Koalition kippt Internetsperren:Aus für von der Leyens Stoppschild

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Schwarz-Gelb lenkt ein: Internetseiten mit kinderpornographischem Material sollen künftig gelöscht statt gesperrt werden. Doch nicht alle Fragen sind damit beantwortet.

Die Bundesregierung rückt einem Medienbericht zufolge von dem Vorhaben ab, kinderpornographische Inhalte im Internet per Gesetz zu sperren und will stattdessen ein neues "Löschgesetz" in Angriff nehmen.

Die damalige Familienministerin von der Leyen trieb das Zugangserschwerungsgesetz voran. (Foto: Foto: dpa)

Das geht aus einer Stellungnahme des Bundeskanzleramtes an den Bundespräsidenten hervor, die dem Magazin Spiegel vorliegt. "Die gegenwärtige Bundesregierung beabsichtigt eine Gesetzesinitiative zur Löschung kinderpornographischer Inhalte im Internet", heiße es in dem Schreiben. Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte, dass dies dem Bundespräsidenten übermittelt worden sei, wollte sich aber zu Details nicht äußern.

Im November hatte der Bundespräsident die Bundesregierung aufgefordert, "ergänzende Informationen" zum sogenannten Zugangserschwerungsgesetz zu liefern und seine Unterschrift verweigert. Bundestag und Bundesrat hatten das ursprüngliche Gesetz im Sommer 2009 verabschiedet.

130.000 Unterschriften gegen Netzsperren

Die Regelung sah vor, dass das Bundeskriminalamt (BKA) täglich eine Liste mit kinderpornographischen Seiten an die Internetprovider weitergeben sollte, die diese Seiten dann blockieren und mit einem virtuellen Stoppschild versehen hätten müssen.

Im Herbst hatte sich die schwarz-gelbe Koalition jedoch auf Drängen der FDP darauf geeinigt, das umstrittene Gesetz zunächst ein Jahr nicht anwenden zu wollen. Dies wurde auch im Koalitionsvertrag festgelegt und war dem Vernehmen nach einer der Gründe für Köhlers Nachfragen.

Offenbar einigten sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in der Zwischenzeit darauf, das Prinzip der sogenannten Netzsperren komplett zu beerdigen. Dies ist auch ein Erfolg für die Bewegung, die sich vor allem im Internet gegen die Gesetzesinitiative der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) formiert hatte. Im Frühsommer hatten 130.000 Bürgerinnen und Bürger in einer Online-Petition die Abschaffung des Gesetzes gefordert.

Skepsis bleibt

Trotz der schwarz-gelben Ankündigung bleiben Bürgerrechtler misstrauisch: "Wird mit der Umformulierung des Gesetzes zukünftig nachhaltig verhindert, dass weitere Sperrphantasien wieder auferstehen?" fragt Markus Beckedahl vom Datenschutz-Blog Netzpolitik.org. "Werden wir hier eine konsequente Abrüstung erleben oder bleibt die durch die Sperrverträge installierte Zensurinfrastruktur erhalten, die derzeit innerhalb von Minuten/Stunden angeschaltet werden kann? Die Fragen wird uns die Bundesregierung und die Regierungskoalition in nächster Zeit noch beantworten müssen, damit wir mit dem Ergebnis wirklich zufrieden sein können."

Zumindest hat die Debatte um die Zugangserschwerung das Thema Kinderpornographie im Netz in das allgemeine Bewusstsein dringen lassen: Der Internet-Beschwerdestelle zufolge sind die Beschwerden wegen der Darstellung von sexuellem Kindesmissbrauch im Netz um 19 Prozent auf 5987 angestiegen. Die Stelle betreibt der Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco zusammen mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Alle Inhalte, die auf Servern deutscher Internetprovider zu finden gewesen wären, seien gelöscht worden, zum Teil innerhalb von 15 Minuten, hieß es.

Auch bei den betroffenen ausländischen Anbietern habe es niemanden gegeben, der nicht reagiert habe. Kritiker wie der IT-Experte Richard Clayton von der Universität Cambridge haben jedoch in der Vergangenheit bemängelt, dass vor allem die internationale Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden zu wünschen übrig lasse: Seiner Studie aus dem Jahre 2007 ( pdf) zufolge dauerte es durchschnittlich 562 Stunden, bis kinderpornographisches Material von den Providern entfernt wurde. Dies sind umgerechnet mehr als drei Wochen.

© dpa/AFP/sueddeutsche.de/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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