Leitzinsen:EZB bezeichnet Lage am Finanzmarkt als "fragil"

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"Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir wachsam bleiben", sagt EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Hohe Leitzinsen bergen hohe Risiken. Die Europäische Zentralbank warnt nun vor Kreditausfällen - und vor Risiken auf dem Markt der Schattenbanken.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die europäischen Finanzmärkte befinden sich aufgrund der rasant gestiegenen Zinsen in einem fragilen Zustand, so die Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB). "Die schwachen Wirtschaftsaussichten und die Folgen der hohen Inflation belasten die Fähigkeit von Menschen, Unternehmen und Regierungen, ihre Schulden zu bedienen", sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Mittwoch zur Vorlage des halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts der Notenbank. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir wachsam bleiben, während sich die Wirtschaft auf ein Umfeld höherer Zinssätze in Verbindung mit wachsenden Unsicherheiten und geopolitischen Spannungen einstellt."

Die EZB hat im Kampf gegen die Inflation die drei Leitzinssätze seit Juli 2022 zehnmal angehoben. Der für den Finanzmarkt relevante Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt bei vier Prozent. Das ist der höchste Stand seit Start der Währungsunion 1999. Durch die hohen Leitzinsen sind Kredite deutlich teurer geworden, weniger Menschen können sich ein Eigenheim leisten. Am Immobilienmarkt sind die Preise spürbar zurückgegangen. Die starke Leitzinsanhebung der Notenbanken hat im März ein Bankenbeben ausgelöst. Einige US-Regionalinstitute gingen Pleite, die Schweizer Großbank Credit Suisse musste vom Rivalen UBS gerettet werden.

Die Finanzmärkte sind seit Jahren anfällig für Turbulenzen. Da war die Repokrise in den USA 2019, als Banken sich am Geldmarkt plötzlich kein Geld besorgen konnten und die Notenbanker viele Milliarden Euro in den Geldmarkt pumpen mussten. Oder erst vor einem Jahr die Krise in Großbritannien, als die damalige Premierministerin Liz Truss durch ihren Plan, die Staatsverschuldung auszuweiten, das britische Pfund abstürzen ließ. Die Bank of England musste dann eingreifen, um die britischen Pensionsfonds vor dem Umkippen zu retten.

Die EZB warnte auch vor Risiken auf dem sogenannten Schattenbankenmarkt. Hier handelt es sich vor allem um Hedgefonds und andere Vermögensverwalter, die quasi wie Banken Kredite vergeben, ohne unter die strenge Bankenregulierung zu fallen. Der Sektor sei anfällig für Liquiditäts-, Kredit- und Leverage-Risiken - letztere beschreiben riskante Börsenwetten finanziert auf Pump.

Zuletzt zeigten sich auch die Experten des Financial Stability Board (FSB) besorgt über den starken Zuwachs der noch wenig regulierten Schattenbanken. Das FSB überwacht die globalen Finanzmärkte im Auftrag der G20-Staaten. Nach Angaben der EZB hat sich allein in der Euro-Zone der Schattenbankensektor seit der globalen Finanzkrise von 15 Billionen Euro 2008 auf inzwischen 31 Billionen Euro mehr als verdoppelt.

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