Früher gab es hier starke Gewerkschaften. Wenn die Kohlearbeiter streikten, bekamen sie meist recht. Im Sommer trafen sich die Bosse und die Belegschaft zum Grillfest und warfen Hufeisen um die Wette. Die Arbeiter schufteten, mit Kanonen schossen sie die Bergkappen der Appalachen weg, um an Kohlevorräte zu kommen. Aber sie konnten sich ein bisschen Wohlstand für ihre Familie leisten und nach Jahren harter Arbeit wartete eine gute Rente. Zum Abschied spendierte die Firma Eiscreme. Die Kohlemine Bonet in West Virginia verschaffte den Menschen einen Anteil am amerikanischen Traum.
Dann kam der Niedergang. Die Mine, einst Teil eines Familienunternehmens, wechselte mehrfach den Besitzer von einem börsennotierten Energiekonzern zum anderen. Der letzte rutschte 2015 in die Pleite. Nun ist die Mine geschlossen, ein Fonds kümmert sich um das verseuchte Wasser und sucht nach Investoren. Die Menschen haben keine Arbeit mehr, in der Insolvenz haben sie ihre Krankenkassenzuschüsse verloren und sorgen sich um die Rente. Was ihnen bleibt, sind durchfurchte Berge und deformierte Fische in den Flüssen.
Als Donald Trump zu einer Wahlkampfveranstaltung in West Virginias Hauptstadt Charleston kam, sind die Kohlearbeiter zu Tausenden angereist. Sie trugen schwere Helme auf dem Kopf und jubelten ihm zu, als er davon sprach, Amerika wieder zum Land der Kohle zu machen. "Macht euch bereit, denn ihr werden euch halbtot arbeiten", rief Trump. Am Ende setzte er sich selbst einen Helm auf und reckte die Daumen in die Höhe. Die Wähler in West Virginia stimmten kurz darauf für ihn als US-Präsidenten.
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Am Montagabend verkündete er nun den Plan für seinen ersten Tag im Amt. Er werde alle Regeln aufheben, die die Energiebranche, insbesondere die Kohleindustrie, Arbeitsplätze kosten. "Das wird mehrere Millionen hoch bezahlter Jobs schaffen. Das ist, was wir wollen. Darauf haben wir gewartet." An den Klimawandel, der von der Verbrennung von Kohle extrem beschleunigt wird, glaubt Trump nicht. Doch er glaubt daran, dass Jobs in den Minen in sein Land zurückkehren werden, wenn er nur die Regeln zum Klimaschutz wieder rückgängig macht, die sein Vorgänger Barack Obama eingeführt hat.
Doch der Einfluss des Präsidenten auf die Zukunft der Kohleindustrie ist gering, glauben Beobachter von Ratingagenturen, Umweltgruppen und sogar aus der Energieindustrie. "Ich denke nicht, dass Trumps Präsidentschaft einen ernst zu nehmenden Einfluss darauf hat, die Kohlearbeiter wieder an die Arbeit zu schicken", sagte Ted O'Brien, Kohle-Experte beim Beratungsunternehmen Doyle Trading Consultants, der New York Times. "Er kann vielleicht einen Teil der Überregulierung zurücknehmen, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Nachfrage nach Kohle wieder ansteigt."
Der Niedergang der Kohleindustrie dauert schon Jahrzehnte an. Im Oktober arbeiteten nur noch 54 000 Menschen in den Minen der USA - 1980, in den goldenen Zeiten, waren es 250 000 Arbeiter. Die Umsätze der Kohlefirmen schrumpfen. "Die Industrie ist pleite. Unsere Kohlemärkte sind ruiniert", sagte Robert Murray, Chef von Murray Energy aus Ohio, auf einer Branchenkonferenz. Einst stolze Namen wie Arch Coal, Marktführer Peabody Energy oder Patriot Coal rutschten seit dem vergangenen Jahr in die Pleite.
All das hat mit Politik kaum etwas zu tun, sondern liegt an der Marktwirtschaft und dem technischen Fortschritt. Die Unternehmen setzen inzwischen viel mehr Maschinen ein, die Automatisierung hat Tausende Kohle-Jobs gekostet. Und das Hauptproblem ist die geschrumpfte Nachfrage.
Der Bedarf an Kohle für die Stahlproduktion ist in den USA gesunken, weil die Stahlindustrie in einem jahrzehntelangen Niedergang steckt. Auch Kohleverbrennung für die Strom- und Wärmeproduktion ist im Abschwung. Der Preis von Kohle insgesamt sinkt zwar seit Jahren, was die Nachfrage eigentlich steigern müsste, doch die Alternative ist noch schneller billiger geworden: Erdgas. Die USA fördern immer mehr Gas mit Technik wie Fracking. Auch Wind- und Solarstrom werden in den USA immer billiger und beliebter.
Der Anteil von Kohle im Strommix ist rapide gesunken, derzeit sind es nur noch rund 30 Prozent. Vor zehn Jahren produzierten die USA noch die Hälfte ihres Stromverbrauchs mit Kohle. Seit 2010 haben die Unternehmen 243 Kohlekraftwerke in den USA stillgelegt oder verkündet, abschalten wollen, hat die Umweltorganisation Sierra Club gezählt. Damit verbleiben nur noch 280 Kohlekraftwerke. Ein Neubauprojekt gibt es nicht. Viele Banken haben sich aus der Finanzierung neuer Kohlekraftwerke zurückgezogen. Die Divestment-Bewegung wirbt immer lauter für Ethik-Standards bei der Kreditvergabe und setzt Banken und andere Geldgeber unter Druck.
Unter Präsident Barack Obama, im Amt seit Anfang 2009, hat sich der Niedergang noch einmal beschleunigt. Er hat scharfe Auflagen für Kohlekraftwerke erlassen. Im vergangenen Jahr sank die Kohleproduktion noch einmal um zehn Prozent auf den niedrigsten Stand seit 1986. Besonders schlimm lief es in den Bundesstaaten West Virginia und Kentucky in den Appalachen, in der Gebirgsregion sind die Minen älter und tiefer, die Förderung kostet mehr Geld und bräuchte Investitionen, die sich nicht mehr lohnen. Auch die Exporte sinken seit einigen Jahren. China hat im Jahr 2014 1,7 Millionen Tonnen US-Kohle importiert, 2015 waren es nur noch 229 000 Tonnen.
Allerdings gab es zuletzt leichte Hoffnungszeichen. Die Preise haben sich leicht erholt. Der Kohlekonzern Cloud Peak Energy hatte den Export ganz eingestellt, weil sich das Geschäft nicht mehr gelohnt hat. Ende Oktober hat er allerdings verkündet, wieder mit Ausfuhren nach Asien zu beginnen. Doch der Konzern warnt vor übertriebenem Optimismus. Der globale Kampf gegen den Klimawandel werde durch Trump nicht verschwinden. Ihm sei es lieber, wenn die US-Regierung Unternehmen bei Effizienz- und Umweltschutz-Maßnahmen unterstützt, statt dass sie alle Regeln zurückzudreht, sagte Richard Reavey, Cheflobbyist der Firma, der New York Times. "Jeden Überschwang sollten wir uns sparen."