Das Jahr 2019 ist für den deutschen Maschinenbau deutlich schlechter gelaufen als ursprünglich erwartet, und 2020 wird es nicht besser. "Für Entwarnung ist es zu früh", sagte Carl Martin Welcker, Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, am Dienstag in Frankfurt. "Die Weltkonjunktur ist durch ein hohes Maß an Unsicherheit belastet." An den Belastungsfaktoren hat sich in den vergangenen Monaten wenig geändert. Es gibt "viel zu viele und zum Teil gravierende politische Verwerfungen", sagt Welcker. Der Handelskrieg zwischen den USA und China habe sich zwar nicht verschärft, es sei aber auch keine Besserung in Sicht.
Für die Kritik von US-Präsident Donald Trump an China zeigt Welcker derweil Verständnis. "Wir teilen die Sorge, dass China immer mehr Rechte in Anspruch nimmt, die nicht WTO-gerecht sind", sagt er. Nur sei man "unglücklich" über die Art und Weise, wie verhandelt werde. Auch die schwierige Transformation der Autoindustrie hin zur Elektromobilität macht dem Maschinenbau zu schaffen. Sie ist ein wichtiger Abnehmer. Was in der Autoindustrie gerade durch die "Regulatorik" stattfinde, sei die "größte Arbeitsplatzvernichtung in der Nachkriegszeit". Welcker meint die Folgen der CO₂-Flottenvorgaben der EU für die Autoindustrie. Hält ein Hersteller die Grenzwerte nicht ein, muss er eine Strafe zahlen.
In der Pressekonferenz zum Jahresende klingt Welcker mal optimistisch, mal pessimistisch und mal frustriert. "Ich muss heute meine Entscheidungen mehr an der Politik ausrichten als an marktwirtschaftlichen Gesetzen", wettert Welcker. "Das sind Regeln, die beherrschen wir nicht." Mit wir meint er die vielen Mittelständler, die den Industriezweig prägen, Unternehmer wie er. Welcker ist Chef des Kölner Familienunternehmens Schütte mit gut 650 Beschäftigten rund 110 Millionen Euro Umsatz. Und dann redet er sich in Rage. Die Klimapakete der Bundesregierung bezeichnet er als "hirntot", ein Sammelsurium, in dem nichts zusammenpasse. Den "Green Deal" der EU-Kommission, mit dem die EU-Wirtschaft bis 2050 klimaneutral sein soll, findet er gut, er müsse aber marktwirtschaftlich gesteuert werden.
Als VDMA-Präsident bestätigt Welcker die im Herbst gemachten Prognosen. In diesem und im nächsten Jahr werde die Produktion um zwei Prozent sinken. Für 2019 rechnet der Verband mit einem Produktionsvolumen von rund 218 Milliarden Euro. Aber die Lage im Maschinenbau sei deutlich "weniger desaströs, als es manche Schlagzeilen vermuten lassen". In anderen Branchen, etwa der Chemie- und Autoindustrie, gäbe es größere Einschnitte.
In den ersten zehn Monaten 2019 sank die Produktion von Maschinen und Anlagen zum Vorjahr um real 1,8 Prozent. Die Auftragseingänge fielen um neun Prozent. Mit knapp 84 Prozent lag die Kapazitätsauslastung im Oktober "unterhalb der Wohlfühlzone" von 84 bis 89 Prozent. All diese Werte sind nur Durchschnittsmaße für eine heterogene Branche, die auf vielen Märkten in der Welt unterwegs ist. In manchen Zweigen des Maschinenbaus läuft es gut, in manchen schlecht. Baumaschinen sind gefragt. Anlagen, in denen Kunststoffe hergestellt werden, weniger. Überhaupt: Die Diskussion um Kunststoffe verunsichert die Hersteller. Auch Anlagen für die Autoindustrie laufen gerade nicht gut.
Insgesamt legten die Exporte in den ersten neun Monaten noch um nominal 0,6 Prozent zu. Während die Lieferungen nach China um 0,7 Prozent sanken, wuchsen sie in die USA um 6,2 Prozent. "Kann sein, dass Herr Trump in seiner Weisheit im Wahljahr noch das ein oder andere aus seiner Wundertüte herausholt", sagt Welcker. Er meint das ernst. Wenn die US-Wirtschaft investiere, komme sie an deutscher Spitzentechnologie nicht vorbei. Die USA schüren Welckers Hoffnung auf Erholung.
Zwar rechnet der VDMA für das zu Ende gehende Jahr mit knapp 1,1 Millionen Beschäftigen, so viele wie 2018. Allerdings stieg die Zahl der Menschen in Kurzarbeit in den vergangenen Monaten deutlich. Im Mai waren es 6400 Menschen, im September 14 500. In den nächsten zwei Quartalen werden es voraussichtlich deutlich mehr werden, sagt Welcker. Er wertet dies als positives Signal dafür, dass die Firmen mit einer Erholung rechnen, "weil sie die Leute halten. Würden sie das anders sehen, würden sie die Menschen entlassen." Die Kurzarbeit werde nicht das Niveau der Krisenjahre 2008/2009 erreichen, damals waren 190 000 Beschäftigte in Kurzarbeit. "Wir rechnen nicht mit einem radikalen Beschäftigungsabbau", sagt Welcker. Der Maschinenbau beschäftige mehr als 200 000 Ingenieure und Ingenieurinnen. Jetzt gehe es darum, diese Menschen und ihr Wissen "für den hoffentlich bald wieder einsetzenden Aufschwung" zu halten. Welcker glaubt fest, dass er kommt.