmekampf steckt, ist das mal eine gute Nachricht: Der Lichtkonzern möchte bis zum Jahre 2030 klimaneutral sein, teilte er Anfang der Woche mit. CO₂-neutral wirtschaften, und das in zehn Jahren - solche Mitteilungen großer Unternehmen liegen gerade voll im Trend. In diesem Fall aber ist es mit Zehn-Jahres-Plänen so eine Sache, denn zur Stunde weiß man nicht einmal, was nächste Woche mit Osram passieren wird. Geschweige denn in zehn Jahren. Im Grunde kann man nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen, ob es diesen über 110 Jahre alten Traditionskonzern in zehn Jahren überhaupt noch so geben wird. Denn Osram, einst ein stolzer Hersteller von Glühbirnen, der sich zuletzt auf Spezialanwendungen und LEDs für die Auto- und Smartphone-Industrie konzentrierte, ist innerhalb weniger Monate von einem renommierten Lichtunternehmen zu einem Spekulationsobjekt geworden.

Kurz vor dem 5. Dezember, jenem Tag, an dem ein Übernahmeangebot des österreichischen Sensoren- und Chip-Herstellers AMS für Osram ausläuft, geraten die Dinge hinter den Kulissen außer Kontrolle. Nach SZ-Informationen aus Finanzkreisen sollen bis zu 45 Prozent der Osram-Anteile inzwischen in den Händen so genannter Hedgefonds liegen, also bei zum Teil recht aggressiven Investmentfonds, die mit möglichst wenig eigenem Kapital kurzfristig auf fallende bzw. steigende Kurse setzen.

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"Es scheint, dass eine Reihe von Hedgefonds Aktien erworben haben mit dem Ziel, diese erst zu einem späteren Zeitpunkt und zu einem höheren Preis anzudienen", sagte Osram-Chef Olaf Berlien der SZ. Diese Strategie sei "fraglich, denn zur Zeit wurden erst 3,3 Prozent der Aktien angedient". Die Frage ist also: Wie soll es jetzt weitergehen mit den Hedgefonds, und was wollen sie überhaupt? Sie könnten warten und hoffen, dass der Deal zustande kommt - um dann zu versuchen, AMS ihre Aktien mit hohem Aufschlag zu verkaufen. Sie wissen genau: Die Österreicher bräuchten de facto 75 Prozent, um bei Osram durchregieren und auf die Finanzmittel zugreifen zu können. Die Hedgefonds könnten aber auch hoffen, dass der Deal platzt und auf massiv fallende Kurse der Osram-Aktie wetten. Es gibt verschiedene Wege, um einen guten Schnitt zu machen.

Vor allem Osram-Großinvestoren wie der Versicherungskonzern Allianz sollen zuletzt große Aktienpakete an die Fonds weitergereicht haben. Hohes Risiko, schnelle Gewinne, und ein nur sehr begrenztes Interesse am eigentlichen Geschäft der betroffenen Firmen - es gibt Kritiker, die halten Hedgefonds für die eigentlichen Hyänen des Finanzmarktes. Und wie so oft, wenn Investoren um Anteile, Geld und Macht zocken, geht es auch bei Osram um alles. Nur nicht um das betroffene Unternehmen und seine Mitarbeiter. Bis Mittwochabend hatten nur 3,3 Prozent der Osram-Aktionäre ihre Aktien an AMS verkauft. Zusammen mit Osram-Anteilen, die die Österreicher in den vergangenen Wochen am Markt zusammengekauft hatten, käme man zurzeit gerade auf einen Osram-Anteil von 23,3 Prozent. Damit die Übernahme zustande kommt, muss man bis nächsten Donnerstag allerdings mindestens 55 Prozent einsammeln.

"In trockenen Tüchern ist das hier noch lange nicht", heißt es aus Unternehmenskreisen

AMS-Chef Alexander Everke gab sich zuletzt sehr siegessicher. "In trockenen Tüchern ist das hier noch lange nicht", heißt es aber aus Unternehmenskreisen. Möglich sei durchaus, dass der Deal noch platze. Das Risikoszenario sieht so aus: AMS scheitert mit seinem Übernahmeplan, die Osram-Aktie rauscht in den Keller, gleichzeitig bleibt ein großer Teil der Anteile bei den Hedgefonds liegen - und AMS auf seinen 23,3 Prozent sitzen.

