Pro Mietendeckel:Das Berliner Modell muss bundesweit Schule machen

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'Mieten runter' steht auf einem Wandbild in Berlin-Kreuzberg. (Foto: dpa)

Der Mietendeckel muss im ganzen Land eingeführt werden, so wie in Österreich. Denn diese Vorgabe kann ganz neue Impulse am Immobilienmarkt auslösen.

Kommentar von Verena Mayer

Mieter, deren Haus saniert wird und die plötzlich nicht mehr 450 Euro Miete zahlen, sondern 1400. Immobilienfirmen, die Häuser mit blickdichten Planen verhängen lassen, um die darin Wohnenden zu vertreiben. Alte, die mit Mitte 80 aus ihren Wohnungen geklagt werden, Familien, die in Obdachlosenunterkünften leben, weil sie sich keine Wohnung mehr leisten können. Solche Geschichten sind in der Hauptstadt inzwischen Alltag.

Doch damit soll nun Schluss sein. Am Dienstag hat der Berliner Senat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Mieten für Wohnungen, die vor 2014 gebaut wurden, für fünf Jahre einfriert. Zusätzlich wurden Obergrenzen je nach Ausstattung, Lage und Baujahr definiert, weshalb es unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein wird, selbst bestehende Mieten abzusenken. Den Berechnungen der rot-rot-grünen Koalition zufolge werden demnächst "einige Hunderttausend" Berliner weniger Miete zahlen.

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Gut so. Denn der Berliner Immobilienmarkt ist wegen des Booms, der durch Investoren aus aller Welt und den Zuzug von Zehntausenden Menschen im Jahr ausgelöst wurde, derart außer Kontrolle geraten, dass nur mehr Regulierung hilft. Dass der Staat beim Thema Wohnen so drastisch eingreift, mag vielen als gesellschaftliches Experiment oder gar revolutionär erscheinen - historisch betrachtet sind staatlich festgelegte Mieten jedoch nichts Neues. Schon während des Ersten Weltkriegs gab es einen Mieterhöhungsstopp, der Soldaten und ihre Familien davor schützen sollte, ihre Wohnungen zu verlieren. In der Weimarer Republik legte das Reichsmietengesetz von 1922 Obergrenzen fest. Und im alten Westberlin nahm der Senat bis kurz vor Mauerfall Einfluss darauf, ob und wie stark die Mieten in Altbauten erhöht werden durften.

Denn selbst unter konservativen Kräften war es lange Konsens, dass ein hoher Anteil von Mietern gut für eine Großstadt ist. Wer für das Wohnen keine Schulden machen oder sein halbes Einkommen verwenden muss - der hat Geld für Konsum, bleibt flexibel und mobil. Gerade Berlin boomt nicht zuletzt deshalb, weil es wegen niedriger Mieten für Kreative und Start-ups einfach war, zuzuziehen, etwas aufzubauen und immer mal wieder etwas Neues zu versuchen.

Was ein Mietendeckel bewirken kann, sieht man in Österreich, wo schon seit 1994 ein Bundesgesetz die Mieten im Altbau begrenzt. Dabei wird eine Normwohnung definiert, für die man, je nach Bundesland, eine bestimmte Miete zahlt. Für Ausstattung und Lage können Zu- oder Abschläge verrechnet werden. Geld verdient man auf dem österreichischen Wohnungsmarkt, wenn man etwas Besonderes anbietet - oder neu baut. Ein Mietendeckel kann also auch ein wirtschaftlicher Anreiz sein: Denn wenn Investoren vor allem mit Neubau Rendite machen können, werden sie eher bauen, als Altmieter auszupressen.

Allerdings dürfen Mietendeckel nicht die Sache einiger Kommunen sein. Sie müssen flächendeckend eingeführt werden, am besten bundesweit so wie in Österreich. Durch Regelungen, die einheitlich und verbindlich sind - und vor Gericht standhalten. Ansonsten endet der Berliner Mietendeckel wie so manch anderes Berliner Großprojekt: Mit riesigen Ambitionen gestartet, aber folgenlos.

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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