Europäische Union:Mercosur-Deal steht vor dem Aus

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Rinder in Argentinien: Das Land gehört zu einem der vier Mercosur-Staaten. (Foto: Manuel Cortina via www.imago-images.de/imago images/ZUMA Wire)

Bei Umweltschützern ist er schon lange verhasst. Nun hat der EU-Vertrag mit südamerikanischen Staaten wohl ohnehin keine Chance mehr. Und für das Abkommen mit Australien sieht es ähnlich schlecht aus.

Von Björn Finke, Brüssel

Die EU-Kommission pries die Vereinbarung 2019 als ihren bisher umfangreichsten Handelsvertrag. Er sollte vier Milliarden Euro Zölle pro Jahr streichen, zum Wohle von Verbrauchern und Exporteuren. Das wäre so viel wie in keinem anderen Brüsseler Abkommen.

Doch der Deal zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur wird von Umwelt- und Klimaschützern scharf kritisiert - und nun ist er de facto beerdigt. "Der Vertrag ist ganz tief in der Tiefkühltruhe, eigentlich ist er mehr oder weniger tot", sagte der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange am Montag. Langes Wort hat Gewicht, denn er leitet den Handelsausschuss im EU-Parlament. Ähnlich pessimistisch äußerte sich der Politiker zu den Verhandlungen über solch ein Abkommen mit Australien, nachdem die dortige Regierung Frankreich bei einem U-Boot-Geschäft brüskiert hat.

Australien, die USA und Großbritannien gaben vorige Woche bekannt, eine Allianz namens Aukus zu gründen. Die richtet sich gegen China. Als Teil der Vereinbarung lässt Australien acht atombetriebene U-Boote von den Vereinigten Staaten bauen - und stornierte dafür einen U-Boot-Vertrag mit Frankreich über 50 Milliarden Euro. Der Pariser Europastaatssekretär Clément Beaune sagte der Nachrichtenseite Politico, seine Regierung vertraue Australien nun nicht mehr, und es sei "undenkbar", dass die EU mit den Gesprächen über einen Handelsvertrag fortfahre, als sei nichts geschehen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte freilich zuvor versichert, dass die Kommission die 2018 begonnenen Verhandlungen weiterführen werde.

Aber wohin führen sie? Handelspolitiker Lange jedenfalls hält einen schnellen Abschluss für unmöglich. Er sei sich auch nicht sicher, ob später eine Einigung gelingen werde. Zumal die Australier mit dem Vertrag erreichen wollen, einfacher Agrarprodukte in die EU verkaufen zu dürfen. Solch ein Zugeständnis wäre ohnehin heikel für die französische Regierung, die immer sehr darauf bedacht ist, ihre Bauern vor internationalem Wettbewerb zu schützen.

Und am Ende ist die Zustimmung von Mitgliedstaaten und EU-Parlament nötig, damit die von der Kommission ausgehandelten Abkommen in Kraft treten können. "Nach der Aktion mit den U-Booten ist die Kompromissbereitschaft auf EU-Seite nur noch gering, vor allem bei Agrarprodukten und vor allem in Frankreich", sagt Lange. Der SPD-Politiker weist zudem darauf hin, dass die Stornierung des Auftrags auch deutschen Interessen schade. So hätte die Firma Atlas Elektronik aus Bremen, eine Tochter von Thyssen-Krupp, mitwirken sollen.

Dass die Zustimmung von Europaparlament und Mitgliedstaaten zu Handelsverträgen alles andere als sicher ist, zeigt auch das Mercosur-Abkommen. Die Kommission einigte sich 2019 mit den vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, schlanke 19 Jahre nach dem Start der Gespräche. Doch das EU-Parlament und viele Regierungen wollen den Vertrag in seiner jetzigen Form nicht annehmen. So klagen Kritiker, dass das Kapitel zu Umwelt und Sozialem zu lax sei und bei Verstößen keine harten Sanktionen wie die Wiedereinführung von Zöllen drohten.

Mehr Härte im Streit mit den USA

Valdis Dombrovskis, der zuständige Kommissions-Vizepräsident, will das Abkommen mit Zusatzvereinbarungen retten, bei denen die Mercosur-Regierungen konkrete Aktionen zu Umwelt- und Klimaschutz versprechen. Handelspolitiker Lange ist trotzdem pessimistisch. So sei das Mercosur-Bündnis wegen unterschiedlicher Ansichten seiner Mitglieder wenig handlungsfähig. Lange erwartet deshalb nicht, dass das EU-Parlament noch in dieser Legislaturperiode, also bis 2024, den Vertrag ratifizieren könne. Dafür ist er zuversichtlich, dass die EU bis Jahresende die Gespräche mit Chile - nicht Mitglied im Mercosur - über eine Modernisierung des Handelsvertrags abschließen kann.

Im Zollstreit mit den USA warnt Lange die Regierung in Washington: Der frühere Präsident Donald Trump verhängte 2018 Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU, angeblich zum Schutz der nationalen Sicherheit. Die EU reagierte mit Vergeltungszöllen auf diverse amerikanische Produkte. Anfang Juni sollten sich diese Zölle gegen die USA automatisch verdoppeln. Doch die Kommission verschob das, um mit der Regierung von Trumps Nachfolger Joe Biden über eine Abschaffung aller Zölle zu verhandeln. Lange sagt, diese Verdoppelung sei Ende des Jahres fällig, wenn Washington kein "bedeutendes Signal" des Entgegenkommens sende.

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