Finanzmärkte:Sechs Strategien gegen Börsen-Verluste

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Die Börsenkurse schwanken so stark wie seit Jahren nicht. Mit der richtigen Strategie kann man sich vor Verlusten schützen. (Foto: dpa)

An den Aktienmärkten sind die ruhigen Zeiten vorbei, viele Anleger werden nervös. So können Sie sich absichern.

Von Harald Freiberger und Felicitas Wilke, München

Die ruhigen Zeiten an der Börse sind vorbei. Über Jahre waren die Aktienkurse fast ohne Unterbrechung und ohne große Schwankungen gestiegen, in der vergangenen Woche aber brach die US-Börse an zwei Tagen um vier Prozent ein und zog die Aktienmärkte weltweit nach unten. Seitdem ist die Nervosität groß. Die meisten Experten sind sich einig, dass dies vorerst so bleiben wird.

Die Volatilität ist zurück, wie das im Börsenjargon heißt - die Kurse schwanken wieder stärker, Aktien können an einem Tag auch mal fünf Prozent verlieren, und es ist gut möglich, dass sie noch deutlich tiefer fallen. In solchen Zeiten stellen sich Anleger die Frage, wie sie mit dem höheren Risiko umgehen sollen. Es gibt eine Reihe von Instrumenten, Produkten und Strategien, sich vor Verlusten zu schützen.

Nichts wie raus

Die radikalste Methode ist es, nun alle Aktien oder Aktienfonds zu verkaufen. Doch davon raten die meisten Experten ab. "Die Lage ist nicht so eindeutig wie etwa 2008, als die Finanzkrise ausbrach und klar war, dass es mit Aktien für längere Zeit schwierig sein wird", sagt Marco Herrmann, Chef der Münchner Vermögensverwaltung Fiduka. Die Risiken seien sicherlich größer geworden, es gebe aber immer noch eine Reihe von Faktoren, die für Aktien sprächen. Der wichtigste ist die weltweit boomende Konjunktur, die dazu führt, dass die Gewinne der Unternehmen weiter steigen. "Bald beginnt zum Beispiel die Dividendensaison, die zeigen dürfte, dass die Ausschüttungen der Unternehmen gerade im Vergleich zu den Anleihenrenditen immer noch attraktiv sind", sagt Herrmann. Die gute Lage der Unternehmen ist eine starke Stütze für den Aktienmarkt. Deshalb glauben viele Experten auch nicht an einen extremen Kursrutsch, sie sprechen eher von einer "Korrektur", die nach dem steilen Anstieg zuvor eigentlich gesund wäre.

Jetzt aber mal Stopp

Wer sich entschieden hat, am Aktienmarkt investiert zu bleiben, hat die Möglichkeit, sich gegen hohe Verluste mit einer sogenannten Stop-Loss-Order abzusichern. Sie sorgt dafür, dass eine Aktie bei einem vorher festgelegten Kursverlust verkauft wird. Steht der Kurs zum Beispiel bei 100 Euro, kann der Anleger eine Stop-Loss-Order bei 90 Euro setzen. Fällt der Kurs auf diese Höhe, wird automatisch der Verkauf ausgelöst. Eine Stop-Loss-Order kann auch "nachgezogen" werden, das heißt: Wenn der Kurs auf 110 Euro steigt, erhöht der Anleger die Stop-Loss-Order auf 100 Euro, um sich vor Verlusten zu schützen, die zehn Euro übersteigen.

Es gibt auch "atmende" Stop-Loss-Aufträge, die dem Kursanstieg automatisch folgen. Sie heißen Trailing-Stop-Loss und können zum Beispiel bei einer Onlinebank in Auftrag gegeben werden. Fällt die Aktie nach einem Kursanstieg um die festgelegte Prozentzahl - zum Beispiel zehn Prozent -, wird sie verkauft.