In Managementkreisen spricht man gerne von "win-win"-Situationen, wenn alle etwas gewonnen haben. Das hier wäre dann wohl eher eine "lose-lose"-Situation. Viele Verlierer in einem großen Glücksspiel. Und dann? Eigentlich war Osram-Chef Olaf Berlien Anfang des Jahres nur auf der Suche nach neuen Geldquellen, um für das kriselnde Unternehmen mit seinen rund 26 000 Beschäftigten in neue Technologien investieren zu können. Stattdessen ist die Sache nun ziemlich aus dem Ruder gelaufen.

Wie es so weit kommen konnte, dass Osram in wenigen Monaten zur Spielwiese für Spekulanten wurde? Das Drama des Lichtkonzerns, der bis 2013 eine Siemens-Tochter war, nahm im Sommer seinen Lauf, als erstmals die US-Finanzinvestoren Bain und Carlyle für die Münchner boten. So weit, so normal und so alltäglich. Dann aber kam der weitaus kleinere österreichische Chiphersteller AMS, um die Amerikaner mit einem Angebot von 41 Euro auszubooten. Der Versuch scheiterte, zu wenige Aktionäre gingen auf das Angebot aus Premstätten in der Steiermark ein. Kurze Zeit später, wieder AMS, der nächste Versuch: Immer noch 41 Euro, allerdings sollen diesmal 55 Prozent der Aktien reichen.

Zuletzt warben Osram und AMS für die Übernahme zu einem europäischen Weltmarktführer für Sensorik und Photonik

Beim ersten Versuch lag die Annahmeschwelle noch bei 62,5 Prozent der Anteile. Am Anfang sah es nicht einmal so schlecht aus: Osram-Chef Berlien, zunächst noch ein erbitterter Gegner der Offerte der Österreicher, zeigte sich zuletzt offen und optimistisch. In einem gemeinsamen, offenen Brief sprachen er und Everke von "sehr konstruktiven und vertrauensvollen Gesprächen auf Augenhöhe". Gemeinsam könne man "einen europäischen Weltmarktführer für Sensorlösungen und Photonik schaffen", loben sie ihre Strategie.

Keine fusionsbedingten Kündigungen bis Ende 2022, München Co-Konzernzentrale, den Namen Osram erhalten - mit solchen Zusagen wollte man auch die kritischen Arbeitnehmervertreter mit ins Boot holen. Die bleiben auf den Barrikaden, sie befürchten, dass der Einstieg der Hedgefonds die Sache für Osram noch schwieriger macht. Schon jetzt muss AMS Milliardenschulden für die Übernahme aufnehmen. Je teurer es am Ende wird, desto härter könnten die Sparmaßnahmen bei Osram ausfallen. "Die Hedgefonds werden jetzt pokern", sagt IG-Metall-Mann und Osram-Aufsichtsrat Klaus Abel der SZ. "Das wird die Finanzen noch mehr ruinieren."

Langsam kippt auch bei Osram die Stimmung. Dass so viele Hedgefonds inzwischen an Bord sind, hat die Münchner kalt erwischt. Ein Insider stellt die Frage, inwiefern Everke nach einer Übernahme überhaupt noch zu den Zusagen stehen würde, die er vorher gemacht hat. So habe der AMS-Chef zuletzt wieder einen Verkauf des Digitalgeschäfts von Osram ins Gespräch gebracht. Dabei habe man sich vorher darauf geeinigt, Osram nicht auf diese Weise zu zerschlagen. "Der hat keine Handschlagqualität", heißt es nun aus Industriekreisen. Ist das Verhältnis zwischen AMS und Osram schon belastet?

Am Mittwochabend schließlich verschickte AMS eine Mitteilung. Überschrift: "Letzte Chance für Osram-Aktionäre, sich das attraktive AMS-Angebot von EUR 41,00 zu sichern." Es handele sich um die "letzte Gelegenheit", dieses "strategisch überzeugende und finanziell attraktive Angebot anzunehmen". Zum ersten, zum zweiten, zum dritten: Das war wohl an die an die Hedgefonds gerichtet. Her mit Euren Aktien, sonst könnte die Sache ziemlich übel ausgehen. Für uns alle.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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