Pläne der Koalition:Nichts als Scheinerfolge im Kampf gegen steigende Mieten

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Besonders in Städten steigen die Mieten rasant: Wohnhaus in Berlin-Schöneberg. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Mit einem neuen Gesetz will die große Koalition starke Mieterhöhungen erschweren. Den meisten Wohnungssuchenden wird es allerdings kaum helfen.

Kommentar von Benedikt Müller

Die Bundesregierung geht ein drängendes soziales Problem an: Das Kabinett will am Mittwoch ein Gesetz beschließen, das Mieter vor starken Mieterhöhungen schützen soll. Zudem will die große Koalition die Mietpreisbremse verschärfen, die Wohnen in der Stadt eigentlich wieder bezahlbar machen sollte, dieses Ziel aber verfehlt hat. Zwar bringt der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Katarina Barley einige Verbesserungen für Mieter. Diese kommen jedoch viel zu spät, wenn man bedenkt, dass Union und SPD über alle Punkte bereits in der vergangenen Legislaturperiode stritten - damals leider ohne Einigung. Und noch immer fehlen der Politik gute Ideen, wie sie die gefährliche Kluft zwischen boomenden Städten und verödenden Landstrichen schließen will.

Immerhin hat die große Koalition nun einen guten Kompromiss beim Streitthema Modernisierung gefunden: Wenn Vermieter etwa Fassaden dämmen oder neue Aufzüge einbauen, dürfen sie bisher elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umlegen. Diese Regel ist grundsätzlich sinnvoll, weil sie Eigentümern einen Anreiz gibt, ihre Wohnungen energetisch zu sanieren oder seniorenfreundlich umzubauen. Mit elf Prozent ist die Umlage bisher aber zu hoch.

Denn sie stammt aus einer Zeit, in der Vermieter fünf oder sechs Prozent Zinsen zahlen mussten, wenn sie einen Kredit für einen solchen Umbau aufnahmen. Dank der Niedrigzinspolitik und staatlichen Förderungen können Eigentümer solche Sanierungen längst viel günstiger finanzieren. Deshalb ist es überfällig, dass die Umlage nun auf acht Prozent sinken soll.

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Gut ist auch, dass Barley gegen den Missbrauch solcher Modernisierungen vorgehen will: Bisher können Vermieter auch teure oder unsinnige Umbauten, etwa eine Videogegensprechanlage oder neue Balkone zur Nordseite, umlegen. Allein die Ankündigung einer teuren Sanierung reicht manchmal schon, um Mieter mit niedrigen Einkommen aus ihrem langjährigen Zuhause zu vertreiben. Daher ist es richtig, wenn Eigentümer die Miete nach Modernisierungen künftig höchstens um drei Euro pro Quadratmeter erhöhen dürfen, für einen Zeitraum von sechs Jahren. So lohnt es sich für Vermieter immer noch zu investieren. Doch endlich gibt der Staat keinen Anreiz mehr zum sogenannten Herausmodernisieren, einem herzlosen Geschäftsmodell, das einer sozialen Marktwirtschaft nicht würdig ist.

Ob das neue Gesetz Wohnungssuchenden helfen wird, darf freilich bezweifelt werden. Dies versucht die Politik - mit fragwürdigem Erfolg - seit drei Jahren mit der Mietpreisbremse: Wenn Eigentümer einen neuen Mieter suchen, dürfen sie in angespannten Märkten höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Vergleichsmiete. Doch die Preise in den Annoncen steigen trotzdem weiter, weil das Gesetz zu viele Ausnahmen hat - und die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage schlicht nicht schließen kann.

Zwar will die Regierung nun beschließen, dass Vermieter von vornherein erklären müssen, warum sie mehr verlangen wollen als die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent. Beispielsweise sollen Eigentümer künftig angeben, wie viel der vorherige Mieter zahlte. Auch soll fortan eine einfache Rüge genügen, wenn Mieter gegen zu hohe Preise vorgehen.

Die wenigsten werden einen Rechtsstreit mit ihrem Vermieter eingehen

Dies alles schafft zwar mehr Transparenz, aber auch neue Probleme: Wer garantiert etwa, dass alle Vermieter stets korrekt angeben, wie viel der Vormieter zahlte? Und: Welcher Mieter geht, nachdem er endlich eine neue Wohnung gefunden hat, einen Rechtsstreit mit seinem Vermieter ein, der das Verhältnis womöglich auf Jahre belastet? Das trauen sich die wenigsten, und das dürfte auch so bleiben.

Wenn die Politik Wohnungssuchenden wirklich helfen will, müsste sie erstens Anreize setzen, damit mehr Wohnungen in den Städten entstehen - und zwar nicht nur im teuren Segment. Dazu braucht es übrigens kein Baukindergeld, das die Allgemeinheit Milliarden kosten wird und die Preise für Eigenheime zusätzlich ansteigen lässt. Vielmehr sollten die Städte Brachen umwidmen, Bauland ausweisen und nach sozialen Kriterien vergeben. Zweitens müsste der Staat die Infrastruktur auf dem Land stärken, damit sich die Nachfrage nach Wohnraum besser verteilt.

Beide Forderungen prägen die Diskussion schon lange. Dennoch setzt die große Koalition seit Jahren lieber auf kurzfristige Scheinerfolge wie die Mietpreisbremse oder das Baukindergeld. Höchste Zeit, dass sich das ändert: Für den 21. September hat die Bundeskanzlerin zu einem Wohngipfel eingeladen.

© SZ vom 04.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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