Debatte um Gehälter:Bonus statt Kürzung

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Die Debatte über das Zusammenspiel von Wohnort und Gehalt wird von der falschen Perspektive aus geführt. Wenn eine Firma die Angestellten an einem bestimmten Ort haben will, sollte sie dafür bezahlen.

Von Jürgen Schmieder

Es ist eigentlich recht einfach: Wenn Arbeitgeber wollen, dass Angestellte ihre Tätigkeit an einem bestimmten Ort ausüben, dann schaffen sie oftmals Anreize, damit sich möglichst qualifizierte Leute auf diese Stelle bewerben - intern wie extern. Das kann ein höheres Gehalt sein, Zuschuss zu Miete und anderen Lebenshaltungskosten, Übernahme der Ausgaben für Umzug und Reisen. Das beschränkt sich jedoch meist auf Tätigkeiten an Orten abseits der Firmensitze, ansonsten gilt: Wer die Stelle in München will, soll gefälligst nach München ziehen oder pendeln. In den USA: Wer den Silicon-Valley-Job will, lebt im Techniktal, wo die Miete für ein Wohnklo so hoch ist wie anderswo für eine Villa.

Es ist eine Debatte entbrannt um die Pläne von Facebook, Google und anderen Unternehmen, Angestellten weniger Gehalt zahlen zu wollen, sollten die sich dazu entscheiden, künftig nicht mehr in Büros im Silicon Valley zu arbeiten - sondern von daheim aus, nach einem Umzug in womöglich günstigere Gegenden. Die Debatte ist richtig und wichtig, jedoch wird sie von der falschen Perspektive aus geführt.

Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten, und sollte jemand seine Aufgaben von daheim aus genauso gut (oder sogar besser) erledigen, haben Konzerne kein Recht, das Gehalt zu kürzen. Sie dürfen sich nicht einmischen in die Wahl des Wohnortes. Andersherum gilt aber auch: Das für das Silicon Valley verhandelte Gehalt gilt erstmal nur dort; sollte die Arbeit durch den Umzug beeinträchtigt werden, muss es neu verhandelt werden. Die pauschale Anpassung an den, wie Google schreibt, "jeweiligen Markt" für bereits bestehende Verträge ist nicht zielführend, zumal es diesen Markt bei manchen Berufen nicht mehr gibt, und es führt zu dem, was Google schon lange praktiziert.

Den Wohlfühlcampus in Mountain View gibt es nicht nur, weil der Konzern will, dass sich seine Mitarbeiter, nun ja, wohlfühlen. Geschäftsführer Sundar Pichai sagt: "Seit mehr als 20 Jahren kommen Mitarbeiter in die Büros und lösen Probleme - im Café, bei einer Besprechung oder während eines Beachvolleyball- oder Cricket-Spiels." Also: Wer kostenloses (und übrigens köstliches) Abendessen im Googleplex bekommt, bleibt länger auf dem Campus. Wer mit Kollegen spielt oder sie im Fitnessstudio trifft, redet dabei auch mal über die Arbeit. Es ist letztlich nichts anderes als ein Bonus, den Google all jenen offeriert, die ein bisschen länger an dem Ort bleiben, an dem Google sie haben will.

Es gibt vernünftige Gründe für das Home-Office

Es gibt, das hat sich während der Pandemie gezeigt, vernünftige Gründe, den Angestellten die Arbeit im Home-Office und flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen; manche sind nun mal nicht von 9 to 5 produktiv, sondern von 3 to 11. Viele haben zusätzlich bemerkt, wie effizient sie sind, wenn nicht dauernd ein Kollege an der Tür klopft oder das nächste Meeting wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebt - und dass eine E-Mail oder ein Telefonat zum Informationsaustausch völlig ausreichend ist. Dazu ist es volkswirtschaftlich und gesellschaftlich durchaus wünschenswert, dass nicht alle Besserverdiener in den Metropolen leben.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass kreative Ideen nicht in Videokonferenzen entstehen, sondern beim Plausch auf dem Flur, und zahlreiche Probleme nicht am Bildschirm gelöst werden, sondern, wie Pichai sagt, in der Cafeteria oder auf dem Beachvolleyball-Feld. Es gibt also Gründe fürs Büro als Treffpunkt - nur: für wen? Meist liegen die Vorteile der Anwesenheit beim Arbeitgeber.

Es ist ein völlig neuer Markt entstanden bei Berufen, die keine Anwesenheit erfordern und deshalb nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden sind. Dieser Markt ist sehr viel größer, das Gehalt sollte sich daran orientieren. Ein Programmierer, der zum Beispiel von überall in Deutschland aus arbeiten kann, sollte ohne Kürzung das Gehalt bekommen, das ein Programmierer hierzulande nun mal verdient. Die Perspektive der Debatte sollte nicht sein: Wo wohnt jemand? Sondern: Will der Arbeitgeber, dass die Angestellten ins Büro kommen - ob das nun in München, Mountain View oder Mistelbach ist? Wer Mitarbeiter ohne triftigen Grund an einem bestimmten Ort haben will, der sollte das mit einem Bonus honorieren.

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