Friseure über Abgaben im Ausland:Wenn sich Steuerzahler die Steuern erhöhen

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Das kann Ihnen Ihr Friseur erzählen: SZ-Korrespondenten plaudern beim Haareschneiden übers Steuernzahlen. (Foto: N/A)

Die Franzosen klagen, die Amerikaner blicken nicht mehr durch. Und die Schweizer? Die sind hochzufrieden mit ihren Steuern, weil sie selbst entscheiden, wie viel sie zahlen. Korrespondenten der "Süddeutschen Zeitung" haben mit ihren Friseuren über Finanzielles geplaudert. Ein Blick in die Steuersysteme anderer Länder.

Von Michael Kläsgen, Paris, Wolfgang Koydl, Stäfa, und Kathrin Werner, New York

Die Franzosen klagen, die Amerikaner blicken nicht mehr durch und die Schweizer? Die sind hochzufrieden mit ihren Steuern, weil sie selbst entscheiden, wieviel sie zahlen. Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung haben mit ihren Friseuren über Finanzielles geplaudert. Ein Blick in die Steuersysteme anderer Länder.

Autonome Steuerzahler in der Schweiz

Der Coiffeur Gody Heidelberger gehört zu Stäfa wie die Weinberge über dem Dorf und der Schiffsanleger unten am Zürichsee. Generationen von Männern hat er schon die Haare geschnitten, und seit zwei Jahren kümmert er sich auch um meinen Kopf. Wie jeder Friseur redet auch Gody gern mit der Kundschaft, aber klagen hört man den 64-Jährigen nie. Schon gar nicht über die Steuern. Nicht etwa, weil er nur sehr wenig bezahlen würde. Ganz im Gegenteil. Die Schweiz ist kein Steuerparadies, und auch Gody führt etwa 30 Prozent seines Einkommens an den Fiskus ab.

Aber wie die meisten seiner Landsleute findet er Steuern grundsätzlich gut, gerechtfertigt und auch gerecht. "Wir zahlen ja letztlich für uns, für unsere Gemeinschaft", sagt Gody Heidelberger. "Das Geld kommt uns allen zugute." Zu dieser entspannten Haltung trägt der Umstand bei, dass Gody wie jeder Schweizer mitbestimmen kann, wofür die Gemeinde, der Kanton oder der Bund sein Geld ausgibt und wie viel Steuern er überhaupt berappt.

In beiden Fällen werden die Wähler um ihre Zustimmung gebeten. Es geschieht nicht selten, dass sie sich die Steuern erhöhen, weil sie keine Alternative sehen. Und es geschieht eher selten, dass nutzlose und teure Prestigeprojekte nach Art von Flughäfen, Konzertsälen oder unterirdischen Bahnhöfen in die Welt gesetzt werden.

"Wenn ich tatsächlich weniger zahlen möchte, dann bräuchte ich nur umzuziehen", erläutert Gody weiter. Da die Steuerhoheit bei den Gemeinden liegt, legen sie den jeweiligen Satz fest - und der ist in Hombrechtikon, wo der Friseur lebt, höher als in Stäfa, wo sein Salon liegt. Nicht nur Gemeinden und Städte konkurrieren so um zahlungskräftige Steuerzahler, auch die Kantone stehen in einem Wettbewerb.

Wenn Gody ein Problem hat, geht er nicht zum Steuerberater, sondern aufs Finanzamt. Dort wird er besser und vor allem billiger beraten. Zudem wird er hier grundsätzlich als ehrlicher Steuerzahler und nicht als potenzieller Betrüger eingestuft. Die Beamten helfen sogar mit Tipps zum Steuersparen.

Wolfgang Koydl, Stäfa

Didier Bayle pariert die ungewöhnlich direkten Fragen mit Geschick. Wie viel er verdiene und wie viel Steuern er zahle? Ach, das Steuersystem in Frankreich sei so kompliziert, dass er das auf Anhieb gar nicht sagen könne. Da müsse er seinen Steuerberater fragen. Wie er das so sagt, klingt es durchaus glaubwürdig. Das Schlimme seien aber eh nicht die Steuern, sagt der Friseur, sondern die Sozialabgaben. Da wisse er, wie viel er zahle: 1500 Euro pro Monat.

