Preise:Inflation in Deutschland geht weiter zurück

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Münchner beim Shopping. (Foto: Wolfgang Maria Weber/IMAGO)

Wegen der gesunkenen Energiepreise stiegen die Preise im Februar noch um 2,5 Prozent - deutlich weniger als im Vorjahr. Die EZB möchte mit Leitzinssenkungen dennoch warten.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Inflation in Deutschland sinkt weiter. Im Februar betrug die Teuerungsrate 2,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in einer Schätzung mitteilte. Zuletzt war die Inflation im Januar mit 2,9 Prozent auf den niedrigsten Stand seit Juni 2021 gesunken. Der abnehmende Preisdruck ist Folge der im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich gesunkenen Energiepreise. Dieser sogenannte Basiseffekt sollte im Laufe des Jahres abklingen - die Inflationsrate mithin künftig weniger stark fallen.

Im Gesamtjahr 2023 betrug die Jahresinflation mit 5,9 Prozent weniger als 2022 mit damals 6,9 Prozent. Es war aber immer noch der zweithöchste Jahreswert seit der Wiedervereinigung. Frischen Preisdruck erzeugt 2024 die Anhebung des CO₂-Preises von 30 Euro je Tonne Kohlendioxid auf 45 Euro sowie die Rücksetzung des regulären Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in der Gastronomie.

Als größte Volkswirtschaft in der Eurozone hat die deutsche Inflationsrate einen starken Einfluss auf die Gesamtrate in der Währungsunion. In Frankreich lag die Teuerung im Februar bei 3,1 Prozent, in Spanien bei 2,9 Prozent. Im Januar betrug die Inflation in der gesamten Eurozone 2,8 Prozent. Zum Vergleich: Im Herbst 2022 lag der Wert bei über zehn Prozent. Die aktuellen Zahlen für die gesamte Währungsunion werden am Freitag veröffentlicht. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von exakt zwei Prozent an.

Aufgrund der starken Preissteigerungen haben die Notenbanker seit Juli 2022 zehnmal in Serie die Zinsen angehoben, zuletzt geschah dies im September 2023. Seitdem beträgt der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, 4,5 Prozent. Der sogenannte Einlagensatz, mit dem die Notenbank Überschussgelder der Geschäftsbanken verzinst, notiert bei vier Prozent - das ist der höchste Stand in der Geschichte der Währungsunion. Der öffentliche Druck, die Leitzinsen wieder zu senken, wächst. Doch die meisten Notenbanker sind vorsichtig, obwohl die hohen Leitzinsen inzwischen die gewünschte Wirkung entfalten.

Deutschland leidet wirtschaftlich am stärksten

Banken vergeben weniger Kredite, denn Firmen und Konsumenten scheuen die hohen Zinskosten. Die Immobilienmärkte haben sich merklich abgekühlt, vor allem im Gewerbesektor. Deutschland leidet wirtschaftlich am stärksten, aber auch in der Eurozone insgesamt sind die Wachstumsaussichten eher mau. Der Effekt ist erwünscht: Die straffe Zinspolitik der Notenbank soll die Wirtschaft abkühlen. Rückläufige Nachfrage, so die Überlegung, senke den Preisdruck. Die Frage ist, wie stark die Wirtschaft abgekühlt werden soll, um ein Wiederaufflammen der hohen Inflationsraten auszuschließen.

"In früheren Zinszyklen war Abwarten stets der bessere Ansatz, als zu früh zu reagieren. Es wäre fatal, wenn wir zu früh Zinsen senken und dann kommt die Inflation noch einmal zurück", sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Nagel zufolge sei die EZB aber auf dem richtigen Wege: "Ich bin zuversichtlich, dass das Inflationsthema bis 2025 erledigt ist." Die nächste EZB-Zinssitzung ist am 7. März, da wird nach Ansicht der Experten an der Zinsschraube nicht gedreht. An den Finanzmärkten hält man die erste Zinssenkung im April für möglich. Andere blicken auf die Sitzung im Juni, wenn wichtige Lohndaten vorliegen.

In der Währungsunion ist die Arbeitslosenrate auf dem niedrigsten Stand ihrer Geschichte

"Der Lohndruck bleibt indes stark", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in dieser Woche vor dem Europäischen Parlament. "Es wird erwartet, dass das Lohnwachstum in den kommenden Quartalen zu einem zunehmend wichtigen Treiber der Inflationsdynamik wird." Darin würden sich die Forderungen der Beschäftigten nach einem Inflationsausgleich widerspiegeln sowie die angespannten Arbeitsmärkte.

In der Währungsunion ist die Arbeitslosenrate auf dem niedrigsten Stand ihrer Geschichte. Daher können Gewerkschaften hohe Löhne durchsetzen. In Deutschland ist der Lohnzuwachs langsam spürbar. Die Reallöhne wuchsen um durchschnittlich 0,1 Prozent im Vergleich zu 2022, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Demnach legten die Löhne zwar mit 6,0 Prozent so stark zu wie seit 2008 nicht mehr. Doch blieb davon real kaum etwas übrig, weil die Verbraucherpreise mit 5,9 Prozent fast genauso kräftig stiegen. Für 2024 stehen Experten zufolge die Chancen allerdings gut, dass den Beschäftigten deutlich mehr im Portemonnaie bleibt. "Wir sollten dieses Jahr den stärksten Anstieg der Reallöhne seit 2015 sehen", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. "Bei einer Inflationsrate von rund drei Prozent und einem Nominallohnwachstum von vier bis fünf Prozent stehen für Arbeitnehmer gute Zeiten an."

Notenbanker sehen das anders: "Ohne die kräftigen Lohnsteigerungen könnte die Lockerung der Geldpolitik bereits beginnen", sagt der belgische Notenbankchef Pierre Wunsch. Einige Währungshüter warnen vor der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Das würde bedeuten: Unternehmen schlagen die Lohnkosten auf die Preise drauf, was wiederum neue Lohnforderungen auslöst - und das, obwohl die hohen Leitzinsen durchaus Wirkung zeigen. Aktuell sieht es danach zumindest hierzulande nicht aus: Nach Angaben des Münchner Ifo-Instituts planen weniger Unternehmen in Deutschland, ihre Preise zu erhöhen. "Die Inflation dürfte daher in den kommenden Monaten ihren Rückgang fortsetzen", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

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