Inflation:US-Notenbank will Zinsen weiter erhöhen - oder auch nicht

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In New York verfolgen Börsenhändler Powells Rede und die Aktienkurse. (Foto: Michael M. Santiago/Getty Images via AFP)

Knallhart will Fed-Chef Powell gegen die Inflation vorgehen. Aber zugleich will er auch ganz vorsichtig sein. Wie das zusammenpasst.

Von Bastian Brinkmann

Es geht schon mit einem Warnschild los. Die Wanderung "Holey Moley" im amerikanischen Jackson Hole ist nichts für Amateure und nur etwas für Trainierte. Der Name entspricht dem deutschen Ausruf "Heiliger Bimbam". In der Broschüre für Touristen wird empfohlen, während der anstrengenden Wanderung auch mal eine Pause einzulegen - und die Aussicht zu genießen, wie weit man es schon geschafft hat.

Jerome Powell konnte in Jackson Hole noch nicht so richtig genießen, wie weit er im Kampf gegen die Inflation schon gekommen ist. Der Chef der US-Notenbank Fed eröffnete mit einer Rede eine einflussreiche Konferenz für Geldpolitik, die im Bundesstaat Wyoming an diesem Wochenende stattfindet. Börsenhändler in aller Welt haben die Rede verfolgt, die Zinspolitik der US-Notenbank hat Folgen für die globale Wirtschaft.

Powells kurze Ansprache, die er von einem iPad ablas, dauerte keine Viertelstunde. Sie wurde auf Youtube für alle übertragen, die nicht nach Jackson Hole angereist waren. Das Notenbank-Symposium in dem Ort, der sonst Skifahrer und Wanderer anzieht, nennt das Wall Street Journal ein "Nirwana für Nerds". Das technische Kleinklein und die großen Linien der Geldpolitik werden hier diskutiert.

Powells Rede enthielt gemischte Signale. Einerseits hoben Beobachter ein Wort hervor: Die Fed werde "vorsichtig" vorgehen. Das sagte der US-Notenbanker gleich zwei Mal in seiner kurzen Ansprache. Vernünftige Zentralbanker, das darf man wohl hoffen, handeln eh nicht absichtlich unvorsichtig, wenn sie Leitzinsen erhöhen oder senken. Die Vorsicht in einer so stark beachteten Rede also verhältnismäßig prominent zu erwähnen, wurde von manchen als Zeichen interpretiert, dass die Fed im September den Leitzins nicht weiter erhöhen könnte.

Andererseits hat Powell höhere Zinsen ausdrücklich nicht ausgeschlossen: "Wir sind bereit, die Zinsen gegebenenfalls weiter anzuheben", sagte er ebenfalls. Die Financial Times bezeichnete seine Rede daher als "bisweilen hawkish". Das englische Wort steht für Notenbanker, die im Zweifel den Leitzins lieber erhöhen.

Viele Börsenhändler konnten mit der Rede offensichtlich wenig anfangen. Die Kurse reagierten kaum.

In wenigen Wochen muss die US-Notenbank entscheiden, ob sie nach vielen Leitzinserhöhungen mal länger durchschnauft. Wie andere Zentralbanken steht sie vor einem Dilemma. Erhöht die US-Notenbank den Leitzins zu stark, würde sie der Wirtschaft unnötigen Schaden zufügen, sagte Powell. Erhöht sie den Leitzins aber zu wenig, kann die Inflation sich festsetzen und die Fed müsste umso stärker gegensteuern - mit hohen Kosten für den Arbeitsmarkt, so Powell.

Wo liegt die goldene Mitte zwischen diesen beiden schlechten Optionen? Das in Echtzeit zu erkennen, sagte Powell in Jackson Hole, ist wie sich unter einem wolkenverhangenen Himmel an den Sternen orientieren zu wollen.

Die Arbeitslosigkeit in den USA ist überraschend niedrig

Über den Leitzins steuert eine Zentralbank, wie teuer Kredite sind. So beeinflusst die Notenbank indirekt viele Bereiche der Wirtschaft. Die Menschen kaufen zum Beispiel tendenziell weniger Immobilien oder Autos, wenn der Leitzins steigt, weil solche Dinge oft über Schulden finanziert werden und daher mit höheren Zinsen teurer werden.

Auffällig ist in den USA, dass die hohen Zinsen bisher dem Arbeitsmarkt wenig anhaben. Im ökonomischen Lehrbuch steigt die Arbeitslosigkeit, wenn die Leitzinsen steigen. Denn wenn Menschen wegen teurer Kredite weniger einkaufen, haben Firmen weniger zu tun - und entlassen in den USA im Handumdrehen Mitarbeiter. Doch die Arbeitslosigkeit in den USA ist weiterhin sehr niedrig im historischen Vergleich. Die Stimmung in US-Unternehmen allerdings ist mittlerweile schlechter geworden, besonders in der Industrie: Der US-Einkaufsmanagerindex - eine einflussreiche Umfrage unter Firmen - ist zuletzt gefallen.

Die Fed hatte im Juli den Leitzins noch mal um einen Viertelprozentpunkt angehoben. Die US-Notenbank arbeitet mit einer Spanne, die liegt momentan bei 5,25 bis 5,50 Prozent. Das ist über den Wert, den die Europäische Zentralbank (EZB) festgesetzt hat. Der Leitzins für die Euro-Zone liegt seit Juli bei 4,25 Prozent.

Die Inflation in den USA ist innerhalb eines Jahres stark gesunken. Im Juni 2022 lag sie noch bei sieben Prozent, zuletzt waren es nur noch rund drei Prozent. In den USA sind wie in Europa die Energiepreise stark gefallen. Die Inflation liegt aber immer noch über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed.

Den Leitzins nicht zu niedrig und nicht zu hoch anzusetzen, ist eine schwierigere Kletterpartie - vermutlich noch schwieriger als die Wanderung "Holey Moley" in Jackson Hole. Außerdem dauert der Aufstieg laut Tourismusmarketing nur ein bis zwei Stunden. Der Kampf gegen die Inflation dagegen wird noch Monate brauchen.

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