Mode:Indigene werfen Modeketten Ideenklau vor

Lesezeit: 2 min

  • Die Modekette Zara verkauft eine Bluse mit Stickereien, die denen mexikanischer Indigener erstaunlich ähnlich sehen.
  • Traditionelle Symbole des Landes werden offenbar von Firmen wie Zara, H&M oder Mango besonders gern imitiert.
  • Jetzt macht Mexiko mobil gegen den systematischen Ideenklau - denn um Erlaubnis hat bislang keine der Modeketten gefragt.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Das Dorf Aguacatenango liegt in einer der ärmsten Gegenden Mexikos, seine Bewohner fühlen sich betrogen von einem der reichsten Männer der Welt. Das globale Textilunternehmen Zara, gegründet vom spanischen Multimilliardär Amancio Ortega, hat diesen Sommer wieder einmal eine Bluse im Angebot, deren Design den traditionellen Stickmustern aus Aguacatenango zum Verwechseln ähnlich sieht: Die Blumenmotive, Margeritenblüten vor allem, die Verzierungen, die es auch an der Fassade der Dorfkapelle gibt - all das kann kein Zufall sein. Natürlich, sagen sie in Aguacatenango, habe sie niemand um Erlaubnis gefragt oder gar für ein Copyright bezahlt. Genau wie bei der Bluse aus der Zara-Kollektion vor zwei Jahren.

In Aguacatenango spricht man eine Mischung aus Spanisch und der Indigenensprache Tzeltal. Das Dorf befindet sich im Süden des Bundesstaates Chiapas, unweit der Grenze zu Guatemala. Männer trifft man dort nur selten, sie haben hier nichts zu tun und arbeiten die meiste Zeit des Jahres im ganzen Land verteilt. Fast alle Frauen nähen und sticken, um ihre Familien zu ernähren. Auf den Kunsthandwerksmärkten in der nächstgelegenen Touristenstadt San Cristóbal de las Casas werden ihre unverwechselbaren "chalecos de Aguacatenango" zum Teil für 100 Pesos verkauft, knapp fünf Euro. Zara nimmt für offensichtliche Kopien das Sechsfache, mitunter auch das Zehnfache. Das Unternehmen reagierte nicht auf eine Anfrage zu dem Fall.

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Firmen aus dem sogenannten Fast Fashion-Sektor wie Zara, H&M oder Mango sehen sich regelmäßig mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert, auch von weltbekannten Modedesignern. Besonders häufig werden in der Branche aber offenbar traditionelle mexikanische Symbole imitiert und ungefragt kommerzialisiert. Die NGO Impacto dokumentiert zehn solcher Raubkopien aus den vergangenen fünf Jahren. Neben den spanischen Marken Zara und Intropia werden auch die französischen Luxuslabels Isabel Marant und Hermès beschuldigt. In fast allen Fällen geht es um charakteristische Muster aus sehr armen Dörfern in Chiapas und Oaxaca.

Jetzt macht Mexiko aber mobil gegen den systematischen Ideenklau. Das Nationale Institut für Anthropologie und Geschichte baut eine Plattform auf, um Plagiate zu sammeln und anzuzeigen. Dafür werde man mit Wissenschaftlern, Juristen und den indigenen Gemeinschaften zusammenarbeiten. Im Juli wurde außerdem die populäre Sängerin Susana Harp aus Oaxaca in den Senat gewählt, auf dem Ticket der Partei des neuen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador. Sie sagte, sie sei in die Politik gegangen, um etwas dagegen zu tun, dass sich internationale Konzerne aus dem kulturellen Erbe Mexikos bedienten, ohne dafür zu bezahlen.

Juristisch ist das nicht so einfach, indigene Designs sind in der Regel nicht urheberrechtlich geschützt. Aber Harp setzt auf öffentlichen Druck und war damit schon erfolgreich. Sie hatte die jetzige Debatte ins Rollen gebracht, als sie 2015 im kalifornischen San Diego eine Bluse der Marke Isabel Marant entdeckte, die genau aussah wie Gewänder aus dem Dorf Santa María Tlahuitoltepec in Oaxaca. Nach einem viel beachteten Tweet Harps hat sich Isabel Marant immerhin schriftlich entschuldigt.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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