Kartellamts-Chef Heitzer:"Hilfen schaden dem Wettbewerb"

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Keine Extrawurst für Opel: Kartellamts-Chef Heitzer lehnt eine Beteiligung der Regierung am Autohersteller ab und kündigt neue Prüfungen im Gas- und Stromsektor an.

C. Busse

Im Arbeitszimmer von Bernhard Heitzer steht ein Klassiker auf dem Regal: "Wohlstand für alle" von Ludwig Erhard. 1957 erstmals erschienen, zeichnet das Buch die Grundzüge der Sozialen Marktwirtschaft auf. Und der fühlt sich auch FDP-Mitglied Heitzer, 60, mächtiger Präsident des Bundeskartellamts und damit oberster Wettbewerbshüter, verpflichtet. "Jede Subvention oder Unterstützung für ein Unternehmen der Realwirtschaft wirkt grundsätzlich wettbewerbschädigend auf andere Unternehmen desselben Wirtschaftszweiges", sagt Heitzer im Interview der Süddeutschen Zeitung.

Bernhard Heitzer: "Opel und auch Schaeffler sind sicher keine systemrelevanten Unternehmen." (Foto: Foto: AP)

Die derzeitige Diskussion um Staatshilfen für in Not geratene Unternehmen sieht er deshalb mit großem Unbehagen. Staatliche Beteiligungen etwa an dem angeschlagenen Autobauer Opel und am Zulieferer Schaeffler, wie von einigen Politikern ins Spiel gebracht, lehnt er ab: "Opel und auch Schaeffler sind sicher keine systemrelevanten Unternehmen", betont er, und fügt an: "Eine staatliche Beteiligung an Opel wäre deshalb aus meiner Sicht kein wünschenswertes Ergebnis."

Treuhandmodell zur Überbrückung

In der vergangenen Woche hatte Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mitgeteilt, die Bundesregierung strebe ein vorübergehendes Treuhandmodell für den angeschlagenen Autobauer Opel an - insbesondere für den Fall, dass der Mutterkonzern General Motors in Insolvenz geht. Der Kartellamts-Chef fordert dagegen, dass immer auch die Erhaltung des Wettbewerbs berücksichtigt werden muss. "Wichtig erscheint mir vor allem, dass ein Investor für Opel gefunden wird, der Marktchancen für das Unternehmen sieht. Eine wettbewerbliche Prüfung muss immer vorgenommen werden", betont Heitzer. Sollte beispielsweise Fiat Opel übernehmen, wäre das jedoch ein Fall für die Brüsseler Wettbewerbsbehörden, die aber mit den nationalen Ämtern zusammenarbeiten würden. Beihilfen werden ohnehin in Brüssel geprüft.

Grundsätzlich anders sieht Heitzer die staatliche Milliardenhilfen für angeschlagene Geldinstitute: "Der Bankenbereich ist anders zu bewerten als die Realwirtschaft." Es sei richtig gewesen, dass die Bundesregierung hier schnell gehandelt habe. "Das ist auch aus Sicht des Kartellamtes nachvollziehbar", sagt Heitzer: "Für die Realwirtschaft sehen wir das anders. Derartige Eingriffe wie in der Finanzwirtschaft brauchen wir in der Realwirtschaft nicht."

Die Wirtschaftskrise macht sich auch beim Bundeskartellamt bemerkbar. Die Zahl der Fusionen geht zurück - und damit auch die Prüfungen durch die Wettbewerbsbehörde. "Ich gehe davon aus, dass die Zahl der angemeldeten Zusammenschlussvorhaben im Jahre 2009 weiterhin rückläufig sein wird", berichtet Heitzer. 2007 wurden bei der Bonner Behörde noch 2200 Zusammenschlüsse angemeldet, 2008 war es bereits ein deutlicher Rückgang auf 1700. Und auch in den ersten Monaten 2009 gingen die Zahlen weiter nach unten.

