Rubel, Euro oder doch ein verkappter Tausch: Tagelang herrschte große Verwirrung, wie westliche Käufer künftig russisches Gas bezahlen können. Nun hat der Kreml in einem Dekret den Mechanismus klargestellt. Im Endeffekt müssen westliche Käufer in russischer Landeswährung zahlen, erst wenn Rubel auf den Konten des Gaslieferanten angekommen sind, gilt die Lieferung als bezahlt.
Der neue Mechanismus sorgte in den Konzernzentralen und im politischen Berlin für große Verwirrung, ist im Dekret des Kremls aber unmissverständlich ausgeführt: Erst müssen westliche Kunden ein Fremdwährungskonto bei der Gazprombank eröffnen und dort zum Beispiel Euro oder Dollar einzahlen. Dann eröffnen sie ein zweites Konto bei der Gazprombank, das auf Rubel lautet. In einem dritten Schritt muss der westliche Kunde den Währungstausch aktiv veranlassen. "Dazu braucht es den ausdrücklichen Auftrag des Kunden", sagt Russlandprofessor Alexander Libman von der Freien Universität Berlin.
Mit dem Dekret ist die zuvor diskutierte Variante vom Tisch, dass westliche Kunden lediglich Dollar oder Euro nach Russland überweisen - und ein möglicher Währungstausch ohne Wissen des Kunden später stattfindet. "Das ist kein Gesetz, das ist ganz einfach Erpressung", sagt der ehemalige russische Notenbanker Sergej Alexaschenko der SZ.
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich in einer ersten Reaktion auf Twitter eher schwammig: "Die Zahlung der russischen Gaslieferungen findet entsprechend der laufenden Verträge in Euro oder Dollar statt." Auch wenn man daraus nur bedingt eine eindeutige Zustimmung zum Verfahren des Kremls lesen kann, eine klare Ablehnung hört sich anders an.
Für die deutschen Großkunden von Gazprom dürfte sich technisch zunächst wenig ändern: Statt die eigene deutsche Hausbank anzuweisen, das Geld direkt an Gazprom zu zahlen, würden nun die beiden russischen Konten zwischengeschaltet. Ob die Konzerne allerdings bereit sind, diesen Weg zu gehen, ist unklar. Der Düsseldorfer Energieriese Uniper wollte das neue Dekret am Freitag ebenso wenig kommentieren wie der Leipziger Gaskonzern VNG.
Die ökonomische Logik hinter dem Dekret ist unter Experten umstritten: Manche hatten gemutmaßt, Putin wolle damit den Kurs der Landeswährung Rubel stützen. Bereits jetzt müssen russische Unternehmen Einnahmen in fremden Währungen jedoch binnen drei Tagen zu 80 Prozent in Rubel umtauschen. Mit dem neuen Dekret würden mit Blick auf den Gasriesen Gazprom dann 100 Prozent in Rubel getauscht. "Für den Kurs des Rubel ist das relativ egal", sagt Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank.
Für den Kreml hat das neue Vorgehen einen ganz anderen Vorteil: Russland kann damit besser sicherstellen, dass das Geld überhaupt im Land ankommt. Hätten westliche Gaskäufer ihre Dollar- oder Eurosummen hierzulande vor einer Überweisung in Rubel tauschen müssen, hätte das Geld im Finanzsystem möglicherweise leichter zur Zielscheibe von Sanktionen werden können. "Putin hat offenbar Angst gehabt, dass das Geld dann eingefroren werden könnte", sagt Russlandprofessor Libman.
Noch fließt das russische Gas ungehindert gen Westen. Am Freitag habe Gazprom rund 108 Millionen Kubikmeter Gas durch das Leitungssystem gepumpt, sagte ein Konzernsprecher. Auch der Lagebericht der Bundesnetzagentur meldete "keine besonderen Vorkommnisse". Experten rechnen damit, dass der neue Mechanismus erst nach einer Übergangsfrist von rund zwei Wochen wirklich greifen soll.