So eine Gläubigerversammlung ist eine spezielle Veranstaltung, das ist auch an diesem Montag in der Essener Grugahalle nicht anders. Für Menschen, die nicht vom Fach sind, wirkt das alles wie Erpressung. Friss oder stirb, das ist im Grunde das Spektakel, das in der Messehalle zwischen zwei Parteien aufgeführt wird. Die eine heißt verwirrenderweise Schuldnerin und ist der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof beziehungsweise der dahinterstehende Inhaber René Benko. Über die beiden weiß die andere Seite, dass sie niemandem etwas schulden und dass da kaum etwas zu holen ist. Höchstens ein klein bisschen.
Die andere Seite, das sind die Gläubiger. Von ihnen waren etwa 40 Vertreter erschienen, darunter Mitarbeiter, Lieferanten, Vermieter, vor allem aber einer: der Staat, vertreten durch die Finanzagentur des Bundes. Er war der größte Gläubiger, weil er Galeria in den vergangenen zwei Jahren mit insgesamt 680 Millionen Euro geholfen hat. Hinzukommen noch andere Leistungen, die in die Summe nicht inbegriffen sind, wie Kurzarbeitergeld oder die Übernahme der Personalkosten in den vergangenen Monaten.
Von dem Geld der Gläubiger bleibt nun nicht viel übrig. Dem Vernehmen nach werden von den 680 Millionen Euro Staatshilfe nun noch etwa 90 Millionen Euro übrigbleiben. Aber auch über diese 90 Millionen darf man sich nicht hinwegtäuschen. Galeria teilte kurz nach Ende der Veranstaltung, die keine zwei Stunden dauerte, mit: "Zur Befriedigung der Gläubiger stehen 50 Millionen Euro zur Verfügung." Der Staat wird demnach seinen Anteil aus dem 50-Millionen-Euro-Topf erhalten. Auf die 90 Millionen Euro kommt er bestenfalls über den Verkauf von Sicherheiten, etwa von Warenbeständen oder Markenrechten.
Das Wort "Befriedigung" heißt nicht, dass die Gläubiger tatsächlich befriedigt oder gar zufrieden wären. Sie hatten kaum eine andere Wahl. Hätten sie dem Vorschlag der Schuldnerin nicht zugestimmt, wäre ihnen womöglich gar nichts geblieben. Das war jedenfalls die Drohkulisse, mit der die Schuldnerin auffahren konnte. So verzichteten die Gläubiger insgesamt auf Geldforderungen gegenüber der Schuldnerin in Milliardenhöhe - und das schon das zweite Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren.
2020 war Galeria, kurz nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof, das erste Mal insolvent. Ende Oktober 2022 hatte das Warenhaus dann trotz der üppigen Staatshilfe wieder Insolvenz angemeldet. Dazwischen lagen staatlich verhängte Corona-Lockdowns, die das Warenhaus schwer trafen und dem Konzern Millionen Euro Umsatz kosteten. Laut Insolvenzplan wuchsen die Erlöse wieder, nachdem die Zwangsschließungen beendet worden waren. Zur Auszahlung der 50 Millionen Euro bedarf es nun noch der Zustimmung des Amtsgerichts Essen - was als Formalie gilt.
Damit ist der Schlussakt des Schauspiels Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung aber noch nicht ganz zu Ende. Gleichwohl wurde einer der Höhepunkte an diesem Montag mit der Gläubigerversammlung erreicht. Dazu gehört auch die Bekundung des guten Willens der Schuldnerin. Sie gelobt als Gegenleistung für den Verzicht der Gläubiger, nun selber bereit zu sein, in die Zukunft des Unternehmens zu investieren. "Auch wird der Galeria-Gesellschafter seine Zusage einlösen, die Sanierung des Unternehmens mit Investitionen von bis zu 200 Millionen Euro zu unterstützen", heißt es in einer Pressemitteilung.
Menschen, die das Schutzschirmverfahren 2020 bereits beobachten durften, könnte das bekannt vorkommen. Schon damals verzichteten die Gläubiger auf 2,2 Milliarden Euro, und schon damals versprach Benko Millionen zu investieren. Die tatsächlichen Geldflüsse sind schwer nachzuvollziehen. Zudem kam Corona dazwischen. Einzelne Filialen wurden aber modernisiert.
Damals versprach auch Galeria-Chef Miguel Müllenbach, das Warenhaus an die Spitze der erfolgreichen Unternehmen im Einzelhandel zu katapultieren. So ähnlich klingt das auch heute wieder. Daraus wurde bekanntlich nichts, und auch Müllenbach muss nun abtreten. Ob bald wieder eine Insolvenz mit finalem Spektakel in der Grugahalle ansteht? Man darf gespannt sein.