Handelsstreit mit den USA:Eine harte Reaktion Europas ist unausweichlich

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Gerade Deutschland hat als Exportnation bei einem Handelskrieg viel zu verlieren: Hier bespricht sich die Kanzlerin mit dem französischen Präsidenten und der britischen Premierministerin bei einem Gipfeltreffen Mitte Mai in Sofia. (Foto: REUTERS)

Die EU muss sich der bitteren Tatsache stellen, dass US-Präsident Trump seine Handelspartner als Gegner sieht. Doch der Konflikt lässt sich nicht entschärfen, indem man den Aggressor gewähren lässt.

Kommentar von Nikolaus Piper

Das war der erste Schritt in den Handelskrieg. Präsident Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium gelten seit Freitag auch in Europa, Kanada und Mexiko. Der volkswirtschaftliche Schaden mag zunächst begrenzt sein, das legt die gelassene Reaktion der Weltbörsen nahe.

Noch ist ja eine Wende, die Rückkehr zu zivilisiertem Verhalten leicht möglich (und auch nicht ganz ausgeschlossen, angesichts des Entscheidungswirrwarrs im Weißen Haus). Die politischen Folgen aber sind schon jetzt verheerend. Die Europäer müssen die Tatsache akzeptieren, dass der amerikanische Präsident keine Verbündeten mehr kennt. Handelspartner behandelt er wie Gegner, wenn nicht gar Feinde.

Den Europäern bleibt nichts anderes übrig, als entschlossen ihre Interessen wahrzunehmen. Die in Brüssel vorbereiteten Vergeltungszölle auf Harley-Davidsons, Orangensaft oder was auch immer müssen schnell umgesetzt werden, auch wenn Trump mit Gegenzöllen auf europäische, sprich: deutsche Autos droht.

Man kann einen Konflikt nicht dadurch entschärfen, dass man den Aggressor gewähren lässt

Die Warnungen einiger Wirtschaftsvertreter in Deutschland vor einer "Eskalation" des Konflikts sind gut gemeint, gehen aber am Problem vorbei, solange sie sich an beide Seiten richtet. Man kann einen Konflikt nicht dadurch entschärfen, dass man den Aggressor gewähren lässt.

Deutschland hat als Exportnation bei einem Handelskrieg sehr viel zu verlieren. Es ist daher noch mehr als andere auf europäische Solidarität angewiesen. "Unsere Antwort auf America First kann nur heißen: Europe united" - der Satz von Außenminister Heiko Maas trifft die Sache genau, aber er muss Konsequenzen haben.

Angesichts des drohenden Handelskonflikts ist es noch wichtiger, dass Paris und Berlin eng zusammenarbeiten, dass also die Bundesregierung auf Präsident Macron zugeht und seine Reformvorschläge für Europa endlich ernst nimmt.

Elementar wichtig ist für Europa, dass die Welthandelsorganisation funktionsfähig bleibt. Die WTO wurde 1994 in besseren Zeiten von 124 Staaten gegründet, sie war aber im Kern ein europäisch-amerikanisches Projekt.

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In Washington regierte damals Bill Clinton, Chef der Europäischen Kommission war der französische Visionär Jacques Delors. Die WTO etablierte verbindliche Regeln, sie schlichtete viele Handelskonflikte und schaffte es, die USA als mächtigste Handelsnation einzubinden. Wie wichtig der letzte Punkt war, ahnt man erst jetzt, da es fast zu spät ist.

Trumps Leute haben mit der WTO nicht viel im Sinn. Wie weit sie dabei gehen werden, ist noch nicht klar. Sie lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass sie Handelsfragen am liebsten bilateral lösen. Die Logik ist simpel: Bilateral und ohne WTO kann der Große dem Kleinen seinen Willen aufzwingen.

Die USA sind im Verhältnis zu fast allen anderen erdrückend groß - mit den beiden wichtigen Ausnahmen EU und China. Trumps Zölle verstoßen jedenfalls klar gegen WTO-Regeln; die abenteuerliche Begründung, europäische Stahl- und Aluimporte gefährdeten die nationale Sicherheit Amerikas, ist nur ein Versuch, die WTO auszutricksen. Die EU muss auch mit Trumps Amerika verhandeln, selbstverständlich. Aber die EU darf keine Verstöße gegen WTO-Recht akzeptieren.

Gleichzeitig ist vor gefährlichen Illusionen zu warnen. Die Volksrepublik China ist kein Ersatz für die USA als Partner. China verstößt noch viel mehr gegen WTO-Vorgaben als Amerika. Und im Inneren verhärtet sich die leninistische Diktatur immer weiter. Partner der Europäer können dagegen andere Opfer der Trump'schen Politik sein, vor allem Kanada.

Das Land ist mit seiner liberalen und sozialen Tradition ohnehin ein natürlicher Partner der Europäer. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet jetzt beim Bundesverfassungsgericht eine Klage mehrerer Verbände gegen das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada liegt. Vielleicht muss es noch ins allgemeine Bewusstsein sinken: Europa ist ziemlich allein auf der Welt und sollte dankbar sein für jeden Partner, der sich der populistischen Welle entgegenstellt.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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