Finanztechnologie:Fintechs für den Mittelstand

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Gerade Start-ups nutzen gerne digitale Anbieter, wenn es um die Finanzierung geht. (Foto: imago stock&people/Westend61)

Ihren ersten Kredit erhalten kleine Firmen und Start-ups oft von einem Online-Anbieter. Doch bei großen Deals machen immer noch klassische Banken das Geschäft.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Ob Kontoeröffnung, Zahlungen oder Kreditanträge - vieles lässt sich online erledigen. Immer mehr Firmenkunden wissen die Vorteile digitaler Finanzdienstleister zu schätzen, insbesondere, wenn die Angebote die Suche erleichtern und beschleunigen.

Sogenannte Fintechs, Finanztechnologieunternehmen, arbeiten mit technologiebasierten Systemen. Dabei analysieren Algorithmen große Datenmengen. Die Bedeutung solcher Fintechs wird für das Geschäft von Klein- und Mittelbetrieben (KMU) in Deutschland künftig zunehmen. Zu dem Ergebnis kommen die Wissenschaftler des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) in der Studie " Fintechs: Chancen für die KMU-Finanzierung?".

"Viele Unternehmen haben in der Pandemie positive Erfahrungen mit rein digitalen Dienstleistungen gemacht. Somit ist ihre Offenheit für eine künftige Zusammenarbeit mit Fintechs sicherlich gestiegen", sagt IfM-Forschungskoordinator Christian Schröder. Insbesondere der Bereich der digitalen Kreditvergabe könnte dadurch stark wachsen. Für die Untersuchung wurden 19 Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Fintech-Unternehmen und etablierten Banken sowie weiteren Expertinnen und Experten geführt.

Am Markt konkurrieren digitale Plattformen mit singulären Angeboten mit Fintechs, die verschiedene Produkte anbieten. Plattformen wie Creditshelf, Compeon oder Fincompare arbeiten mit einem Netzwerk von Finanzierern zusammen und vermitteln dem Kunden auf Basis der Anfrage und eingegebenen Bilanzkennzahlen die geeignete Kapitallösung. "Das erhöht die Transparenz für die Unternehmen und reduziert den Suchaufwand, beides senkt die Kosten. Die Kreditpreise sind dann häufig auch noch einmal geringer", sagt Schröder.

Digitale Vermittler liefern mittelständischen Betrieben, Gewerbetreibenden und Selbständigen Liquidität und Investoren, Fonds oder auch Banken interessante Anlagemöglichkeiten. Schließlich haben Versicherungen, Pensionskassen und andere institutionelle Investoren in der anhaltenden Niedrigzinsphase Probleme, ihren Verpflichtungen mit Garantiezinsen nachzukommen. "Davon profitieren die Fintechs. Bei bester Bonitätsklasse der Antragsteller ist ein Kredit häufig bereits nach wenigen Sekunden weg, also das Kreditgesuch bedient", weiß Dirk Schiereck, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt.

Gerade kleine Betriebe profitieren von dem Fintech-Trend

Ihre Stärke voll ausspielen können Fintechs, deren Prozesse von der Antragstellung bis zur Vergabe komplett automatisiert ablaufen, bei standardisierten Krediten. Geht es hingegen um größere oder spezielle Deals wie Fusionen und Übernahmen (Mergers and Acquisitions, M&A), schlägt die persönliche Beratung der Banken noch immer den digitalen Algorithmus. "Gerade, wenn komplexere Finanzierungen anstehen, die nicht in ein Schema passen, wie größere M&A-Transaktionen, haben etablierte Banken Vorteile", sagt Schröder.

Hauptprofiteure des Fintech-Trends sind - wie die Studie ausweist - insbesondere kleine und junge Unternehmen. Durch die auch unbesicherte Kreditvergabe der Plattformen erhalten sie teils erstmals Zugang zu Fremdkapital. Denn ohne Kredithistorie und Sicherheiten sind neue Geschäftsmodelle den Banken heute häufig zu riskant, weshalb innovative, schnell wachsende Start-ups bei etablierten Geldhäusern scheitern. Kleine Kreditvolumen unter 100 000 Euro sind angesichts des Aufwands oft kein lohnendes Geschäft für Hausbanken.

