Gerangel bei der EZB:Und die wollen den Euro retten?

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Nord gegen Süd, Mann gegen Frau, klein gegen groß: In der Europäischen Zentralbank kämpfen die Länder um wichtige Posten. Schuld an der Eskalation des Streites ist ein Spanier.

Javier Cáceres, Helga Einecke und Alexander Hagelüken

Der Spanier José Manuel González-Páramo hat einen sehr wichtigen Job. Unter seiner Regie kauft die Europäische Zentralbank (EZB) Woche für Woche Milliarden an Staatsanleihen. Sein Vertrag als EZB-Direktoriumsmitglied endet im Juni, aber er könnte eher in seine Heimat zurückkehren. Denn die künftige konservative Regierung braucht neue Köpfe. González-Páramo gilt in Madrid als eine Art spanischer Bundesbanker, weil er immer wieder auf das EZB-Mandat verweist, wenn das Land nach Eingriffen der Notenbank lechzt. Und er dürfte in Berlin gut ankommen, was für Madrid auch wichtig ist.

Sein Abgang aber weckt Begehrlichkeiten. Kleine Länder wie die Niederlande, Österreich oder Finnland haben das Gefühl, dass es der EZB-Spitze an Balance fehlt. Die eher stabilitätsorientierten Länder des Euro-Raums seien an den Schalthebeln der Währungsmacht nicht ausreichend vertreten, ist aus den Hauptstädten zu hören.

Und zahlenmäßig haben sie recht: Das sechsköpfige Direktorium besteht derzeit aus vier Männern aus Euro-Problemstaaten (Italien, Portugal, Spanien und Belgien), Frankreich stellt ebenfalls ein Mitglied - und mit Deutschland ist nur ein stabilitätsorientiertes Land vertreten. Das wollen die kleineren Staaten ändern. Sie wollen verhindern, dass die spanische Regierung González-Páramo 2012 einfach durch einen neuen Mann ersetzt. Erst recht nicht an der Stelle, die über den politisch brisanten Ankauf von Staatsanleihen entscheidet - der zur Rettung des Euro stark ausgeweitet werden könnte, wenn sich zum Beispiel die Franzosen durchsetzen.

Die Spanier pochen aber auf den Posten. Der künftige Regierungschef Mariano Rajoy sagt, die Stimme Madrids müsse gehört werden. Die Spanier haben das ungeschriebene Gesetz auf ihrer Seite, wonach die vier größten Euro-Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien jeweils einen der sechs Direktoriumsposten belegen. Der Konflikt kleinere Staaten gegen die vier großen schwelt seit dem Start der Währungsunion. Immerhin kam der erste EZB-Präsident aus den Niederlanden. Nur die Gründungsmitglieder Luxemburg und Irland gingen bisher leer aus.

Mit der Euro-Krise haben sich neue Gräben aufgetan. Inzwischen spalten sich die Mitglieder der Währungsunion in Nord und Süd auf. Der Norden soll für Stabilität, weniger Schulden und eine strenge Geldpolitik stehen, der Süden für Schuldenmachen und eine laxe Haltung gegenüber der Inflation. Im Juni 2010 wurde der Portugiese Vitor Constâncio zum Vizepräsidenten bestimmt, um dem Deutschen Axel Weber den Weg ins Präsidentenamt zu ebnen. Daraus wurde nichts, weil Weber hinwarf, der Italiener Mario Draghi leitet nun die EZB.

Das fatale Ergebnis aus Sicht mancher Nordländer: Eine Doppelspitze aus Italien und Portugal, also dem schuldengeplagten Süden. Dazu noch ein Spanier? Nein, heißt es im Norden. Es müsse eine offene Diskussion geben, wer den Job kriegt, heißt es glasklar aus einigen Hauptstädten, auch wenn sich die Regierungen offiziell nicht äußern und noch keinen eigenen Kandidaten ins Spiel bringen. Sie wissen: Die Entscheidung über González-Páramos Posten ist auf Jahre die letzte, mit der sich die Machtverhältnisse bei der EZB beeinflussen lassen. Alle fünf anderen Mitglieder haben langfristige Mandate, der nächste Posten wird erst im Mai 2018 frei.

Wer folgt dem Chefökonomen Stark?

Zu den Konflikten zwischen klein und groß, Nord und Süd könnte bald ein dritter hinzukommen: Mann gegen Frau. Denn erstmals besteht das sechsköpfige Gremium derzeit nur aus Männern, bis Juni war stets eine Frau dabei. Deshalb könnten etliche Politiker darauf pochen, als nächstes wieder eine weibliche Führungskraft in der EZB zu etablieren.

Im Vertrag von Maastricht spielen Nationalität, Himmelsrichtung und Geschlecht keine Rolle. Weil aber die Regierungschefs die EZB-Posten vergeben, ist es eben nicht egal, woher die Kandidaten kommen. Paradebeispiel ist der Italieners Lorenzo Bini Smaghi. Er muss auf Druck Frankreichs seinen Posten weit vor Vertragsende räumen. Seit dem Ausscheiden von Ex-Präsident Jean-Claude Trichet sitzen zwei Italiener in der Euro-Chefetage, aber kein Franzose. Inzwischen hat Paris Benoit Coeuré berufen.

Mit ihm geht, auch vorzeitig, der Deutsche Jürgen Stark, weil er den Kurs der Notenbank nicht länger mittragen will. Sein Nachfolger wird Staatssekretär Jörg Asmussen. Nun gibt es einen Machtkampf zwischen Deutschland und Frankreich um das prestigeträchtige Amt des Chefökonomen, das bisher Stark innehatte.

© SZ vom 03.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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