Heckler & Koch:Drei Spenden und ein Brief

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Als aufflog, dass Heckler & Koch Gewehre unter dubiosen Umständen nach Mexiko exportiert hatte, interessierten sich die Ermittler auch für die Parteispenden. (Foto: Bernd Weissbrod/dpa)
  • Ein Verfahren gegen den Geschäftsführer von Heckler & Koch wegen möglicher Bestechung wurde 2017 still und leise eingestellt - doch jetzt sind neue Mails aufgetaucht.
  • Sie liefern handfeste Indizien für Bestechungsversuche an deutschen Politikern - doch zu einer Anklage wird es wohl trotzdem nicht mehr kommen.

Von Stefan Mayr und Klaus Ott

Bei ihm, jammerte Peter Beyerle, Geschäftsführer des baden-württembergischen Waffenherstellers Heckler & Koch, breite sich Frust aus. In der Bundesregierung sei offenbar nichts mehr zu bewegen, klagte Beyerle im März 2010 in einer Mail an einen Kollegen. Darin ging es um die Lieferung des Sturmgewehrs G36 nach Mexiko sowie um Aufträge aus Spanien. Vor allem die geplante Ausfuhr nach Lateinamerika bereitete dem Waffenverkäufer Sorgen, wie diverse Mails von damals belegen, über die das ARD-Magazin "Report Mainz" berichtete und die auch der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Die politische Ebene habe bewusst nicht entschieden, notierte Beyerle. Das sei noch nie so schlecht gewesen wie unter dieser Koalition. Damals regierten CDU/CSU und FDP.

Doch Beyerle, früher Präsident des Landgerichts Rottweil im Schwarzwald und nun bei Heckler & Koch für Recht, Exportgenehmigungen und Behördenkontakte zuständig, wusste einen vermeintlichen Ausweg: die politische Schiene. Die Waffenschmiede entschied, 10 000 Euro an die CDU und jeweils 5000 Euro an zwei FDP-Abgeordnete zu spenden. Als später aufflog, dass Heckler & Koch in den Jahren zuvor Gewehre unter dubiosen Umständen nach Mexiko exportiert hatte, interessierten sich die Ermittler auch für die Parteispenden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart eröffnete Verfahren. Ein großes wegen des Verdachts, Heckler & Koch habe von 2006 bis 2009 illegal Kriegswaffen nach Mexiko exportiert. Und ein kleineres Verfahren wegen des Vorwurfs, die Firma habe mexikanische Generäle bestochen und habe dies bei deutschen Politikern zumindest versucht. In dem großen Fall steht der Gerichtspräsident a. D. Beyerle als Angeklagter seit Mitte Mai selbst vor Gericht.

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Der deutsche Waffenhersteller soll Parteispenden Briefe mit der Bitte um Unterstützung hinterhergeschickt haben. Das belegen Mails des damaligen Geschäftsführers.

In dem kleineren Fall hat er hingegen nicht mehr viel zu befürchten. Das gilt auch für die Firma selbst. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat das Verfahren gegen Beyerle wegen möglicher Bestechung inländischer Amtsträger Anfang 2017 still und leise vorläufig eingestellt. Weil die hier denkbare Strafe im Vergleich zu den im großen Verfahren drohenden Konsequenzen nicht beträchtlich ins Gewicht falle. Wegen der Waffenexporte nach Mexiko könnte Beyerle wie seine fünf Mitangeklagten ins Gefängnis kommen. Es geht um Bundesstaaten in Mexiko, in denen auch staatliche Sicherheitskräfte Gewaltexzesse begehen. Diese Regionen habe Heckler & Koch illegal mit Gewehren versorgt.

Bei den Spenden an Union und FDP hingegen ist nach der vorläufigen Einstellung keine Anklage mehr zu erwarten und auch keine öffentliche Gerichtsverhandlung. Ein solcher Prozess, ob ein Versuch der Einflussnahme via Parteispenden vorgelegen habe und ob dies dann strafbar gewesen wäre, hätte zum Lehrstück für Politik und Wirtschaft werden können. Immerhin geht es um Bundestagsabgeordnete und insbesondere Unionsfraktionschef Kauder.

Schon der Versuch der Bestechung von Abgeordneten kann strafbar sein

Doch zu diesem Lehrstück kommt es nun wohl nicht mehr. Und das, obwohl laut Gesetz schon der Versuch der Bestechung von Abgeordneten strafbar sein kann. Und obwohl für einen solchen Versuch den Ermittlern mit den internen E-Mails von Heckler & Koch handfeste Indizien vorliegen. Informationen darüber hatte das Unternehmen der Staatsanwaltschaft bereits 2013 vorgelegt; in Form eines internen Berichts, in dem die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG die Vorgänge beschreibt.

