Genetisch veränderte Lachs-Eier:Monsterfisch

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Rotlachse am Grund des Fraser-Flusses im kanadischen British Columbia (Symbolbild) (Foto: dpa)

Mmmmh, lecker? Kanadas Regierung genehmigt die kommerzielle Produktion von genetisch veränderten Lachs-Eiern. Die USA überlegen nun, ob sie den Fisch als Nahrungsmittel zulassen. Konsumentenschützer sind entsetzt. Einige Unternehmen wittern gute Geschäfte.

Von Bernadette Calonego, Vancouver

Es ist ein unscheinbares graues Gebäude auf einer kleinen kanadischen Insel namens Prince Edward Island. Schilder am Drahtzaun warnen vor Video-Überwachung. Wenn ungebetene Besucher vor dem Labor in Ozeannähe auftauchen, gehen Sirenen los. Das hier ist ein guter Ort, um etwas vor der Weltöffentlichkeit - und vor Demonstranten - zu verstecken.

Aus diesem Labor außerhalb des winzigen Fischerdorfes Bay Fortune kommen die Eier des ersten genetisch veränderten Lachses. In Nordamerika nennt man den Gen-Lachs "Frankenfish", in Anlehnung an die Romanfigur Frankenstein - dank zwei neuer Gene wächst der veränderte Fisch doppelt so schnell wie ein normaler Lachs.

Die Gen-Lachse, die in den verborgenen Tanks aus Fischeiern schlüpfen, sollen bald unter dem Namen "AquAdvantage" auf unseren Tellern landen, wenn es nach dem Plan der US-Biotechnologie-Firma Aquabounty geht, der das Labor gehört. Aquabountys Antrag liegt der amerikanischen Lebensmittelbehörde Food and Drugs Administration (FDA) vor. Es wäre das erste gentechnisch veränderte Tier, das in den Läden verkauft würde. Aquabounty hat gerade einen wichtigen Sieg errungen: Das kanadische Umweltministerium erlaubt der US-Firma, zumindest die genveränderten Lachseier kommerziell herzustellen.

Es ist die erste Regierung, die Aquabounty eine solche Genehmigung erteilt. Aber gegen den Turbo-Lachs gibt es viel Widerstand. Deshalb züchtet Aquabounty den Frankenstein-Fisch in dieser abgelegenen Ecke Kanadas - weil hier die Gesetze weniger streng als in den USA sind. Zwei kanadische Wissenschafter der Memorial University in St. John's (Neufundland) entwickelten 1989 als Erste den genetisch veränderten Lachs: Einem Atlantischen Lachs bauten sie ein Gen des Königslachses ein, das den Fisch schnell wachsen lässt, weil er ständig frisst. Ein weiteres Gen des Meeres-Dickkopfes - das ist ein Fisch, der einem Aal ähnlich sieht -, macht es jetzt möglich, dass der Turbo-Lachs auch in sehr kalten Gewässern existieren und wachsen kann.

Journalisten, die Aquabountys Labor auf Prince Edward Island von innen sehen möchten, wird der Zutritt verwehrt. Besucher könnten das Labor kontaminieren, begründet die Firma ihre Ablehnung. Investoren sollen rund 60 Millionen US-Dollar in das Projekt gesteckt haben.

Der Gen-Lachs hat viele Gegner. Im Rahmen einer Anhörung der US-Lebensmittelbehörde erhielt das FDA 36.000 Kommentare von amerikanischen Bürgern; die meisten sprachen sich gegen den Gen-Fisch aus. Das ist beachtlich: In den USA sind viel mehr gentechnisch veränderte Lebensmittel zugelassen als in Europa. Die meisten Konsumenten sind sich dessen nicht bewusst. Aber der Frankenstein-Fisch ist eine andere Sache, denn hier handelt es sich erstmals nicht um eine Pflanze - sondern um ein Tier.

Große US-Lebensmittelketten wie Trader Joe's, eine Tochtergesellschaft der deutschen Supermarktkette Aldi, und die Ökoladenkette Whole Foods haben bereits angekündigt, dass sie keine gentechnisch veränderten Meeresfrüchte und Fische verkaufen werden. Die amerikanischen Lachsfischer wehren sich vehement gegen den Frankenstein-Fisch. Und im US-Kongress hat ein Komitee ein Gesetz vorbereitet, dass die Verbreitung des Gen-Lachses verbieten soll.

Auch auf Prince Edward Island gibt es eine kleine Gruppe von Gegnern. Sharon Labchuck ist die Wortführerin von "Die Inselbewohner sagen Nein zum Frankenfish". Als sie einen amerikanischen Senator aus Alaska zum Labor von Fortune Bay führte, habe die Firma Aquabounty die Sirenen heulen lassen, um die Besucher einzuschüchtern, erzählt sie. Die Eier des Gen-Lachses, die dort produziert werden, werden im Anschluss nach Panama geschickt, wo die Frankenstein-Fische von einer anderen Firma großgezogen werden. "In Kanada war der ganze Prozess sehr geheim", sagt Labchuck. "Wir wussten nicht einmal, ob Aquabounty einen Antrag auf den kommerziellen Gebrauch dieser Eier gestellt hatte." Auch in Panama legt die Regierung dem umstrittenen Experiment keine Steine in den Weg, im Gegenteil.

Die Umwelt- und Tierschützer befürchten, dass Gen-Lachse aus den Zuchtanlagen entwischen und die einheimische Lachspopulation in einigen Jahren ausradieren könnten. Der "Frankenfish" ist wegen seiner neuen Erbanlagen viel stärker als die Wildlachse und könnte sie leicht verdrängen. Unrealistisch ist das nicht: Auf der ganzen Welt entkommen immer wieder Tausende Zuchtlachse ihren Gehegen und gelangen ins offene Meer.

Die gentechnisch veränderten Lachse sollen zwar in Becken auf dem Land gezüchtet werden. Aber selbst dann besteht die Gefahr, dass solche Lachse in Flüsse gelangen und vor dort ins Meer, denn sie können auch im Süßwasser überleben. Aquabounty behauptet, man züchte ohnedies nur Weibchen, die unfruchtbar seien. Aber die New York Times fand heraus, dass fünf Prozent der Weibchen immer noch fruchtbar sind.

Noch ist offen, ob und wann der Fisch in die Läden kommt. Das FDA befasst sich schon seit 18 Jahren mit dem Antrag von Aquabounty, den Fisch als Nahrungsmittel zuzulassen. Es ist eine schwierige Entscheidung, weil es sich um einen Präzedenzfall handelt. Anfang dieses Jahres erklärte die Behörde aber, dass sie den Gen-Lachs für sicher hält. Erhält der Frankenstein-Fisch grünes Licht vom FDA, dann wollen andere Firmen das Fleisch von gentechnisch veränderten Rindern, Hühnern oder Schweinen verkaufen. Auch davor fürchten sich Konsumentenschützer.

Die Firma Aquabounty selbst erklärt, der genetisch veränderte Lachs sei die Lösung für die Überfischung der Weltmeere, und er könnte preisgünstiger als wilder Lachs sein. Aber die Fischzuchtindustrie in Kanada ist vom Gen-Lachs nicht begeistert. "Industrievertreter sagen, sie wollen den Gen-Lachs nicht züchten, weil es keinen Markt dafür gebe", sagt Sharon Labchuck. Falls der Gen-Lachs trotzdem vom FDA zugelassen wird, stellt sich auch die Frage, ob und wie er gekennzeichnet würde. Ob die Konsumenten also wenigstens wissen, was da auf ihren Tellern landet.

© SZ vom 02.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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