Als klaren Wettbewerbsvorteil digitaler Anbieter identifizieren die IfM-Experten die Geschwindigkeit der Finanzierungsprozesse, und zwar unabhängig von der Darlehensart. Zu- oder Absagen binnen 48 Stunden sind am Markt verbreitet und ermöglichen Betrieben die so wichtige Planungssicherheit. Im Vergleich nehmen die internen Entscheidungswege der Hausbanken oft mehrere Wochen in Anspruch.

Auch wenn die digitale Kreditvergabe in den vergangenen Jahren stark anstieg, blieb die große Disruption bisher aus. Bei zuletzt rund vier Milliarden Euro Kreditvolumen der Fintechs bleibt die Vormachtstellung der Banken am 1,6-Billionen-Euro-Gesamtkreditmarkt gegeben.

Größte Wachstumsbarriere der Plattformen ist laut IfM der Vertrauensvorsprung der Hausbanken aufgrund ihrer gewachsenen, persönlichen Beziehungen zum Mittelstand. "Mit ihren Angeboten treiben Fintechs die Banken speziell bei der digitalen Kreditvergabe ein Stück weit vor sich her. Die etablierten Player erweitern als Reaktion ihre Lösungen für Firmenkunden, verbessern interne Prozesse oder kooperieren mit den Plattformen", so Schröder. So kooperiert etwa die Commerzbank mit Creditshelf, und die niederländische ING stieg bei dem Vergleichsportal Fincompare ein.

Das Fintech-Wachstum beeinflusst nicht nur etablierte Marktteilnehmer, sondern stärkt darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes und wirkt sich somit auf den gesamten Finanzierungsmarkt aus. "Durch ihre Angebote, die den klassischen Bankkredit ergänzen, steigern die Fintechs die Effizienz der Unternehmensfinanzierung für Unternehmen. Dadurch kann es zu Redundanzen von staatlichen Förderangeboten kommen, die dann teils überflüssig wären", so Schröder.

Während der Corona-Pandemie gingen viele Unternehmer wieder zur Hausbank

Während der Pandemie war das Geschäft für die Fintechs eine Herausforderung, so brachte das Corona-Jahr 2020 eine Wachstumsdelle. Viele Betriebe investierten weniger oder nahmen die staatlichen Förderkredite in Anspruch. Dagegen verdienten die etablierten Finanzinstitute bereits, indem sie die Förderkredite der KfW durchreichten.

In Krisenzeiten setzen kleine und mittlere Betriebe häufiger auf bewährte Partner und greifen für notwendige Investitionen auf die Finanzierungsangebote ihrer Hausbank zurück. "Anfang nächsten Jahres ist mit einer gewissen Normalisierung des Kreditmarktes zu rechnen, dann sollten Fintechs ihre Vorteile gegenüber den Banken wieder ausspielen können", schätzt Finanzwissenschaftler Schiereck.

Die aktuelle Marktunsicherheit könnte den Fintechs dabei zugute kommen. "Wir haben momentan die Situation, dass viele Banken zu Unternehmern sagen: Wir kennen dich, du bist ein langjähriger Kunde, aber wir nehmen kein weiteres Kreditgeschäft mehr an", berichtet Schiereck. Aufgrund der schwachen Ertragslage, gerade auch im Sparkassen- und Volksbanken-Sektor, reduzierten die Banken ihr Risiko.

Das stärkste Indiz für das Innovationspotenzial und den Boom der digitalen Finanzbranche liefern nicht zuletzt die Investoren. Nach einer Delle im Vorjahr erreichten Investitionen in Fintechs laut KPMG im ersten Halbjahr 2021 mit 83 Milliarden Euro weltweit einen Rekordwert. Hierzulande stieg das Investment auf 2,1 Milliarden Euro. Wie die IfM-Wissenschaftler erwarten die Risikokapitalgeber und Private-Equity-Firmen primär durch die Blockchain-Technologie weiteren Aufwind für digitale Finanziers.

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