Demnach wurde bei Heckler & Koch im März 2010 über Spenden an die aus Sicht der Firma sehr empfängliche FDP und deren Abgeordnete Elke Hoff beraten. Auch der örtliche FDP-Abgeordnete Ernst Burgbacher sollte bedacht werden. Und die CDU. Es floss dann tatsächlich Geld an die beiden Parteien, so wie das den Mails vom März 2010 zufolge bei Heckler & Koch geplant und beschlossen worden war. Bereits im Monat darauf, am 6. April 2010, wandte sich Geschäftsführer Peter Beyerle per Brief an den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder. In dessen Wahlkreis ist Heckler & Koch ansässig. Laut KPMG-Prüfbericht bat Beyerle den Fraktionschef um Unterstützung für eine weitere Ausfuhrgenehmigung nach Mexiko.

Zudem notierte Beyerle intern, er wolle am 23. April Frau Hoff von der FDP treffen. Auch stehe ein Besuch im Kanzleramt an. Das lässt sich ebenfalls dem KPMG-Prüfbericht vom 16. April 2013 entnehmen. Doch diese Erkenntnisse dürften nun für Beyerle und Heckler & Koch keine Folge mehr haben. Und Politiker standen ohnehin nicht im Fokus der Ermittler. Nach Angaben der Stuttgarter Staatsanwaltschaft waren die damalige Bundesregierung und die Regierungsparteien Heckler & Koch nicht zu Diensten: Es gebe "keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass auch nur der Anfangsverdacht besteht, politisch Verantwortliche hätten sich durch Parteispenden beeinflussen lassen".

Das sieht der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin, auf dessen Strafanzeigen die Korruptionsermittlungen und der Prozess wegen der Waffenexporte beruhen, anders. Grässlin bezeichnet Volker Kauder als "Lobbyisten" für Heckler & Koch. Schließlich sei er die rechte Hand von Kanzlerin Angela Merkel, und diese habe als Vorsitzende des Bundessicherheitsrats die Waffenexporte befördert. Diese Art der Beweisführung reicht aber allenfalls für politische Kritik an Kauder und den Parteien, nicht aber für ein juristisches Verfahren.

Peter Beyerle beteuert seinerseits, er habe weder bei den Exporten noch bei den Parteispenden etwas Unrechtes getan. Bei der firmeninternen Untersuchung durch KPMG gab er an, der einzige Grund für seine Äußerung mit der politischen Schiene sei gewesen, dass er schnellstmöglich Planungssicherheit haben wollte. Ziel der Spenden sei nicht gewesen, Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Heckler & Koch habe vielmehr eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens erreichen wollen. Selbst eine Ablehnung wäre besser gewesen als gar keine Entscheidung, erklärte Beyerle laut KPMG-Prüfbericht.

Die CDU-Pressestelle will die Vorgänge um Volker Kauder nicht kommentieren

In einer von Beyerles Mails vom März 2010 hatte es freilich geheißen, in den nächsten vier Monaten sei in Berlin mit keiner positiven Entscheidung zu rechnen. Es bleibe nur noch der politische Weg. Ein paar Wochen später notierte Heckler & Koch intern, die Spende an die CDU sei erledigt. Bei der FDP seien 5000 Euro an den Abgeordneten Burgbacher beziehungsweise dessen Ortsverein gegangen. Nur noch die 5000 Euro an Frau Hoff seien offen. Die Abgeordnete Hoff habe aber bereits einen Empfänger benannt.

Die CDU-Pressestelle will die Vorgänge um Volker Kauder nicht kommentieren. Elke Hoff betont, sie habe mit Heckler & Koch "nichts, aber auch gar nichts am Hut". Ernst Burgbacher bestätigt, dass sein FDP-Kreisverband Tuttlingen eine Spende erhalten habe. Aber als parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium sei er "weder indirekt noch direkt" mit Rüstungsexporten befasst gewesen.

Bleiben noch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen der mutmaßlichen Bestechung mexikanischer Amtsträger. Und eine Mail von Beyerle vom August 2009 an einen Kollegen bei Heckler & Koch, der eine PDF-Datei über Prinzipien der Geschäftsethik beigefügt war.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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