Automobilindustrie:Großer Knall bei Audi

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Blick ins Stammwerk Ingolstadt. (Foto: Sven Simon/imago)
  • Audi streicht 9500 Stellen in Deutschland. Eine gewaltige Zahl, hierzulande arbeiten rund 61 500 Menschen für das Unternehmen.
  • Lieber ein harter Schnitt, der dann Ruhe bringt: Dieser Idee der Audi-Spitze schloss sich der Betriebsrat letztlich an.

Von Max Hägler, München

Das Bemerkenswerteste an der schlechten Nachricht vom Stellenabbau bei Audi ist vielleicht: Sie kommt so leise daher. Nachdem Audi-Chef Bram Schot vor ein paar Wochen seine Sparvorgaben kundgetan hatte, sind die ganz großen Proteste ausgeblieben, bleiben auch jetzt aus. Dabei werden bei dem Autobauer aus Ingolstadt 9500 Stellen in Deutschland in den kommenden fünf Jahren gestrichen, dazu einige Hundert außertarifliche Managementposten.

Eine gewaltige Zahl, zumal bei rund 61 500 Beschäftigten hierzulande. Es ist der klare Beleg, dass das Wachstum zu Ende ist, es nun vor allem um das Verwalten des Erreichten geht, um die Bewältigung der teuren Elektromobilität und all die digitalen Entwicklungen. Aber es gibt keine verzweifelten Demonstrationen samt roter Fahnen vor den Werkstoren, im Gegenteil: Den Plan und die Zahl hat das Management um Schot gemeinsam mit dem Betriebsrat beschlossen - und beide Seiten klingen am Dienstag geradewegs euphorisch. "Wir haben einen wichtigen Meilenstein erreicht", lässt sich Betriebsratschef Peter Mosch zitieren. Immerhin seien ja die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sicher. Und es würden ja zugleich 2000 Stellen in "Zukunftsfeldern" geschaffen.

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Das ist die neue Realität in der Autoindustrie und insbesondere in Ingolstadt: Man freut sich schon darüber, wenn die Nachrichten in der Problem-Firma nicht ganz so schlecht sind wie befürchtet. Tatsächlich muss man verschiedene Aspekte berücksichtigen, um die Zahl und die Reaktion darauf einordnen zu können. Vor 15 Jahren hatte Audi erst 50 000 Mitarbeiter, rasant ging es nach oben in der Ära des langjährigen Vorstandschefs Rupert Stadler. Vom angesetzten "Speck" spricht der gegenwärtige Chef Schot stets, es bezieht sich auf das Management, aber es bezieht sich auch auf die Auslastung der Werke. 500 000 Autos könnten in Ingolstadt pro Jahr vom Band laufen, 300 000 in Neckarsulm. Produziert wurden zuletzt jedoch nur 430 000 im Stammwerk und 190 000 in Baden-Württemberg. Insgesamt hat Audi rund 25 Prozent mehr Kapazität als benötigt - weil in Deutschland weiter das schlechte Image nach dem Dieselskandal das Geschäft vermiest und überhaupt in der ganzen Welt das Wachstum beim Neuwagenverkauf ins Stocken geraten ist.

Ein bisschen hätte der Absatz wohl gesteigert werden können, wenn die Händler noch mehr Rabatte geben dürften, etwa den Mietwagenbetreibern in Deutschland. Aber das hat Audi-Finanzchef Alexander Seitz abgelehnt; er will lieber weniger Marge, als mehr Autos ohne Gewinn abzusetzen. Und tatsächlich könnte Audi der Marge nach ein verhältnismäßig gutes Jahr abschließen, auch im Branchenvergleich: Auf mindestens acht Prozent dürfte sie sich belaufen, ist zu hören. Die Wettbewerber BMW und Daimler verkaufen zwar mehr Autos, verdienen aber pro Wagen weniger.

Die Kehrseite der Ingolstädter Strategie: Die Fixkosten, vor allem eben beim Personal, müssen runter. Es wird weniger Arbeit geben in Ingolstadt und in Neckarsulm. Und dann sind da auch noch die zunehmende Automatisierung, die niedrigeren Gewinnaussichten bei Elektroautos und ihre simplere Fertigung. Die Betriebsräte bei der Volkswagen-Tochter Audi verschließen davor die Augen nicht, zumal die gesamte Industrie deshalb unter Druck geraten ist. Sie schimpfen nicht auf das Management, sondern folgen Schot, der am Dienstag an die Wettbewerbsfähigkeit erinnert: "In Zeiten des Umbruchs stellen wir Audi agiler und effizienter auf." 15 Milliarden Euro würden so "freigespielt", die wiederum in Assistenzsysteme und neue Antriebe investiert werden könnten, erklärt Schot, der auch die Umstellung aller deutschen Fabriken auf die Fertigung von E-Autos zugesagt hat.

Bis Ende 2029 will das Management betriebsbedingte Kündigungen vermeiden

Und beim Freispielen bleibt eben die ganz große Härte aus: Die Zahl der Auszubildenden wird auf bisherigem Niveau gehalten. Der Stellenabbau wird nicht über Kündigungen bewerkstelligt, sondern über Abfindungen, Altersteilzeit und die Nicht-Nachbesetzung von Stellen. Wer seinen Job mag, kann nun einigermaßen ruhig bleiben: Bis Ende 2029 will das Management betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Schot und Produktionschef Peter Kössler wollten dem Vernehmen nach lieber einen harten Schnitt machen, der Ruhe bringe, anstatt alle paar Jahre ein bisschen nachzulegen mit schlechten Nachrichten. Ein Ansatz, dem Betriebsratschef Mosch und seine Leute letztlich folgten, und der ungewöhnlich ist für das Unternehmen. Das Management wechselt andauernd - im kommenden Frühjahr wird der halbe Vorstand ausgetauscht werden, obwohl der eigentlich noch neu ist. Und angesichts von Verstrickungen in den Dieselskandal ist die Staatsanwaltschaft zum Dauergast geworden.

Das Ausgehandelte gebe "den Beschäftigten Sicherheit und den Standorten Zukunft", sagt auch Johann Horn. Der Leiter der IG Metall in Bayern weiß, dass es auch noch schlechter hätte kommen können: Als am Dienstag die 9500 Stellenstreichungen bekannt werden, veranstaltet er gerade eine Automobil-Konferenz. Das Thema: "Sicherheit für Beschäftigte im Wandel".

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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