Modeindustrie:Fast, Faster, Super Fast Fashion

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Zara legt nach wie vor Wert auf Filialen mit Schaufensterflächen in Innenstadtlage - ein Nachteil im Wettbewerb? (Foto: Lorenzo Carnero/imago images)

Konzerne wie Zara und H&M haben ein Wettrennen gestartet, in dem sie selbst nicht mehr mithalten können. Dabei bleiben nicht nur die Näherinnen auf der Strecke.

Von Karin Janker

Wenn es wie im Fast-Fashion-Sektor vor allem um Geschwindigkeit geht, gewinnen den Wettlauf naturgemäß diejenigen, die am schnellsten sind. Das spanische Modelabel Zara, Flaggschiff des Inditex-Konzerns, hat die Regeln der Fast Fashion zwar erfunden und über Jahrzehnte geprägt. Doch inzwischen wurden die Spanier überholt von Konzernen, die noch schneller und noch billiger produzieren. Das Tempo von Firmen wie Asos, Misguided oder Boohoo hat ihnen den Ruf "Super Fast Fashion" oder "Ultra Fast Fashion" eingebracht.

Ihnen fehlt, worauf Zara oder H&M nach wie vor Wert legen: Filialen mit Schaufensterflächen in Innenstadtlage. Asos-Chef Nick Beighton ist stolz darauf, die größte Modemarke ohne eigene Läden zu sein. Das Geschäft der Ultra-Fast-Fasion läuft komplett online ab - ein Grund für ihren Vorsprung in Sachen Geschwindigkeit: Sie können dort bereits Kleider anbieten, die noch gar nicht produziert sind und nur als Prototypen vorliegen. Damit können sie noch feiner auf die Mikrobewegungen auf dem Markt reagieren und das entsprechende Modell etwa nur in jener Farbkombination herstellen lassen, die bei den Kunden besonders gut ankommt. Ladenhüter gibt es bei diesen Labels quasi nicht, denn es wird kaum vorproduziert.

Entsprechend schnell muss die Fertigung funktionieren. Genau wie Zara haben auch die Super-Fast-Fashion-Labels nur einen Teil ihrer Produktion in die Niedrigst-Lohn-Länder Asiens ausgelagert. Ein großer Teil der Kleidung wird ad hoc in Europa genäht. Mit guten Arbeitsbedingungen für die Näherinnen geht dies allerdings oft nicht einher: Erst vor wenigen Monaten machten die Nähereien im englischen Leicester Schlagzeilen, weil dort Menschen, vor allem Immigranten aus Asien, systematisch ausgebeutet werden. Laut einem Bericht des britischen Parlaments gibt es in der Stadt 700 Nähereien, in denen rund 10 000 Arbeiterinnen beschäftigt sind.

Britische Billignähereien, zahlen weniger als die Hälfte des Mindestlohns

Die Coronavirus-Pandemie führte dazu, dass die dortigen Zustände bald das ganze Land beschäftigten: In Leicester waren die Infektionszahlen sprunghaft angestiegen, ein lokaler Lockdown wurde verhängt. Bald wurde klar, dass in den Nähereien nicht nur die hygienischen Bedingungen miserabel waren, sondern den Näherinnen zudem nur ein Stundenlohn von umgerechnet vier Euro gezahlt wurde. Das ist weniger als die Hälfte des britischen Mindestlohns. Dass sich an diesen Zuständen mittelfristig etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Beobachter halten die Arbeitsbedingungen dort für ein offenes Geheimnis, das auch der Politik seit Jahren bekannt sei.

Während traditionelle Fast-Fashion-Konzerne wie Inditex oder H&M in den vergangenen Monaten aufgrund der Corona-Krise Umsatzrückgänge hinnehmen mussten, erlebte die Ultra-Fast-Fashion zur gleichen Zeit einen Boom. In eben jenen Monaten, in denen sich unter den Arbeiterinnen in Leicester das Corona-Virus stark ausbreiten konnte, stieg der Umsatz von Boohoo, einer der Firmen, die nachweislich in Leicester produzieren lässt, um 45 Prozent an. Und auch der Marktführer des Segments, der britische Asos-Konzern, konnte seinen Umsatz im Vorjahr um knapp 20 Prozent steigern. Asos lässt in Sachen Geschwindigkeit selbst Zara alt aussehen: Schätzungsweise 4500 neue Modelle entwickelt die Firma - pro Woche.

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