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Mit Sorge sieht Heitzer das sinkende Vertrauen der Bürger in das marktwirtschaftliche System und in die Wirkungen des Wettbewerbs. "Die Zustimmung zu staatlicher Regulierung nimmt dagegen zu. Diese Tendenz stimmt mich nachdenklich", so Heitzer. Die Behörde prüft nicht nur Zusammenschlüsse, sondern soll auch wettbewerbsbeschränkende Praktiken von Unternehmen bekämpfen. "Dabei haben wir selbstverständlich stets den Verbraucher im Blickfeld und betreiben so auch eine Verbraucherpolitik im weiteren Sinne", meint Heitzer. Es sei ja nicht schädlich, "wenn wir in der Wahrnehmung der Bürger präsenter sind." So befassten sich zwei neue Abteilungen des Amtes mit Kartellbekämpfung, diese führten nun öfters breit angelegte Durchsuchungen durch, zuletzt etwa im Fall Edeka. Dem Handelskonzern wird vorgeworfen, von Zulieferern zu hohe Rabatte erzwungen zu haben.

Umstrittene Entscheidungen

Das Kartellamt hatte unter der Führung Heitzers, der seit 2007 im Amt ist, einige öffentlichkeitswirksame und umstrittene Entscheidungen gefällt. So wurde beispielsweise die Vergabe der Fernsehrechte an der Fußball-Bundesliga gestoppt. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) musste dafür sorgen, dass Zusammenfassungen von Spielen samstags ab 20 Uhr im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sind. Das für die DFL lukrative Abwandern des Fußballs in das Bezahlfernsehen wurde damit verhindert.

Ende 2008 hatte sich das Kartellamt auch im Streit mit einer Reihe von Gasversorgern geeinigt. Es ging um missbräuchlich überhöhte Endkundenpreise. Vom Kartellamt wurden keine Bußgelder verhängt. Die Behörde setzte vielmehr durch, dass 29 Gasversorger insgesamt 127 Millionen Euro an die Kunden zurückzahlen müssen - durch Gutschriften, Preissenkungen oder Verschiebungen von geplanten Preiserhöhungen. Heitzer betonte: "Wir werden sehr genau darauf achten, dass die geleisteten Kompensationen später nicht wieder eingepreist werden. Darauf kann sich der Verbraucher verlassen."

Deshalb hat das Kartellamt die deutschen Strom- und Gaskonzerne weiter im Visier. Heitzer kündigte weitere Untersuchungen an. "Wir führen im Bereich Gas eine Sektoruntersuchung durch, um die Kapazitätssituation in den Fernleitungsnetzen zu analysieren. Die Gasmärkte müssen stärker am Wettbewerb ausgerichtet werden", sagte der Amtschef. Fragebögen seien bereits verschickt worden, wie lange das Verfahren dauere, ist offen.

Und auch bei den Stromanbietern sei eine umfangreiche Untersuchung der vorgelagerten Beschaffungsstufe eingeleitet worden. "Die ermittelten Daten werden wir genau prüfen und das Angebots- und Nachfrageverhalten für Strom in Deutschland umfassend nachbilden", kündigte Heitzer an. Seit Ende 2004 seien die Strompreise gestiegen, obwohl die Netz- und Bezugsentgelte sich verringert hätten, heißt es. Die Auswertung der Erhebung - es handelt sich um mindestens 20 Millionen Einzeldaten - werden aber noch Monate dauern, so Heitzer.

Kein Verständnis hat Heitzer für die Kritik von Eon-Chef Wulf Bernotat an der Wettbewerbsbehörde. Der Strommarkt operiere europaweit, das Amt gehe dagegen immer von nationalen Märkten und der dominierenden Position von Eon und RWE aus, sagte der Manager Ende April. "Eine europaweite Abgrenzung der Strommärkte ist natürlich der Wunsch von Eon und anderen. Aber wir orientieren uns nicht an Wünschen, sondern an der Realität", meinte Heitzer. Es gebe keinen europäischen Strommarkt. "Bundesweit gibt es einen funktionierenden Markt gerade erst für die Erstbelieferung und Industriekunden", stellte Heitzer klar. Ein europäischer Binnenmarkt für Strom sei natürlich wünschenswert, aber heute noch nicht Realität.

© SZ vom 18.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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