Der Name klingt harmlos, aber der Hurrikan "Ida" ist die mit Abstand teuerste Naturkatastrophe des Jahres 2021. Der Sturm der zweithöchsten Stufe war Ende August 90 Kilometer südlich von New Orleans auf die Küste der USA getroffen und hatte mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 240 Kilometern pro Stunde mehrere zehntausend Gebäude zerstört. Schadenbilanz: 65 Milliarden Dollar. 36 Milliarden Dollar davon waren versichert. Damit steht das Ereignis ganz oben auf der Liste der teuersten Naturkatastrophen des Rückversicherers Munich Re.
Der Bericht zeigt: Naturkatastrophen haben im vergangenen Jahr etwa 10 000 Menschen das Leben gekostet - und deutlich höhere Schäden verursacht als 2020. Die Gesamtschäden fielen mit 280 Milliarden Dollar um 70 Milliarden Dollar teurer aus, der versicherte Anteil stieg um fast 40 Milliarden Dollar auf 120 Milliarden Dollar. Für die Versicherungsbranche ist es das zweitteuerste Jahr bisher. Besonders viele Naturkatastrophen trafen die USA.
Immerhin: Die Prävention wird besser
Hurrikan Ida führt zwar die Liste der teuersten Naturkatastrophen des Jahres an, ist aber vor allem deshalb interessant, weil die Schäden nicht noch höher ausgefallen sind. Das Ereignis ähnelt nämlich dem verheerenden Sturm "Katrina", der die USA 2005 ebenfalls bei New Orleans getroffen hatte, erklärt Ernst Rauch, Chef-Klimatologe von Munich Re. Ida sei noch stärker gewesen - aber die wirtschaftlichen Schäden seien nur halb so hoch gewesen wie jene des 2005er-Sturms.
Dabei spielte laut Rauch eine Rolle, dass Deiche und Schutzmaßnahmen nach dem Unglück mit einem deutlich besseren Standard aufgebaut wurden. "Insofern ist Ida ein positives Beispiel für Prävention." Dass Prävention funktioniert, ist auch deshalb eine gute Nachricht, weil Wissenschaftler einen Zusammenhang sehen zwischen dem Klimawandel und der zunehmenden Schwere und Häufung bestimmter Naturkatastrophen. Hurrikans etwa werden stärker und bringen mehr Niederschlag.
Ein weiteres prägendes Ereignis des Katastrophenjahrs 2021 waren die verheerenden Juli-Überschwemmungen in Europa und nicht zuletzt in Deutschland: Das Tief "Bernd" setzte mit ungewöhnlich heftigem Starkregen zahlreiche Landstriche unter Wasser. Allein hierzulande hinterließen die Fluten Schäden in Höhe von etwa 33 Milliarden Euro, von denen etwa acht Milliarden Euro versichert waren.
Dass Sturzfluten hierzulande derart hohe Schäden verursachen können, kam für die Versicherungswirtschaft überraschend, sagt Rauch. Er sieht Handlungsbedarf bei den Modellen, die Versicherer zur Berechnung der potenziellen Schäden durch Sturzfluten nutzen. "Wir brauchen mehr Details etwa bei der räumlichen Auflösung, um das Risiko besser zu modellieren", erklärt der Klimawissenschaftler.
Nach den verheerenden Überschwemmungen hat eine Diskussion darüber begonnen, ob es eine Pflichtversicherung gegen solche Schäden geben soll. Denn in der Gebäudeversicherung sind solche Schäden nur dann versichert, wenn Eigenheimbesitzer zusätzlich eine sogenannte Elementarschadendeckung abgeschlossen haben. Doch das hat nur etwa die Hälfte der Hausbesitzer getan.
Die Versicherungswirtschaft steht einer Pflichtversicherung traditionell kritisch gegenüber. Der Lobbyverband der Branche, GDV, hatte sich zuletzt aber gesprächsbereiter gezeigt und einen eigenen Vorschlag gemacht: Beim Verkauf einer Gebäudeversicherung soll das Risiko demnach künftig standardmäßig abgesichert werden. Nur wenn sich Kunden ausdrücklich dagegen aussprechen, soll der Elementarschutz wegfallen.
Sollte es eine Pflichtversicherung gegen Sturzfluten geben?
Die Versicherer fürchten, dass sie bei einer Pflichtversicherung die Hoheit über die Preise verlieren und keine Zuschläge mehr für besonders gefährdete Häuser verlangen können. "Ohne Risikozuschläge in besonders gefährdeten Gebieten würde die Versicherungspflicht zu Fehlanreizen führen wie der Bautätigkeit in Gefahrengebieten", kommentiert Rauch diese Diskussion. Aber es geht nicht nur um die Absicherung der Bürger, auch bei der Versicherung öffentlicher Infrastruktur wie Straßen oder Kanalisation sieht Rauch Nachholbedarf und Geschäftspotenzial, obwohl der Staat auch größte Reparaturen üblicherweise selbst finanzieren kann. "Hier haben die USA die Nase vorn", sagt der Munich Re-Experte.
Wenn Gesamtschäden und versicherte Schäden auseinanderklaffen, spricht die Versicherungsbranche von einer "Versicherungslücke". Und solche gibt es weiterhin vor allem in Schwellenländern inklusive China, moniert Munich Re. So wurde die zentralchinesische Provinz Henan von einer schweren Überschwemmung getroffen, die einen Gesamtschaden in Höhe von 16,5 Milliarden Dollar verursacht. Nur ein Zehntel war versichert.
Der Vulkanausbruch auf der Kanareninsel La Palma im August war übrigens für die Versicherer kein besonders schwerer Schaden, sagt Rauch. Zwar waren die Bilder spektakulär, aber der Gesamtschaden lag nur bei etwa 1 Milliarde Dollar, wobei der versicherte Anteil nicht bekannt ist, aber gering ausfallen dürfte. "Das Ereignis sollte uns aber daran erinnern, dass wir in Europa durchaus eine Vulkangefahr haben", betont der Klimatologe. So zähle der Vesuv in Italien zu den gefährlichsten Vulkanen weltweit.