Lebensversicherung:Finanzaufsicht Bafin warnt die Versicherer

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Insgeheim fänden wohl auch viele Versicherungsmanager eine Begrenzung der Provisionen gut. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Lange haben Vermittler und Versicherer erfolgreich für die hohen Provisionen auf Lebensversicherungen gekämpft - zulasten der Kunden. Nun aber könnte genau das für ein komplettes Verbot dieses Geschäftsmodells sorgen.

Von Christian Bellmann, Bergisch-Gladbach

Acht Milliarden Euro. Jedes Jahr. Diese Summe zahlen deutsche Sparer, die mit Lebensversicherungen für das Alter vorsorgen, an sogenannten Abschlusskosten. Das sind vor allem Provisionen für Vertreter, Makler und Banken. Und diese Kosten gehen voll zulasten der ohnehin mageren Renditen. Kein Wunder also, dass es auch in Deutschland immer wieder Versuche gab, diese Summe zumindest zu beschränken. Aber bislang vermochte es die Lobby von Großvertrieben wie DVAG, MLP oder Swiss Life Select im Verein mit Versicherern und Banken, jede Einschränkung politisch zu verhindern.

Jetzt aber wird es der Finanzaufsicht Bafin zu bunt. So ist Frank Grund, der oberste Aufseher für das Versicherungswesen, eher für diplomatische Töne bekannt. Doch beim Versicherungstag der SZ in Bergisch-Gladbach fand er nun deutliche Worte: "Wenn wir es noch nicht einmal schaffen, Exzesse in der Provisionsgestaltung angemessen einzudämmen, dann ist aus meiner Sicht der Branche nicht mehr zu helfen", ärgerte sich Grund. Was ihn aufregt: Während die Branche in Deutschland größtenteils immer noch jegliche Begrenzung der Provisionen ablehnt, wird auf EU-Ebene ein vollständiges Verbot immer wahrscheinlicher.

Die Aufsicht will zumindest die übelsten Provisionsschindereien bekämpfen. Dafür hat sie ein Dokument mit dem sperrigen Namen "Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten" veröffentlicht. Bis Mitte Januar konnte die Branche dazu Stellung nehmen, demnächst will die Bafin ihre Maßnahmen offiziell verkünden.

Die Behörde plant, Lebensversicherern genau auf die Finger zu schauen, wenn deren Effektivkosten oder Vertriebskosten bei Versicherungsverträgen im oberen Viertel der Branchenwerte liegen. Der Vorstoß kam bei den Verbänden der Vermittler überhaupt nicht gut an. Sie versuchen mit allen Mitteln, sogar diesen vergleichsweise sanften Eingriff zu verhindern. Aufseher Grund dagegen betrachtet den Plan der Bafin dagegen als letzte Chance, ein Provisionsverbot zu verhindern. Schließlich bestehe die Hoffnung, dass es zu keinem Verbot kommt, wenn Exzesse unterbunden werden. "Wenn das jetzt nicht klappt, dann kann man europäischen Argumenten kaum noch etwas entgegenhalten", sagte er.

EU-Kommissarin Mairead McGuinness findet, dass Altersvorsorge-Verträge in Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien, die bereits ein Provisionsverbot eingeführt haben, den Kunden ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Hinzu komme, dass viele gar nicht verstehen, was Provisionen sind und wie sie sich auf die Rendite auswirken.

"Klare Hinweise" aus der EU-Kommission

In Deutschland wurde unter dem Stichwort "Provisionsdeckel" jahrelang über Beschränkungen der Provisionen debattiert, die nach Ansicht von Verbraucherschützern viel zu hoch sind. Passiert ist allerdings wenig: In der vergangenen Legislaturperiode war die unter anderem von der SPD befürwortete Einführung eines solchen Provisionsdeckels vor allem am Widerstand der Union gescheitert. Zustande kam lediglich eine Deckelung für Restschuldpolicen, die Banken gerne in Kombination mit Krediten verkaufen. Der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein, viele Jahre Vorstandssprecher der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten, glaubt, dass etliche Akteure in der Branche den Schuss noch nicht gehört haben. "McGuinness macht klare Hinweise, wo die Reise hingeht", sagte er in Bergisch-Gladbach.

Laut Kleinlein gibt es auch viele Versicherungsmanager, die insgeheim sehr froh wären, wenn es eine Provisionsbegrenzung gäbe - und sich damit die milliardenschweren Zahlungen an die Vermittler reduzieren. In der Öffentlichkeit sagen die Manager allerdings oft etwas anderes. "Es gibt Vorstände, die mir im Hintergrund sagen: Hoffentlich kommt ein Provisionsdeckel, dann haben wir eine ganze Reihe von Problemen mit unserem Vertrieb gelöst", berichtete Kleinlein. Laut dürften sie so etwas jedoch nie sagen. Selbst Michael Heinz, der streitbare Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute und viele Jahre vehementer Gegner eines Provisionsdeckels, sei gegenüber den jüngsten Maßnahmen der Bafin gar nicht abgeneigt, merkte Kleinlein an. Schließlich stellten sie gegenüber dem drohenden strikten Provisionsverbot seitens der EU das eindeutig mildere Mittel dar.

Ein Verbot würde dagegen für die Zehntausenden Versicherungsvermittler in Deutschland das Aus ihres Geschäftsmodells bedeuten. Zulässig wäre dann nur noch Beratung gegen Honorar, das die Verbraucher unabhängig vom Abschluss einer Versicherung direkt an den Berater zahlen - und nicht versteckt über die Versicherungsbeiträge. Bei der aktuellen Bundesregierung steht ein Provisionsverbot in der Lebensversicherung allerdings nicht oben auf der Agenda. Das FDP-geführte Bundesfinanzministerium hat sich erst im Juni 2022 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Union im Namen der Bundesregierung gegen ein Verbot ausgesprochen.

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