IWF-Chefin:Georgiewa spaltet USA und Europa

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Schwer unter Beschuss: IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. (Foto: Mateusz Wlodarczyk/imago)

Trotz der Datenaffäre wollen Deutschland, Frankreich und Italien an der IWF-Chefin festhalten. Das Vertrauen ihres wichtigsten Anteilseigners und Verbündeten aber hat die 68-Jährige verloren.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Affäre um eine mögliche Verwicklung von IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in Datenmanipulationen der Weltbank hat zu einem Zerwürfnis zwischen den USA und den großen EU-Staaten geführt. Wie aus IWF-nahen Kreisen verlautete, vertrat die US-Regierung in den seit Tagen laufenden Gesprächen die Ansicht, dass Georgiewa eigentlich nicht mehr tragbar sei. Die Europäer, darunter Deutschland, hingegen stellten sich hinter die Bulgarin, die den Internationalen Währungsfonds seit zwei Jahren führt. Der 24-köpfige IWF-Exekutivrat, der alle 190 Mitgliedsländer vertritt, wollte am Montagabend in Washington erneut beraten. Das Ergebnis der Diskussion stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest.

Ausgangspunkt des Konflikts ist der sogenannte Doing-Business-Report, den die Weltbank bisher einmal im Jahr veröffentlichte. Der Bericht der IWF-Schwesterinstitution gibt Auskunft darüber, wie einfach oder schwierig es in jedem der 189 Mitgliedsstaaten ist, sich wirtschaftlich zu betätigen. Die Rangliste hat für viele Regierungen große Bedeutung, denn sie kann mit darüber entscheiden, wie viel Geld internationale Unternehmen und Investmentfonds etwa in ein Schwellenland pumpen. Nach einer offiziellen Untersuchung der US-Anwaltssozietät Wilmer-Hale soll es jedoch bei der Erstellung des Berichts für das Jahr 2017 zu Manipulationen gekommen sein: Offenbar schönten Mitarbeiter der Weltbank die Daten Chinas und verhalfen dem Land damit zu einer besseren Platzierung als eigentlich angemessen. Im Gegenzug soll die Volksrepublik ihren Widerstand gegen eine geplante Kapitalerhöhung der Weltbank aufgegeben haben.

Georgiewas Ansehen könnte bereits irreparabel beschädigt sein

Wilmer-Hale zufolge war Georgiewa, die unter dem damaligen Präsidenten Jim Yong Kim Hauptgeschäftsführerin der Weltbank war, an den Manipulationen nicht nur beteiligt, sondern sogar eine treibende Kraft. Die heutige IWF-Chefin hingegen weist die Vorwürfe vehement zurück und betont, sie selbst und ihre Mitarbeiter hätten an keinerlei Tricksereien mitgewirkt. Stattdessen bezichtigt sie Adlaten Kims, den Bericht verzerrt zu haben.

Während sich Japan in dem Konflikt auf die Seite der USA schlug, hielten Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien zunächst an Georgiewa fest. Das ist wenig verwunderlich, denn die heute 68-Jährige war von den Europäern für das IWF-Amt vorgeschlagen worden. Der Exekutivrat hatte am Sonntag nach erneuten Anhörungen beider Seiten lediglich mitgeteilt, man könne die Lage jetzt besser beurteilen und werde "sehr bald" zu einer Entscheidung kommen. Tatsächlich ist Eile geboten, denn an diesem Montag beginnt in Washington auch die Jahrestagung von IWF und Weltbank, zu der Spitzenpolitiker aus aller Welt anreisen werden, darunter Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

Die Frage vor Beginn der Ratssitzung am Montag war, ob Georgiewa schon so irreparabel beschädigt ist, dass sie ihr Amt selbst bei einem Freispruch im Exekutivkomitee eigentlich nicht fortführen kann. Die IWF-Chefin oder der Chef ist auf ein gutes Verhältnis zur US-Regierung angewiesen, die mit 16,5 Prozent der Stimmrechte nicht nur größte Anteilseignerin des Fonds, sondern auch die dominierende politische Kraft ist.

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