Handynetze:Wie Mobilfunkanbieter gegen die Politik kämpfen

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Für datenhungrige Geräte wie Virtual-Reality-Brillen soll 5G enorme Fortschritte bringen. (Foto: imago/Xinhua)
  • Der Mobilfunk-Standard 5G gilt als Grundlage für die digitale Zukunft. Doch um die Vergabe der Lizenzen ist Streit entbrannt.
  • Nach Vodafone und Telefónica geht nun auch die Telekom mit einem Eilantrag gegen die Auktionsbedingungen vor.
  • Zudem diskutiert die Politik, den chinesischen Konzern Huawei auszuschließen - aus Angst vor Spionage. All das verzögert den Start von 5G.

Von Benedikt Müller, Bonn

Tim Höttges weiß, wohin er den Mobilfunk der Zukunft bringen will: Wo viele Menschen auf knappem Raum sind, wo moderne Fabriken stehen, wo viele Autos fahren, sagt der Chef der Deutschen Telekom, "da sehen wir den primären, ersten Anwendungsfall für das neue 5G-Netz." Dieser Funkstandard kann viel mehr Daten übertragen als die bislang schnellste Technik 4G - und das nahezu in Echtzeit. Mithin gilt 5G als Voraussetzung für autonome Fahrzeuge oder Roboter in den Fabriken, die unaufhörlich Daten austauschen.

Doch um die Frage, wie 5G hierzulande ankommen soll, ist Streit entbrannt: Zum einen gehen Netzbetreiber gegen Auflagen vor, die der Staat mit der Vergabe neuer Frequenzen verbindet. Die Klagen könnten den Start von 5G verzögern. Zum anderen diskutiert die Politik, Technik des chinesischen Konzerns Huawei aus dem Netz der Zukunft zu verbannen. In dem Fall befürchten Mobilfunkanbieter höhere Preise für Funktechnik oder gar Lieferprobleme.

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Die Zeit drängt jedenfalls: Der Bund will im März erste Frequenzen versteigern, die für 5G geeignet sind. Doch geht - nach Vodafone und Telefónica ("O₂") - nun auch die Telekom mit einem Eilantrag gegen die Auktionsbedingungen vor. "Wir glauben, dass die Auflagen teilweise unrealistisch sind", sagt Höttges am Donnerstag.

Tatsächlich hat die Politik auf den letzten Metern Auflagen für jene Anbieter verschärft, die 5G-Frequenzen ersteigern: Sie müssen ihre Netze so ausbauen, dass bundesweit 98 Prozent der Haushalte bis Ende 2022 mindestens 100 Megabit pro Sekunde laden können. Zeitgleich muss der schnelle Mobilfunk entlang von Autobahnen, wichtigen Bundesstraßen und Bahnstrecken angekommen sein.

"Im ländlichen Raum würde der Ausbau zum Stillstand kommen"

Doch befürchtet Höttges etwa, dass die Telekom nicht rechtzeitig genug Antennen bauen könnte. Zwar hat der Konzern allein im vergangenen Jahr 1300 neue Mobilfunkstationen in Deutschland ans Netz gebracht. Hunderte geplante Standorte steckten aber in langen Genehmigungsverfahren fest; oder Bürgerinitiativen blockierten sie aus Sorge vor Strahlenbelastung oder der Umwelt. Die Telekom schätzt, dass sie bis 2025 brauchen wird, um 99 Prozent der Bevölkerung mit 5G zu versorgen.

Dazu kommt: "Wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen wir dann diese Mobilfunkantennen aufbauen werden", so Höttges. Denn die Politik diskutiert derzeit eine Pflicht zum nationalen Roaming. Das bedeutet, dass jeder Anbieter seine Antennen auf dem Land für Konkurrenten öffnen müsste, die dort kein schnelles Netz haben.