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Stop-Loss-Orders haben allerdings den Nachteil, dass eine Aktie verkauft wird und der Kurs danach wieder steigen kann. Börsianer sprechen dann davon, dass jemand "ausgestoppt" wurde. Dieses Risiko wird umso größer, je stärker die Märkte schwanken - so wie gerade in diesen Tagen. Der naheliegende Rat für Anleger, die Einzelaktien in ihrem Depot liegen haben, wäre es in Zeiten wie diesen, die Spanne für die Stop-Loss-Order zu überdenken und eventuell auszuweiten, um nicht ungewollt "ausgestoppt" zu werden.

Experte Herrmann ist kein großer Freund solcher Instrumente. "Stop-Loss- und Trailing-Stop-Orders klingen in der Theorie gut, sind in der Praxis aber schwer umzusetzen", sagt er. Häufig setze nach einem Einbruch wieder eine Erholung ein, der Anleger sei dann bei dem Kursanstieg nicht mehr dabei. Zudem habe er danach das Problem, wie er das frei werdende Geld anlegen soll. "Zinsen für sichere Anlagen gibt es nirgendwo, und die Frage nach dem Zeitpunkt für den Wiedereinstieg auf dem Aktienmarkt ist kompliziert, selten erwischt man den richtigen Moment", sagt Herrmann.

Garantie gegen Verluste

Es gibt auch spezielle Investmentfonds, die damit werben, auf dem Aktienmarkt zu investieren und trotzdem auf Nummer sicher zu gehen. Wenn die Fondsgesellschaften gute Renditen in Aussicht stellen und gleichzeitig versprechen, Verluste zu vermeiden, klingt das in Zeiten niedriger Zinsen fast zu schön, um wahr zu sein. Tatsächlich tun sich Garantiefonds, die den Anlegern vertraglich zusichern, dass sie nach der vereinbarten Laufzeit zumindest ihr eingesetztes Geld wieder bekommen, immer schwerer damit, Erträge zu erwirtschaften. Zuletzt haben mehrere Garantiefonds geschlossen.

Stattdessen finden sich auf dem Markt vermehrt Angebote, die sich das weniger ehrgeizige Ziel setzen, den maximal möglichen Verlust für den Anleger begrenzen zu wollen. Der Metzler Wertsicherungsfonds 98 beispielsweise strebt an, dass der Verlust innerhalb eines Jahres maximal zwei Prozent beträgt. Je nach Fondsgesellschaft und Produkt können sich die Strategien und Zielvorgaben unterscheiden. Ein Nachteil eint jedoch alle: Rechtlich bindend ist die Verlustgrenze - anders als beim Garantiefonds - nicht, "der Kapitalerhalt ist lediglich das oberste Ziel des Fonds", sagt Said Yakhloufi, Leiter der Fondsanalyse bei der Ratingagentur Scope.

Total und absolut

Auch bei "Total Return Fonds" und "Absolute Return Fonds" erklären die Fondsgesellschaften ihre Absicht, die Verluste gering halten zu wollen, wenn die Aktien fallen. Oftmals werben sie damit, bei jeder Marktlage eine positive Rendite zu erzielen. Erreichen wollen die Fondsmanager das, indem sie neben Aktien in vergleichsweise sichere Anleihen und in Derivate investieren. Das sind Finanzwetten, mit denen man auch auf fallende Kurse setzen kann und somit auch von schlechten Zeiten an den Aktienmärkten profitiert.

Diese gemischte Strategie kann funktionieren und ordentliche Erträge erzielen: Der JP Morgan Global Macro Opportunities steigerte seinen Wert in den vergangenen drei Jahren beispielsweise um durchschnittlich sechs Prozent jährlich. Manche Produkte haben aber über die Jahre eine negative Rendite erzielt und nicht gehalten, was ihr Name verspricht. In solchen Fällen haben Anleger Pech gehabt. Denn eine Garantie gibt es hier nicht.