Bayle schaut einem durch den Spiegel in die Augen. Er führt einen Zweimannbetrieb am unteren Ende der Marktstraße Rue Mouffetard, einen Herrensalon, dessen Innenausstattung so aussieht, als sei hier seit den Siebzigerjahren nicht mehr renoviert worden. Das Durchschnittsalter der Kundschaft scheint jenseits der 70 zu liegen. Bayle ist um die 50 Jahre alt. Dreitagebart, eckige Brille. Ist der Franzose jetzt ob der indiskreten Fragen verstimmt? Im Gegenteil: Er setzt die Schere kurz ab und zückt ein aufgeschlagenes Heft des Fachverbandes aus dem Regal: "Hier lies. Da steht alles drin."

Es geht um den Abstieg des Gewerbes. Ein angestellter Friseur verdiene im Schnitt 1200 Euro netto. Die Branche habe in vier Jahren zehn Prozent ihrer Beschäftigten verloren. Drei Viertel der Neueinsteiger seien unter 35 Jahre, viele verließen den Job aber nach kurzer Zeit wieder. "Wir haben keine Lobby wie die Wirte oder Bäcker", klagt Bayle. So zahlten sie anders als andere Berufsgruppen 19,6 Prozent Mehrwertsteuer und keinen reduzierten Satz. Nächstes Jahr müssten sie sogar mehr als 20 Prozent abführen. Dass der eine bevorzugt werde, der andere aber nicht, mache das Steuersystem in Frankreich so ungerecht.

Die Branche habe allerdings auch selber Fehler gemacht. Als die großen Ketten aufmachten, seien die Preise erst nach unten gegangen. Danach hätten die Friseure es allerdings lange versäumt, Schritt für Schritt die Preise wieder zu erhöhen. "Ich kann niemandem empfehlen, Friseur zu werden", sagt Bayle.

Michael Kläsgen, Paris

Mariko Osanai schaut ziemlich erleichtert, als ich mit 20 Minuten Verspätung und schlechtem Gewissen in den Friseursalon rausche. Mariko versteckt die Erleichterung, setzt ihren strengen Blick auf, pocht gegen die Uhr und sagt: "Okay, ausnahmsweise kann ich dir heute trotzdem noch die Haare schneiden." Sie ist ein bisschen genervt, jetzt muss sie sich sehr beeilen mit meinem Schnitt. Aber sie ist erleichtert, denn sie bekommt kein Geld, wenn ich zum Termin nicht auftauche.

Die 36-Jährige ist eine Art Freiberuflerin, in ihrem Salon im East Village in Manhattan ist sie nicht fest angestellt. Wenn ich ihr am Ende des Haarschnitts mein Geld gebe, bekommt sie davon 45 Prozent, der Rest geht als Kommission an den Salon. In New York machen das fast alle Friseure so, sagt Mariko. "Und eigentlich ist das ganz in Ordnung." Sie hat viele Stammkunden. Und immerhin darf sie bei ihrem Salon alle Haarprodukte nutzen, bei etlichen anderen müssen die Freiberufler-Friseure ihr eigenes Shampoo mitbringen.

Wenn sie einen guten Monat hat, steigt ihr Anteil auf 50 Prozent oder mehr. Ich zahle heute 65 Dollar plus 2,93 Dollar Mehrwertsteuer plus 15 Dollar Trinkgeld. Mariko ist gut 40 Minuten mit mir beschäftigt - aber ich war ja auch zu spät dran.

Mariko, die vor zwölf Jahren aus Japan nach New York gezogen ist, zählt zu den besser verdienenden Friseuren im Land. Im Schnitt bekommen sie in Amerika laut Bureau for Labor Statistics 12,88 Dollar pro Stunde, in New York City sind es 14,84 Dollar - 30.870 Dollar im Jahr. Wie viel Steuern die 36-Jährige zahlt, weiß sie nicht ganz genau, schließlich ist das System hier mit lokalen Steuern der Stadt, mit Steuern des Bundesstaats und Steuern für Washington kompliziert.

"Ich bin mit solchen Dingen nicht so gut vertraut", sagt sie. Im Monat zahle sie mehrere Hundert Dollar, aber knapp unter 1000. Einmal im Jahr bekommt sie einen Teil zurück, weil sie lieber zu viel anzahlt als zu wenig. "Es ist schon ganz schön viel, was da abgezogen wird." Aber dieses Jahr wird das besser, hofft Mariko, denn sie hat vor vier Monaten ein Baby bekommen - jetzt sinkt ihr Steuersatz.

Kathrin Werner, New York

© SZ vom 23.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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