"Im ländlichen Raum würde der Ausbau zum Stillstand kommen", warnt Höttges. Denn wer in einem solchen weißen Flecken eine Antenne baut, hätte bei verpflichtendem Roaming keinen Wettbewerbsvorteil mehr, müsste aber alle Fixkosten tragen. Das sei "investitionsfeindlich". Der Telekom-Chef spricht sich eher für einen gemeinschaftlichen Ausbau in Landstrichen aus, in denen der sich für einen einzelnen Anbieter nicht rechnen würde. Dann könnte jeweils das Unternehmen, das mit dem wenigsten Fördergeld auskommt, die eine neue Mobilfunkstation für alle ausbauen. Damit die 5G-Auktion pünktlich beginnen kann, müsste das Verwaltungsgericht Köln derlei Argumente entkräften und die Eilanträge ablehnen. Immerhin haben die Richter am Donnerstag entschieden, dass der Staat die ersten 5G-Frequenzen grundsätzlich über eine Versteigerung vergeben darf. Damit wies das Gericht eine frühere Klage von Telefónica ab. Die Telekom bereitet sich weiter darauf vor, dass die Auktion noch rechtzeitig stattfinden kann. "Wir machen unser Netz fit für 5G", sagt Höttges.

Freilich braucht es dafür auch Ausrüstung. Die bezieht die Telekom bislang von mehreren Anbietern: Ericsson aus Schweden etwa, Nokia aus Finnland, Cisco aus den USA - und eben Huawei. "Wir sind nicht abhängig von einer Infrastruktur", sagt Höttges. Doch werfen vor allem die USA Huawei eine Nähe zur Regierung in Peking vor und warnen vor möglicher Spionage. Der Konzern weist den Vorwurf zurück.

Manch einer befürchtet, dass die Kapazitäten ohne Huawei nicht ausreichen

Gleichwohl verbannen erste Staaten Technik der Chinesen aus dem Netz der Zukunft. Das sei - auch in Deutschland - ein sehr politischer Prozess, sagt Höttges und fügt nur einen Satz an: "Ich halte den Aufbau des 5G-Netzes und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes auch für ein wichtiges Argument." In der Branche gilt Huawei nämlich nicht nur als günstiger Technologieführer und größter Anbieter. Manch einer befürchtet auch, dass Funktechnik teurer würde und die Kapazitäten der Konkurrenz nicht ausreichen könnten, falls Huawei als Lieferant ausscheiden sollte.

Einzig in den USA hat sich die Telekom festgelegt: Dort will sie im 5G-Netz auf Technik der Chinesen verzichten. Schließlich will Höttges auf keinen Fall "den großen Deal" gefährden, wie der Vorstandschef ihn nennt: Für mehr als 20 Milliarden Euro will die Tochter T-Mobile US mit dem Konkurrenten Sprint fusionieren, um zu den Marktführern AT&T und Verizon aufzuschließen. Höttges war in der vergangenen Woche in Amerika, um alles dafür zu tun, "dass wir diese Genehmigung bekommen." Mit wegweisenden Entscheidungen rechnet er noch in der ersten Jahreshälfte. "Wir sind zuversichtlich, die Genehmigungsverfahren insgesamt erfolgreich abschließen zu können." US-Präsdient Trump mischt sich am Donnerstag höchstselbst in die Debatte ein: "Ich will 5G, und sogar 6G, Technologie in den Vereinigten Staaten so schnell wie möglich", twittert er.

Die USA sind seit Jahren das Wachstumsfeld der Telekom. Mehr als 40 Prozent ihres Gewinns erwirtschaftet sie dort mittlerweile. Im vergangenen Jahr hat der Konzern seinen Umsatz leicht gesteigert, auf knapp 76 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von gut zwei Milliarden Euro. Die Dividende soll nun von 65 auf 70 Cent steigen - und zugleich will die Telekom in diesem Jahr fast 13 Milliarden Euro investieren, vor allem in den flinken Mobilfunk. "Wir sind mittendrin in der Entwicklung der 5G-Technologie", so Höttges. Nur mit den strengen Auflagen in Deutschland ist der Telekom-Chef nach eigenen Angaben noch "nicht glücklich".

© SZ vom 22.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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