Sicher ist hingegen, dass bei allen Auf-Nummer-sicher-Produkten wie bei anderen Fonds auch Gebühren anfallen. Zum einen müssen Anleger mit einem Ausgabeaufschlag rechnen, der meist bei zwei bis fünf Prozent der angelegten Summe liegt. Angenommen, ein Anleger investiert 10 000 Euro und der Ausgabeaufschlag beträgt drei Prozent, bezahlt er also 300 Euro an Gebühren. Hinzu kommen Verwaltungsgebühren, die meist zwischen einem und zwei Prozent pro Jahr betragen. "Manchmal kann noch eine erfolgsabhängige Gebühr dazukommen", sagt Yakhloufi. Rechnet man vor Abzug der Gebühren mit einer positiven Rendite von drei Prozent pro Jahr, bleibt für den Anleger danach oftmals nicht viel mehr als ein Prozent übrig.

Selber schnitzen

Das Problem von Garantie- und Absolute-Return-Produkten liegt darin, dass der Schutz vor Verlusten mit geringeren Gewinnen erkauft wird, wenn die Aktien steigen. Damit aber stellt sich die Sinnfrage, denn vor Verlusten kann man sich auch schützen, indem man gleich gar nicht in Aktien investiert. Legt man 10 000 Euro für einen Zeitraum von drei Jahren auf dem sicheren Festgeldkonto an, sind bei deutscher Einlagensicherung derzeit ein Prozent Zinsen drin. "Verbraucher können sich ihr Portfolio selbst billiger und besser schnitzen", findet Stephanie Heise, Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie empfiehlt sicherheitsorientierten Anlegern, einen Großteil ihres Vermögens in Festgeld und zehn bis 20 Prozent in Aktien-Indexfonds zu stecken. Ein Risikoanteil bleibt auf diese Weise - denn Indexfonds oder ETFs sind passive Produkte, die einem Index folgen und in turbulenten Marktphasen nicht aktiv von einem Manager umgeschichtet werden. Dafür fallen deutlich weniger Gebühren an als bei Investmentfonds. In guten Zeiten bleibt also mehr Geld übrig.

Mischen lassen

Eine andere Möglichkeit, Risiken abzufedern, sind Mischfonds, die ihre Anteile an riskanten und sicheren Anlagen je nach Marktlage verändern. Dabei überlässt der Anleger das Management seiner Risiken einem Fondsmanager. In unsicheren Zeiten wie diesen wird er die Aktienquote tendenziell verringern und die Anleihenquote erhöhen. Den Fondsmanager muss der Anleger aber bezahlen: Die Gebühren sind relativ hoch.

Strategisch handeln

Wie gezeigt, haben alle Instrumente und Produkte, die gegen Verluste am Aktienmarkt schützen sollen, ihre Nachteile. Umso wichtiger ist für Privatanleger eine ausgewogene Strategie, die für sich genommen schon gegen zu hohe Verluste schützt. Er muss zunächst sein Risikoprofil herausfinden, also klären, welche Verluste er im schlimmsten Fall bereit ist zu tragen. Wer sehr ängstlich ist, sollte nur mit einem geringen Teil seines freien Vermögens in Aktien gehen. Sehr wichtig ist der Anlagehorizont: Anleger sollten nur Geld auf dem Aktienmarkt investieren, das sie langfristig - also zehn bis 15 Jahre - entbehren können. Dieser Anteil sollte breit gestreut sein, also in viele Aktien aus verschiedenen Branchen und Regionen verteilt.

"Ist ein Depot gut ausbalanciert, sollte man seine Meinung auch in schwierigeren Zeiten nicht so schnell ändern", sagt Ali Masarwah von der Fonds-Ratingagentur Morningstar. Ein Einbruch wie in der vergangenen Woche sei jedenfalls kein Grund, die eigene Strategie auf den Kopf zu stellen. "Man muss auch aussitzen und abwarten können, nicht von ungefähr kommt die alte Börsenweisheit: Schnelles Hin und Her macht Taschen leer", sagt Masarwah.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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