Nahverkehr:Scharfe Kritik an Dobrindts Förderplänen

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Allein der Bau eines zweiten Tunnels in München könnte die bundesweiten Zusatzgelder aufbrauchen. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)
  • Der Bund will deutlich mehr Geld für den kommunalen Nahverkehr bereitstellen.
  • Zuletzt hieß es inoffiziell, die Förderung könnte von 330 auf etwa 400 Millionen Euro pro Jahr steigen.
  • Die Opposition wirft Verkehrsminister Dobrindt nun allerdings vor, mit dem Geld nur ein Großprojekt in München zu fördern: die zweite Stammstrecke für die S-Bahn.

Von Markus Balser, Berlin

Etwa 15 Millionen Deutsche nutzen täglich den Nahverkehr. Die meisten steigen dabei in Busse und Bahnen städtischer Netze. Und viele erleben hautnah, was Geldmangel bedeutet: Fehlende Trassen, volle Straßenbahnen und Busse. In vielen Kommunen hält die Infrastruktur mit dem Zuzug der Bevölkerung in die Städte nicht mehr mit. Laut Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bräuchten die Städte rund vier Milliarden Euro mehr, um ihre Nahverkehrssysteme mit Investitionen in die Infrastruktur - etwa Tunnel, Trassen - wieder flott zu bekommen. Den meisten Städten aber fehlt dafür das Geld.

Die Bundesregierung räumt Probleme ein - und hat angekündigt, Abhilfe zu schaffen. In Zukunft soll mehr Geld aus Berlin in den kommunalen Nahverkehr im ganzen Land fließen. Der Betrag von derzeit 330 Millionen Euro, den der Bund jährlich für Großprojekte im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) zur Verfügung stellt, soll aufgestockt werden, kündigte Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Mitte November an. Ein fast schon historischer Plan.

Denn seit 1997 wurde die Summe für den Nahverkehr nicht mehr erhöht. Infrastrukturprojekte würden immer komplexer und teurer, sagte Ferlemann. Gleichzeitig stiegen die Nutzerzahlen im Nahverkehr. Und sie würden weiter steigen. Deshalb soll künftig mehr Geld fließen. Um wie viel Geld es dabei eigentlich gehen sollte, wurde aber nie offiziell mitgeteilt. Hinter vorgehaltener Hand war in Regierungskreisen zuletzt von einem Plus von 70 Millionen Euro auf etwa 400 Millionen Euro pro Jahr die Rede. Das ist angesichts der Dimension der Kosten nicht viel. Immerhin soll das Geld deutlich länger fließen, als eigentlich geplant. 2019 sollte das Gesetz nach bisherigen Plänen auslaufen. Das Programm solle dauerhaft fortgeführt werden, teilt das Ministerium nun mit. Dies werde derzeit regierungsintern abgestimmt. So könnte bis 2030 eine Milliardensumme zusätzlich in die kommunale Verkehrs-Infrastruktur fließen.

Allein Münchens zweite S-Bahn-Stammstrecke könnte das Plus auffressen

Doch nach Angaben der Opposition sollten sich Deutschlands klamme Kämmerer nicht zu früh freuen. Die Grünen-Bundestagsfraktion hat nachgerechnet und wirft dem Verkehrsministerium eine Placebo-Politik vor. Denn allein der jüngst beschlossene Ausbau des Münchner S-Bahnnetzes mit der zweiten Stammstrecke könnte eine Erhöhung auffressen: Bei einer Finanzierung über 20 Jahre koste der Bundesanteil am gut drei Milliarden Euro teuren Projekt Berlin jährlich 75 Millionen Euro, rechnen die Grünen vor. Aus der bayerischen Landesregierung war bereits verlautet, man wolle den Anteil des Bundes zwar vorstrecken, sich das Geld aber anschließend aus dem Bundes-Topf des GVFG zurückholen.

Ein einziges Zusatzprojekt in der Heimat von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) könnte eine Aufstockung also auffressen. "Die Erhöhung ist eine Mogelpackung", klagt Stephan Kühn, Verkehrsexperte der Grünen im Bundestag. Tatsächlich reichen die Gelder hinten und vorne nicht. Schon jetzt stehen auf der Projektliste des GVFG mit bereits geprüftem Finanzierungsantrag Vorhaben für mehr als zwölf Milliarden Euro. Und sicher, heißt es aus den beteiligten Ministerien, sei die Aufstockung noch nicht. Es sei wohl eine Grundgesetzänderung nötig. Und die könne dauern.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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