Sparprogramm bei Schaeffler:"Wie Drittklässler in der Grundschule"

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Bei Schaeffler herrscht jetzt der Rotstift, und das wird vor allem die Belegschaft merken. Entsprechend wütend sind die Arbeitnehmer.

Uwe Ritzer, Herzogenaurach

Doppelt soviel Wachpersonal wie sonst ist auf dem Gelände der Schaeffler-Zentrale in Herzogenaurach postiert - sicher ist sicher. Doch zu den von der Firmenleitung offenkundig befürchteten heftigen Wutausbrüchen der Belegschaft kommt es an diesem Mittwoch nicht. Weder bei den beiden Betriebsversammlungen, noch bei einer von mehreren tausend Mitarbeitern spontan zur Protestkundgebung umfunktionierten Pressekonferenz von Betriebsrat und IG Metall am Haupttor.

Proteste gegen Stellenabbau bei Schaeffler in Schweinfurt: Das Familienunternehmen will eine Viertelmilliarde Euro einsparen. (Foto: Foto: dpa)

Die Fäuste der Mitarbeiter bleiben in der Tasche, aber sie bleiben auch geballt. Viele sind sauer, dass sie die Zeche für die Konjunkturkrise zahlen sollen. Und für das fehlgeschlagene Milliarden-Abenteuer der Schaeffler-Spitze. "Hätten die den Conti-Blödsinn gelassen, wäre genug Geld da, um mal ein, zwei Krisenjahre zu überbrücken", schimpft ein Arbeiter. "Schließlich hat Schaeffler jahrzehntelang Riesenprofit gemacht."

Aufgezehrte Reserven

Doch die Reserven sind aufgebraucht, und nun ächzt der Wälzlagerhersteller schwer unter den Milliardenschulden aus der Übernahme von Continental und dem konjunkturbedingten Einbruch der Geschäfte. Der Automotive-Umsatz ging im ersten Quartal um ein Drittel zurück, die Industriesparte musste ein Minus von zwölf Prozent verkraften. Nach 8,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr rechnet man 2009 allenfalls mit 7,5 MilliardenEuro Umsatz, teilte das Unternehmen in ungewohnter Offenheit mit. Man gehe davon aus, dass die Märkte frühestens 2012/2013 wieder das Niveau von 2008 erreichen werden, heißt es. "Wir müssen die Kapazitäten dem Markt anpassen", folgert Geschäftsführer Jürgen Geißinger. Das hieße, in diesem Jahr allein in Deutschland 250 Millionen Euro Personalkosten einzusparen. Das entspräche 4500 Arbeitsplätzen. Auf betriebsbedingte Kündigungen will die Schaeffler-Spitze jedoch nach eigenem Bekunden verzichten.

Diese Rechenspiele der Schaeffler-Spitze sieht Bayerns IG Metall-Chef "auf dem geistigen Niveau eines Drittklässlers in der Grundschule" angesiedelt. "Einem Management muss doch Intelligenteres einfallen, als nur Leute rauszuwerfen", sagt Neugebauer. Dass bei Schaeffler Stellen gestrichen werden, bestreitet allerdings auch kein Gewerkschafter ernsthaft. Die Frage ist nur, wie viele es sein werden. Und vor allem, wie sie abgebaut werden. Geißinger beschwor am Mittwoch "gemeinsame Lösungen mit den Arbeitnehmervertretern". Erklärtes Ziel von Management und IG Metall sei es gleichermaßen, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Keiner der 28 deutschen Standorte dürfe geschlossen und alle Auszubildenden müssten übernommen werden.

Eine große Portion Pragmatismus

Vor diesem Hintergrund mischt sich in die Arbeitskampf-Rhetorik der Gewerkschaftsfunktionäre bei den Betriebsversammlungen und an den Werkstoren auch viel Pragmatismus. "Wir haben mit der Geschäftsführung einen Baukasten zusammengestellt, aus dem man sich jetzt bedienen kann", sagt Wolfgang Müller, Schaeffler-Beauftragter der IG Metall. Der Baukasten enthält Bausteine wie Ausweitung von Kurzarbeit, Arbeitszeitverkürzung bei weniger Lohn und Gehalt, Kürzungen bei Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, freiwillige Aufhebungsverträge, Altersteilzeitregelungen oder Transfergesellschaften. "Damit können wir es schaffen, dass keiner entlassen wird", sagt Müller. Die Verhandlungen darüber beginnen umgehend und zwar an jedem Standort einzeln. "Wir wollen nicht den Rasenmäher ansetzen", sagt Geißinger. "Wir brauchen standortspezifische Lösungen, weil jeder Standort unterschiedlich von der Krise betroffen ist." Ende Juni soll das Konzept stehen.

Die IG Metall hat dabei gute Karten. Im Februar erkauften sich Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg die Unterstützung der Gewerkschaft in Sachen Staatshilfe mit einem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. IG-Metall-Chef Berthold Huber pocht nun auf dieses Versprechen. Bei alledem geht es vor allem um eines: Man will Zeit gewinnen in der Hoffnung, dass die Krise sich inzwischen verzieht. Die Milliardenschulden aus der Conti-Übernahme allerdings bleiben. Genauso wie die Unklarheit über das gemeinsame Zukunfts- und Finanzierungskonzept von Schaeffler und Conti. Mutter und Sohn Schaeffler blockten am Mittwoch ebenso wie Geißinger alle Fragen ab. Angeblich kennt bislang nur die bayerische Staatsregierung das Konzept. Und prompt streitet diese darüber intern.

© SZ vom 14.05.2009/tob/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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