Korruption in der Fischerei:Heute Held, morgen Haft?

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"Das Wichtigste ist, dass die Verantwortlichen ihre Strafe bekommen", sagt Jóhannes Stefánsson. (Foto: privat)

Der Isländer Jóhannes Stefánsson erhält einen renommierten Whistleblowerpreis. Nach seinen Enthüllungen über einen mächtigen Fischereikonzern muss er bald selbst vor Gericht.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Heute gefeierter Preisträger, morgen vor Gericht und übermorgen im Gefängnis? Gut möglich, dass das der Weg ist, den der Isländer Jóhannes Stefánsson zu gehen hat. Fischer war Stefánsson einst, dann Manager bei Samherji, beim größten Fischereikonzern Islands, einem der mächtigsten Europas. So lange bis er die Praktiken Samherjis in Namibia enthüllte. In Namibia hatte Samherji, so Stefánsson, mächtige Politiker geschmiert, um dafür Zugang zu Fangquoten für Makrelen zu erhalten. "Um die Ressourcen eines afrikanischen Landes zu plündern", wie Jóhannes Stefánsson sagt. Es ist einer der größten Korruptionsskandale in der Geschichte Islands und Namibias. In dem afrikanischen Land sitzen mittlerweile mehrere ehemalige Minister Stefánssons Aussagen wegen im Gefängnis. Samherji bestreitet alle Vorwürfe.

Jóhannes Stefánsson ist selbst Täter in dieser Geschichte. Ein Täter, der irgendwann ausstieg und zum Whistleblower wurde, weil er nicht länger mitmachen wollte. Nicht ohne vorher 40 000 E-Mails, Memos und Kontoauszüge von Firmenservern auf seinen Laptop zu laden. Dokumente, die er mit Wikileaks teilte und dann mit den Staatsanwaltschaften der betroffenen Länder. Die Staatsanwälte ermitteln nun, es stehen große Gerichtsverfahren an, zuerst in Namibia, später in Island.

In Island hat Jóhannes Stefánsson den Status eines Verdächtigen, gemeinsam mit mittlerweile acht leitenden Mitarbeitern des Konzerns Samherji. Im schwedischen Göteborg aber wird er an diesem Donnerstag gefeiert. Die Jury des renommierten Win-Win-Sustainability-Awards hat Stefánsson in diesem Jahr zu ihrem Preisträger gekürt. Eine Million Schwedische Kronen ist das Preisgeld, umgerechnet ungefähr 100 000 Euro. Stefánsson habe als Einzelner mit Sinn für Gerechtigkeit "eine ganze Industrie erschüttert". Und das, obwohl er dafür belästigt, verfolgt und möglicherweise auch vergiftet worden sei. Das Beispiel Stefánssons zeige, dass auch "Einzelne in der Welt der Konzerne den Kampf gegen Korruption aufnehmen" könnten.

Dass er bald vor Gericht stehen muss? "Das macht mir nichts."

In einem Telefonat mit der SZ nannte Stefánsson den Preis eine "Riesenanerkennung": "Das ist Wind in unsere Segel. Das zeigt, dass wir Whistleblower das Richtige tun, obwohl wir dafür oft behandelt werden wie Ausgestoßene." Ebenso wenig wie in Deutschland gab es auch in Island ein Whistleblower-Schutzgesetz, als Stefánsson an die Öffentlichkeit ging.

"Korruption ist eines der größten Hindernisse für eine global nachhaltige Entwicklung", sagt der deutsche Autor und Whistleblower-Experte Rainer Winters. "Aber Whistleblower verlieren oft alles, neben ihrer Gesundheit auch den Großteil ihres Geldes. Gleichzeitig profitieren Staaten und Gesellschaften enorm vom Mut der Whistleblower".

Stefánsson wird bald in Island selbst vor Gericht stehen für die Schmiergeldzahlungen, die er einst als Samherji-Manager in Namibia im Namen der Firma tätigte. "Das macht mir nichts", sagt er. "Das Wichtigste ist, dass die Verantwortlichen ihre Strafe bekommen." Er habe den Eindruck, die Staatsanwaltschaft in Island leiste "sehr gute Arbeit". Seit er das erste Mal zusammenbrach in Südafrika im Dezember 2016, kann er nicht mehr arbeiten. Er vermutet, er sei vergiftet worden. Eine medizinische Behandlung steht bevor, nach Göteborg ist er dennoch persönlich gereist. Seit ein paar Wochen fühle er sich "minimal besser", sagt er.

Samherji streitet öffentlich alle Schuld ab und zeichnet Jóhannes Stefánsson als Trinker und Drogenabhängigen, der alle Straftaten ganz alleine begangen habe. In Island machten zuletzt Enthüllungen der Zeitungen Kjarninn und Stundin Schlagzeilen. Aufgrund interner Nachrichtenprotokolle des Samherji-Konzerns zeigten sie auf, wie eine Gruppe von Samherji-Mitarbeitern, die sich "Guerilla-Trupp" nannte, Verleumdungs- und Einschüchterungskampagnen gegen investigative Journalisten, Künstler, Politiker und NGOs wie die Antikorruptionsorganisation Transperancy International planten.

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