Internet in China:Facebooks große Ranschmeiße

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Dass Mark Zuckerberg durch den Smog von Peking joggte, brachte ihm Häme ein. (Foto: AFP)

Fast 700 Millionen Chinesen sind abgeschnitten von vielem, was für den Rest der Welt das Internet ist. Um das zu ändern, riskiert Mark Zuckerberg seine Lunge im Pekinger Smog.

Von Kai Strittmatter, Peking

China hat fast 700 Millionen Internetnutzer. Und alle sind sie abgeschnitten von einem Großteil dessen, was für den Rest der Welt das Internet ausmacht: Google, Youtube, Twitter, Facebook. Zu gefährlich, findet die KP. Unter Parteichef Xi Jinping ist die Zensur noch einmal schärfer geworden, den Appetit der Silicon-Valley-Bosse hat das eher angestachelt. Längst hat die große Ranschmeiße begonnen. Vorreiter auch hier: Mark Zuckerberg, Chef von Facebook.

Zuckerbergs Frau stammt von Chinesen aus Vietnam ab, sie gaben ihrem Baby auch einen chinesischen Namen, und Mark Zuckerberg lernte gar so viel Chinesisch, dass er unlängst mit Studenten in Peking plaudern konnte. Das Urteil der Netzgemeinde: smart. Eher plump dagegen Zuckerbergs Offensive bei den KP-Führern. Sie begann im letzten Jahr, als Chinas Internetkontrolleur Lu Wei ins Silicon Valley kam und auch Facebook besuchte. Wie es der Zufall wollte, lag just in dem Moment auf Zuckerbergs Schreibtisch ein Exemplar des neuesten Buchs von Chinas Parteichef Xi Jinping, "Über das Regieren Chinas".

Letzten Monat war der Facebook-Chef wieder in Peking. Er hatte ein Tête-à-Tête mit Liu Yunshan, Chinas Propagandachef, danach meldeten die Staatsmedien stolz, Zuckerberg habe "Chinas Fortschritte für den Aufbau eines modernen Internets gepriesen". Bei dem Besuch verbreiteten seine PR-Leute auch Fotos von dem fröhlich joggenden Zuckerberg auf Chinas Tiananmen-Platz, was ihm großen Spott eintrug, war es doch ein smogdüsterer Morgen, an dem die Feinstaubwerte fast das Zwanzigfache des Grenzwertes betrugen. Tausche Lunge gegen Marktzugang.

Warum chinesische Twitter-Fans plötzlich fassungslos sind

Der kleinere Kurznachrichtendienst Twitter hatte bei seinen chinesischen Nutzern bislang einen makellosen Ruf. Viele sind es nicht, nur die Handvoll, die mithilfe von VPN-Tunneln die Zensur überwindet. Zum zehnten Geburtstag von Twitter vor vier Wochen gratulierten die aber begeistert. "Hier treffen sich die freiwilligen Exilanten, um freies Internet zu genießen", schrieb ein Nutzer aus China. "Du hast mehr Würde als Zuckerberg", lobte ein anderer.

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Dieses Wochenende nun kippte die Begeisterung um in Fassungslosigkeit: Twitter hatte soeben die neue Direktorin für die Greater-China-Region vorgestellt, Kathy Chen. Chen aber, die zuletzt bei Microsoft arbeitete, hat eine Biografie, die viele Fragen offen lässt. Sie begann ihre Karriere als Programmiererin bei einer Raketeneinheit der Volksbefreiungsarmee, später leitete sie eine Softwarefirma, die zum Teil Chinas Polizeiministerium gehörte. Zudem trat Kathy Chen ihren neuen Job am Freitag ausgerechnet mit aufgekratzten Tweet-Dialogen mit Chinas größten Propagandamedien CCTV und Xinhua an. "Lasst uns zusammenarbeiten", antwortete sie auf die Glückwünsche der Nachrichtenagentur Xinhua, "und die großartige China-Geschichte der Welt erzählen!"

Kathy Chen soll in China für Twitter erst einmal nur Werbekunden akquirieren. Facebook-Chef Zuckerberg reicht das nicht, er würde gerne Chinas Nutzer mit seinem Netzwerk beglücken. Kaum vorstellbar, dass Peking das jemals erlaubt, egal wie sehr er das Politbüro umschmeichelt.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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