Autoindustrie:Wieso Ford Ingenieure loswerden will

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Eine Ford-Beschäftigte in Köln arbeitet am Fließband an einem Ford Fiesta. Hier läuft das Modell nur noch bis Mitte dieses Jahres vom Band. (Foto: Oliver Berg/picture alliance / Oliver Berg/d)

Der Krisenkonzern halbiert seine Entwicklungsabteilung in Deutschland, 1700 Jobs fallen weg. Die Elektromodelle der Zukunft lässt Ford lieber woanders entwerfen.

Von Björn Finke, Straßburg, und Christina Kunkel, Straßburg/München

Es ist ein harter Einschnitt - aber nicht ganz so hart, wie noch im Januar befürchtet: Der Autokonzern Ford streicht in Deutschland bis Ende 2025 etwa 2300 von bisher 19 000 Arbeitsplätzen. Betroffen sind die Autofabrik in Köln und das Forschungszentrum in Aachen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Der Betriebsrat des Kölner Werks hatte zuvor gewarnt, dass sogar bis zu 3200 Jobs bedroht seien. Die Gewerkschaft IG Metall stimmte den Kürzungen jetzt zu. Im Gegenzug verzichtet das Management zehn Jahre lang auf Entlassungen, der Abbau soll über Abfindungsprogramme gelingen.

Das Unternehmen, das zuletzt Verluste schrieb, kappt europaweit 3800 von 34 000 Arbeitsplätzen; unter anderem sollen in Großbritannien 1300 Beschäftigte gehen. Deutschland ist aber von dem Sparpaket überproportional betroffen. Die Jobs werden nicht in der Produktion, sondern in der Produktentwicklung und der Verwaltung wegfallen. Von den 3600 Entwicklern in Deutschland sollen 1700, also fast die Hälfte, gehen.

Hinter diesem Kurs steht Fords Plan, sich bis 2030 vom Verbrennungsmotor zu verabschieden. Bei Elektroantrieben gibt es schon eine Kooperation mit Volkswagen - oder die Technologie kommt von Fords Heimatstandorten in den Vereinigten Staaten. Die abgespeckte Ingenieurstruppe in Europa würde die Modelle dann vor allem an lokale Besonderheiten anpassen.

Deutschland-Chef Martin Sander betont aber, Ford behalte die Fähigkeit, in Deutschland Fahrzeuge zu entwickeln: "Alle notwendigen Funktionen werden wir in Europa weiterhin zur Verfügung haben." Diesen Punkt hob auch der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka hervor. Er bezeichnete die Zahlen zum Abbau als "wahrlich schlecht", verwies jedoch darauf, dass weniger Jobs als befürchtet wegfielen und auf Kündigungen verzichtet werde. "Wir schauen jetzt zuversichtlich in die Zukunft", sagte der Gewerkschafter. Die Verhandlungsrunden dauerten nach Angaben der IG Metall insgesamt mehr als 60 Stunden.

In Köln trifft der Abbau ein Werk mit einer langen Geschichte. Schon 1925 gründete Ford eine Niederlassung in Deutschland, die Fabrik im Kölner Norden öffnete 1931. Seitdem hat Ford in Deutschland mehr als 47 Millionen Fahrzeuge produziert. Das Kölner Werk beschäftigt 14 000 Menschen, vor drei Jahren waren es noch 4000 mehr. Und nun geht das Schrumpfen weiter.

600 000 Jobs hängen vom Verbrenner ab

Der Umstieg auf Elektroantriebe bedroht auch bei anderen deutschen Herstellern und Zulieferern Jobs, wobei Ford allerdings besonders betroffen ist: Die Produktion eines Elektroautos ist deutlich einfacher - und wo es weniger Teile und Arbeitsschritte gibt, braucht es weniger Menschen. Studien schätzen, dass 600 000 Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie am Verbrennungsmotor hängen. Deshalb kämpfen auch in Wolfsburg, Stuttgart und München Arbeitnehmervertreter vehement dafür, Beschäftigte auf die neuen Antriebe umzuschulen und so viele Arbeitsschritte wie möglich an den eigenen Standorten zu halten. Wo die neuen Modelle gefertigt werden, ist damit immer auch ein interner Konkurrenzkampf der einzelnen Standorte im In- und Ausland.

Dazu kommt, dass es in Zukunft weniger unterschiedliche Automodelle geben wird. Besonders bei den kleineren Wagen streichen fast alle Hersteller Baureihen. Deshalb trifft es Ford in Deutschland heftiger als anderswo - in Saarlouis, der Fabrik im Saarland, wurde etwa der Ford Focus gebaut. Damit ist 2025 Schluss. In Köln läuft nur noch bis Mitte dieses Jahres der Fiesta vom Band. Dort soll es zwar elektrische Nachfolger geben, das Werk wird für viel Geld umgebaut, doch für diese Autos braucht es eben weniger Arbeitskräfte.

Das Problem wird dadurch verschärft, dass Ford mit Volkswagen zusammenarbeitet. Die neuen Elektromodelle aus Köln nutzen eine Plattform von Volkswagen, weshalb Ford weniger Entwickler benötigt. Künftig will der US-Konzern zwar auch selbst Elektroplattformen entwickeln - allerdings in den USA. Ein derartiges Szenario ist bei BMW, Mercedes oder VW unwahrscheinlich, denn diese Unternehmen wollen ihre Entwicklung schwerpunktmäßig in Deutschland behalten.

Auch Opel muss sparen

Bei Ford ist außerdem der Spardruck größer. Finanziell läuft es schon länger nicht mehr gut; im vergangenen Jahr verfehlte der Konzern seine Gewinnziele. Finanzchef John Lawler kündigte bei der Bilanzpräsentation "sehr aggressive" Maßnahmen an, um die Kosten in der Produktion und bei Zulieferern zu senken. In Europa machte Ford bei unverändertem Umsatz im vierten Quartal 400 Millionen Dollar Verlust vor Steuern - doppelt so viel wie im Vorjahr.

Fords Deutschland-Chef Sander, der auch die Elektrosparte leitet, sagte nun, die Marke müsse sich in Europa neu erfinden. Angesichts der hohen Material- und Energiepreise und der zunehmenden Konkurrenz aus China sei eine Neuausrichtung nötig.

Es wäre auch denkbar gewesen, dass Ford sich komplett aus Deutschland zurückzieht, wie es der US-Rivale General Motors 2017 machte. Damals verkaufte GM Opel an die Stellantis-Tochter PSA. Seitdem hat sich Opel zwar wieder gefangen, allerdings mussten dafür in Deutschland Tausende Mitarbeiter gehen. Erst im vergangenen Herbst kündigte Stellantis an, weitere tausend Stellen über Freiwilligenprogramme abbauen zu wollen. Und es kann gut sein, dass das nicht das letzte Sparprogramm sein wird.

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