Gema-Gebühren:Wieso manche Weihnachtsmärkte die Musik auslassen

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Christkindlmarkt in Regensburg. Dort verzichten die Veranstalter auf gebührenpflichtige Musik. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Auf einigen Adventsmärkten treten in diesem Jahr keine Chöre und Musikgruppen mehr auf - die Gema-Gebühren sind den Städten zu teuer.

Von Benjamin Emonts

Alle Jahre wieder, an Weihnachten, beginnt die "stade Zeit", wie man in Bayern sagt. Um das Fest herum besinnen sich die Leute dann auf so Dinge wie Nächstenliebe und die innere Einkehr, und manchmal gehen sie abends noch auf zwei, drei Glühweine auf einen Christkindlmarkt, während im Hintergrund gediegen "Last Christmas" oder "Jingle Bells" läuft. Wobei das mit der Musik nicht mehr selbstverständlich ist. Einige Städte haben an diesem Montag den "Tag der Stille" auf ihren Weihnachtsmärkten proklamiert, nachdem ihnen von der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz Gema, aus ihrer Sicht zu hohe Rechnungen gestellt worden sind. Sie lassen die Musik aus Protest für mehrere Stunden aus. Auf ihren Bühnen treten keine Chöre und keine Musikgruppen auf.

An der Protestaktion beteiligen sich unter anderen die Märkte in Dresden, Erfurt, Magdeburg, Leipzig, Hannover und Rostock. Laut den Veranstaltern waren die Gema-Gebühren im vergangenen Jahr dort teils um das Sechs- bis Siebenfache gestiegen. Im oberpfälzischen Regensburg führte diese Situation gar zu einer Premiere. Die berühmten Domspatzen sangen zum Auftakt des mehr als 200 Jahre alten Christkindlmarkts lediglich Lieder, die keine Gebühren kosten, sprich von Interpreten, die seit mindestens 70 Jahren tot sind. Dann nämlich erlischt das Urheberrecht. Eines der Lieder stammte aus der Feder von Georg Friedrich Händel.

15 000 Euro müsste Regensburg zahlen

In Regensburg verzichten sie diesmal ganz auf gebührenpflichtige Musik. Stadtrat Walter Boeckh erklärt am Telefon auch den Grund. Bis vor Kurzem habe die Stadt bei der Gema lediglich eine "Beschallungsfläche" von 180 Quadratmetern angegeben, das sei so stets akzeptiert worden. Die jährlichen Gema-Kosten lagen bei rund 2200 Euro. Doch nun lege die Gema die "Veranstaltungsfläche" von 4000 Quadratmetern zugrunde, die Kosten hatten sich im vergangenen Jahr somit auf 15 000 Euro mehr als versiebenfacht. Selbst wenn das Flötenensemble aus dem Kinderheim auf der Bühne spiele, koste das 600 Euro am Tag. Die Laienmusiker, die auf dem Markt spielen, müssten sich dagegen mit rein symbolischen Honoraren begnügen. In Regensburg empfindet man die Kosten als "unverhältnismäßig".

Die Gema aber weist die Vorwürfe zurück. Die Gebühren würden seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2011 stets anhand der Veranstaltungsfläche berechnet. Den Tarif, der auch für Stadtfeste und andere Veranstaltungen gilt, habe die Gema mit der "Bundesvereinigung der Musikveranstalter" (BVMV) bereits im Jahr 2018 ausgehandelt, er habe sich seither nicht mehr geändert. Mit am Verhandlungstisch habe auch der Deutsche Städtetag gesessen, er habe die Städte über die Anwendung des Tarifs nicht ausreichend informiert, kritisiert die Gema. Dass die Kosten mancherorts deutlich steigen, liege daran, dass viele Märkte deutlich gewachsen seien. Manche Betreiber haben demnach bewusst oder unbewusst falsche Angaben gemacht: "Einige große, umsatzstarke Märkte haben uns deutlich zu kleine Flächen gemeldet", sagte Georg Oeller aus dem Gema-Vorstand dem NDR. Anders als früher werde dies mittlerweile verstärkt durch Stichproben kontrolliert.

Die Klassiker bleiben kostenfrei

Über die Verhältnismäßigkeit von alldem lässt sich freilich streiten. Als besonders teuer empfindet die Gema die Kosten jedenfalls nicht. Pro Besucher beliefen sie sich umgerechnet auf 2,5 Cent, wobei jeder im Schnitt 18 Euro Umsatz auf einem Weihnachtsmarkt ausgebe, rechnet die Gema. Weihnachtsmärkte seien nun mal wirtschaftlich relevante Veranstaltungen, die Musik steigere die Stimmung und auch den Umsatz. Es sei angebracht, auch die Leistung der Komponisten und Textdichter zu honorieren. Außerdem habe sich die Gema mit den meisten der bundesweit mehr als 3300 Märkte einvernehmlich geeinigt. Mit Regensburg jedoch nicht. Dort will man lieber an der Musik sparen als an anderen wichtigen Projekten. "Die öffentlichen Kassen werden bekanntlich knapper", sagt Stadtrat Boeckh.

Ganz musiklos sind Christkindlmärkte wie in Regensburg übrigens nicht. Die einzelnen Standbetreiber haben eigene Vereinbarungen mit der Gema. "Sie spielen Musik aus der Konserve und zahlen dafür 45 Euro pro Tag", sagt Stadtrat Boeckh. Einen großen Einfluss auf die Stimmung am Markt hat er bislang nicht wahrgenommen. "Die Leute sind genauso fröhlich wie früher." Und falls doch etwas fehlt: Für jahrhundertealte Weihnachtsschlager wie "O Tannenbaum" (anno 1615) oder "Ihr Kinderlein, kommet" (1808) fallen keine Gema-Gebühren an - zumindest, wenn sie ein Chor oder eine Sängerin nach Originalnoten live singt.

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