Handel:Kein Kundenansturm auf Einzelhandelsgeschäfte

Lesezeit: 3 min

Menschen gehen durch die Innenstadt. (Foto: Frank Molter/dpa)

Hoffen und Bangen im Handel: Geschäfte haben in Schleswig-Holstein am Montag nach mehrwöchiger Schließung wegen der Corona-Krise unter strengen Auflagen wieder...

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Kiel (dpa/lno) - Hoffen und Bangen im Handel: Geschäfte haben in Schleswig-Holstein am Montag nach mehrwöchiger Schließung wegen der Corona-Krise unter strengen Auflagen wieder geöffnet. Die Kunden reagierten zunächst verhalten. Von einem Ansturm auf Modegeschäfte, Schuh-, Schmuck- und Handyläden konnte nach den Öffnungen am Vormittag nach stichprobenartigen Beobachtungen von Reportern der Deutschen Presse-Agentur nicht die Rede sein.

Die zurückhaltende Reaktion der Kunden überraschte die Händler nicht. „Wir haben erwartet, dass es zögerlich losgeht“, sagt Seniorchef Bernd Witte vom gleichnamigen Modehaus in der Kieler Innenstadt. Aber die Erleichterung sei grenzenlos. „Das war schon frustrierend“, sagt Witte nach der mehrwöchigen Schließung. „Wir hatten null Umsatz.“

So ging es auch dem Kieler Juwelier Torben Happe. Trotzdem befürchtet er, dass die Öffnung der Läden zu früh kommen könnte. „Das sagt mir mein Bauchgefühl.“ Müssten die Restriktionen wegen steigender Corona-Zahlen wieder verschärft werden, wäre alles umsonst gewesen.

Auch der Handelsverband Nord hat die Kundenzurückhaltung erwartet. Auch angesichts von Kurzarbeit sei die Konsumstimmung schlecht, sagte Geschäftsführerin Mareike Petersen der dpa. „Grundsätzlich freuen wir uns riesig über die Geschäftsöffnungen.“ Für die Unternehmen sei es höchste Zeit, viele seien stark insolvenzbedroht. Der Verband schätzt die Einbußen je nicht verkaufsoffenem Tag in Schleswig-Holstein auf 50 Millionen Euro. Die Erfahrungen mit Super- und Baumärkten hätten gezeigt, dass ein Öffnen von Geschäften funktionieren kann, sagte Petersen. „Wir hoffen, dass es jetzt auch darüber hinaus gut funktioniert und sich jeder an die Vorschriften hält, damit wir nicht wieder zurückfahren müssen - das wäre eine Katastrophe.“

Vor dem Kieler Modehaus Meislahn warteten nach Auskunft des Personals vier Kunden auf die Öffnung. „Die haben auch eingekauft“, berichtet Verkäuferin Klara Wackernagel. „Die Masken gehen sehr gut.“ Auch Geschäftsführer Daniel Hacker trägt eine. Wie gut das Geschäft wieder anrollen wird, sei ungewiss.

Wie in Kiel sah es in Lübeck aus: In den Einkaufsstraßen und in den Läden blieb es ziemlich ruhig. Noch weniger war in St. Peter-Ording an der Nordsee los. Hier machten viele Geschäfte nicht auf: Ohne Touristen lohnt sich die Öffnung hier oft nicht.

Anders als andere hat der Kieler Buchhändler Wolfgang Erichsen in den letzten Wochen zumindest etwas Umsatz gemacht: „Die Leute haben bestellt“, erzählt er. „Wir haben sogar viele neue Kunden gewinnen können.“ Ein Umsatzminus von 70 Prozent im April verbucht trotzdem. Der Laden ist kurz nach der Öffnung leer. „Viele sind noch ängstlich und vermeiden unnötige Einkäufe“, sagt Erichsen. Bestellungen gehen telefonisch oder per Mail ein.

Auf der Holtenauer Straße in Kiel mit 150 Läden auf 1500 Metern sind viele Geschäfte wieder geöffnet. Rhodea Sellschopp betreibt mit ihrer Schwester einen Laden für ausgefallene Inneneinrichtung. Mit Glück, sagt sie, fallen die Umsatzeinbußen nur dieses Jahr an. Nur fünf Kunden dürfen gleichzeitig rein. „Es ist wichtig, dass wir Menschen so ein kleines Licht am Ende des Tunnels sehen und sagen, es geht auch langsam vorwärts“, sagt Remzie Doljaku wartend vor dem Geschäft.

Kristina Dembeck macht mit ihrem Bruder die Frühschicht in einem Taschenladen. Die Schließung habe sie genutzt, um alles wieder auf Vordermann zu bringen. Dembeck hofft, dass sich die Menschen an die Hygienemaßnahmen halten. „Ich befürchte, dass sonst die Geschäfte wieder schließen müssen und ich möchte nicht in diese zweite Welle reinkommen“.

Auch in Lütjenburg im Kreis Plön fielen die Freude von Geschäftsinhabern mit der Zurückhaltung von Kunden zusammen. Diese wurden zum Teil aufgefordert, eine Maske zu tragen. „Schön, dass wieder ein bisschen Leben und Abwechslung hier ist“, kommentierte eine 59-Jährige ihren ersten Geschäftsbummel nach der Corona-Zwangspause.

Geschäftsleute bekundeten auch die Hoffnung, dass bald wieder Touristen ins Land dürfen. „Die Touristen müssen wieder kommen dürfen, sonst geht es um die Existenz“, sagte Sport- und Modegeschäftsinhaber Michael Selk. Buchhändlerin Franziska von Ohlen nutzte die Krise auch für Umbau und Vergrößerung ihres Geschäftes. „Ich bin superdankbar, dass wir wieder aufmachen dürfen“, sagt sie. Die Buchhandlung passt vorerst die Geschäftszeiten an und schließt täglich früher. Zugleich läuft der Bestell- und Lieferdienst weiter, der während der Schließung installiert worden war.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: