Fiat: Chef in Deutschland:Die Sorgen sind "sehr, sehr groß"

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Im Bieterkampf um Opel veredelt Fiat sein Angebot erneut: Konzernchef Marchionne ist zu weiteren Zugeständnissen bereit - und trifft deshalb die Landesfürsten Beck und Koch.

Ringen um Opel: Der Chef des italienischen Autokonzerns Fiat, Sergio Marchionne, ist zu Gesprächen über die Zukunft von Opel nach Deutschland gekommen.

Opel im Visier: Fiat-Chef Marchionne ist derzeit häufig in Deutschland. (Foto: Foto: ddp)

Er traf sich mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und seinem rheinland-pfälzischen Kollegen Kurt Beck (SPD), um beide von seinen Plänen für Opel zu überzeugen.

Nach dem Gespräch zeigte sich Beck skeptisch. "Die Fragezeichen, was die Interessen von Opel und der deutschen Standorte, allen voran Kaiserslautern, angeht, sind eher größer als kleiner geworden", sagte der SPD-Politiker. Seine Sorgen seien "sehr, sehr groß". Aus Sicht des in Rheinland-Pfalz gelegenen Opel-Werks Kaiserslautern seien die bisher vorgelegten Pläne kaum hinzunehmen.

Koch sagte, die Entscheidung über den künftigen Eigner von Opel sollte noch im Mai fallen. Der CDU-Politiker betonte, er stehe in Kontakt mit allen potentiellen Investoren. Es gebe auch Interessenten auf der Kapitalseite, die nicht immer in den Medien erwähnt würden. In Hessen und Rheinland-Pfalz befinden sich wichtige Opel-Standorte. Fiat ist bereit, den kriselnden Konkurrenten zu übernehmen, fordert dafür aber staatliche Bürgschaften in Milliardenhöhe.

Unterdessen können sich die Italiener auch vorstellen, bei einer Opel-Übernahme für Schulden und Pensionsansprüche des Autobauers geradezustehen.

Ein neuer Marktführer für Europa

Fiat sei bereit, Verbindlichkeiten zu übernehmen, sagte Marchionne dem Wochenmagazin The Economist. "Ich biete der deutschen Regierung ein Autogeschäft an, dass praktisch schuldenfrei ist", betonte er dem Bericht vom Donnerstag zufolge. Zudem stellte Marchionne einen zügigen Ausbau gemeinsamer Produktionsplattformen in Aussicht. Diese könnten bis 2012 etabliert sein, sagte er.

Marchionne will aus Fiat, Opel und dem insolventen US-Autokonzern Chrysler Cerberus einen neuen Marktführer in Europa schmieden, stößt damit aber vor allem bei den Arbeitnehmervertretern der deutschen GM-Tochter auf Widerstand. Konkurrent um einen Einstieg bei Opel ist der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna.

Fiat erhofft sich bei dem geplanten neuen Welt-Autokonzern zusammen mit Chrysler und Opel jährliche Einsparungen von bis zu 1,4 Milliarden Euro. Dieser angestrebte Synergieeffekt vom Jahr 2015 an geht aus dem Konzept Fiats für einen Einstieg beim angeschlagenen Autobauer Opel und für den neuen Unternehmensverbund hervor.

In dem 46-seitigen Konzept "Project Phoenix", das inzwischen bekannt wurde, wird das Opel-Werk in Kaiserslautern als ein Standort aufgeführt, der "von einer möglichen Schließung betroffen sein könnte".

Erhalt vier deutscher Werke zugesagt

Verkleinert werden sollen die Opel-Werke in Rüsselsheim und Bochum. Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte am Dienstag allerdings den Erhalt aller vier deutschen Werke zugesagt, nachdem Kaiserslautern als Wackelkandidat genannt worden war. Die Opel-Zentrale soll in Rüsselsheim bleiben.

Nach dem Fiat-Konzept könnten insgesamt sechs Fabriken in Europa geschlossen werden. Bei weiteren sechs Werken sind Kürzungen geplant. Derzeit gibt es in Europa 23 Werke von Fiat und GM-Europe, die zusammen rund vier Millionen Autos herstellen.

Inzwischen sorgte das bekannt gewordene Vorsteuerminus im Europa-Geschäft der Konzernmutter General Motors von zwei Milliarden Dollar für neue Spannungen bei Opel. Betriebsratschef Klaus Franz warf dem Mutterkonzern vor, Verluste in Europa abzuladen.

Von dem Europa-Verlust entfielen 800 Millionen Dollar allein auf Belastungen im Zusammenhang mit der Restrukturierung der schwedischen Tochter Saab. Franz kritisierte, GM habe auch weltweite Entwicklungsaufwendungen nachträglich mit 400 Millionen Dollar sowie Währungsverluste mit weiteren 400 Millionen Dollar bei der Europa- Tochter geltend gemacht.

"GM poliert so die eigene Bilanz auf Kosten von Opel und GM Europa auf", beschwerte sich der Betriebsratschef im Handelsblatt. GM Europe hatte bereits im Vorquartal ein Vorsteuerminus von 1,9 Milliarden Dollar verbucht.

Der am Vortag bekannt gewordene erneute Riesenverlust für den Gesamtkonzern General Motors im ersten Quartal ist bereits der achte in Folge. Seit Anfang 2005 hat der größte US-Autobauers damit ein Minus von insgesamt 88 Milliarden Dollar eingefahren. Der Quartalsumsatz halbierte sich fast auf 22,4 Milliarden Dollar.

Warnung Verheugens

Unterdessen warnte EU-Industriekommissar Günther Verheugen vor Scheinlösungen für Opel und die Konzermutter General Motors (GM). "Ich möchte eine marktwirtschaftlich saubere Lösung für GM und seine Marken in Europa. Am Ende muss ein Unternehmen stehen, das langfristig wettbewerbsfähig ist", sagte Verheugen der Passauer Neuen Presse. Mit einer politischen Scheinlösung würde man nur Zeit kaufen.

Dass es rasch zu einer Lösung für Opel kommen werde, sieht Verheugen nach eigenen Worten mit vorsichtigem Optimismus. Allerdings wisse noch niemand, was aus GM werde und welche Entscheidungen dazu in den USA fielen.

Eine Insolvenz von GM sei nicht die einzige Möglichkeit. "Die amerikanische Regierung wird unter Umständen nicht davor zurückschrecken, bei General Motors selbst einzusteigen. Dann hätten wir eine neue Situation", sagte der Vizepräsident der EU-Kommission. "Wir hätten es nicht mehr mit angestellten Managern zu tun, sondern direkt mit Washington."

© sueddeutsche.de/dpa/AP/Reuters/pak/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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