Griechenland:Den Deutschen ist das Prassen der Amerikaner suspekt

Ins gleiche Horn stößt Joseph Stiglitz, früher Chefökonom der Weltbank und heute ebenfalls Professor an der Columbia-Universität. "Mehrere europäische Staaten stecken immer noch in einer Depression - und ich verwende diesen Begriff mit voller Absicht", schimpfte er jüngst bei derselben Podiumsdiskussion mit Schäuble, an der auch Phelps teilnahm. "Die Arbeitslosenrate in der Euro-Zone liegt im Schnitt bei zwölf Prozent, die Jugendarbeitslosenrate bei 25 Prozent, in Spanien gar bei 50 Prozent. Hier wird eine ganze Generation zerstört." Die Art, wie vor allem Merkel und Schäuble die Krise managten, werde "Europas Wachstumspotenzial nachhaltig beschädigen".

Dabei plädieren Stiglitz und seine Kollegen nicht etwa dafür, dass der Staat mit geliehenem Geld konjunkturelle Strohfeuer entfacht. Es müsse aber endlich mehr investiert werden - in Bildung, Infrastruktur und Technologie. Schließlich nutze es niemanden, wenn eines Tages in ganz Europa die Haushalte saniert seien, gleichzeitig aber Schulen, Straßen und Brücken verfielen.

Das sieht Kenneth Rogoff, Professor in Harvard, Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und gewiss kein Linksradikaler, nicht anders. Zwar wählt er seine Worte mit mehr Bedacht als Krugman und Stiglitz, ja, er bringt sogar Verständnis für Merkels innenpolitische Nöte auf. Zugleich jedoch hält auch er die in Berlin erdachten Sparauflagen für die Euro-Krisenländer für zu hart und einen radikalen Schuldenschnitt in Griechenland für unumgänglich.

Wachstumsanreize? Ja, aber

Dagegen orientiert sich die Denkweise der meisten deutschen Ökonomen auch an der Tradition der Ordnungspolitik - und der Bundesbank, die solide Finanzen für die Basis von Wachstum und Wohlstand hält. Das fröhliche deficit spending der Amerikaner ist vielen deutschen Kollegen suspekt, und im Streit um Griechenland sehen sie weit mehr Fehler bei der Regierung Tsipras als bei der Regierung Merkel. Griechenland, so die verbreitete Meinung, werde nicht durch Ausgaben auf Pump gesunden, sondern nur durch eine Reform der rückständigen Wirtschaft mit ihren Monopolen, Bürokratieexzessen, Frühverrentungen und Beamtenheeren. Und sie halten die Erfolgsmeldungen aus Spanien, Irland und den anderen Krisenstaaten nicht für Schein, sondern für vorbildlich - gerade für die Hellenen.

Ein Beispiel für diese Denkweise ist Clemens Fuest, der Präsident des Mannheimer ZEW-Instituts, der nicht zu den Radikalen im Lande zählt und anders als etwa Ifo-Chef Sinn auch nicht den Euro-Austritt der Griechen verlangt. Doch obwohl er jahrelang in Oxford lehrte, klingt auch Fuest ganz anders als die angelsächsischen Kollegen. Die Griechen könnten nur im Euro gehalten werden, wenn sie zu Reformen bereit seien, sagt er im Gespräch mit der SZ. Wachstumsanreize? Ja, aber: "Bei staatlichen Investitionsprogrammen bin ich skeptisch." Und der Schuldenschnitt, den die Amerikaner für unverzichtbar halten? "Die Schulden werden überbetont", sagt Fuest. "Der Schuldendienst war in Griechenland niedriger als in Portugal oder Italien, als die Regierung Tsipras drankam. Die Euro-Partner haben den Griechen durch niedrige Zinsen und späte Rückzahlung schon sehr geholfen."

In den USA gelten solche Ansichten als viel zu zaghaft. Die ersten US-Ökonomen flüchten sich angesichts der scheinbar nicht endenden Euro-Krise bereits in Sarkasmus, so etwa Barry Eichengreen von der Berkeley-Universität in Kalifornien. "Als ich vor zehn Jahren vorausgesagt habe, dass der Euro-Austritt eines Landes immer unwahrscheinlicher wird, habe ich die Rolle der Politik unterschätzt", so Eichengreen vor einigen Tagen in einem Wissenschaftsdienst. "Genauer gesagt: Ich habe das Maß an politischer Inkompetenz unterschätzt - seitens der griechischen Regierung, aber noch mehr seitens der Geldgeber."

Allzu große Hoffnungen, dass die Amerikaner bald Ruhe geben werden, sollte sich Merkel nicht machen. Auch Krugman lässt nicht locker. Er erklärte, er hat die Dinge auf seiner Fahrradtour "logistisch so arrangiert", dass er auch von unterwegs zumindest eine Kolumne hinbekommen werde. Schon an diesem Freitag soll sie erscheinen.

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