Der Euro:20 Jahre alt und noch immer in der Pubertät

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Noch nicht krisenresitent genug: der Euro. (Foto: John Thys/AFP)

Auch zwei Jahrzehnte nach seiner Einführung fehlt dem Euro ein politischer Rahmen. Der ist nun notwendiger denn je - sonst wird er von der nächsten Krise hinweggefegt.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Schon bevor diese Schöpfung das Licht Europas erblickte, senkten Skeptiker den Daumen. Gerhard Schröder sah 1998, bevor er Bundeskanzler wurde, eine "kränkelnde Frühgeburt". Ökonomen wie Milton Friedman prophezeiten, das gemeinsame Geld spalte den Kontinent. Gemessen an solchen Warnungen ist es erstaunlich, dass der Euro nun tatsächlich 20. Geburtstag feiern kann. Sonderlich erwachsen wirkt er jedoch nicht, eher so pubertär, dass man zwar Hoffnung hat, aber auch Angst vor der nächsten großen Krise.

Die Skeptiker hatten in einem Punkt recht: Dem Euro fehlt ein politischer Rahmen, der Krisen verhindert. Die Optimisten glaubten, aus der Währungsunion erwachse jene politische Union, auf die sich die Euro-Schöpfer Helmut Kohl und François Mitterrand in den 1990er-Jahren nicht einigten. Logisch aber ist: erst politische Union, dann monetäre. Daher erwies sich der Ersatzrahmen für die politische Union, der Stabilitätspakt, bald als Niete. Italien durfte trotz Schuldenbergs in den Euro, und ausgerechnet Deutschland entwertete den Pakt 2003 (unter Kanzler Schröder), als es ein Defizitverfahren gegen sich selbst torpedierte.

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Das Fehlen einer politischen Union schien zunächst nicht zu schaden. Still missbrauchten Südeuropas Länder die Niedrigzinsen, die ihnen der Euro nach Dekaden der Inflation bescherte, für einen Konsum- und Immobilienrausch. Noch zum zehnten Geburtstag jubelte die EU-Kommission den Euro zum "Symbol unserer wachsenden politischen Einheit" hoch. Monate später deckte die Weltfinanzkrise die Schuldenlöcher von Griechenland und weiteren Ländern auf. Es folgten Rentenkürzungen, Arbeitslosenrekorde und bitterer Streit, in welchem Maße Krisenstaaten sparen sollten.

Manche sagen, die Auseinandersetzungen hätten Europa so gespalten, dass die Vorteile des Euro dies niemals aufwiegen könnten. Dieses Urteil ist verfrüht. Die Währungsunion schafft große wirtschaftliche Vorteile. Länder wie Deutschland exportieren ungebremst in Staaten, in denen sie früher durch Abwertungen behindert wurden. Das gemeinsame Geld wurde auch nicht zur befürchteten Weichwährung. Der Euro ist kein Teuro. Damit die Währung nicht von der nächsten Krise hinweggefegt wird, müssen aber ihre Geburtsfehler korrigiert werden.

Es fehlt nach wie vor der politische Rahmen

Es braucht gemeinsames Wirtschaften, weil die Nationen andernfalls auseinanderdriften wie vor der Eurokrise. Wer wie Italien mit 130 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet ist, darf keine Wohltaten unters Volk streuen. Genauso müssen Boomländer wie Deutschland Verantwortung übernehmen und investieren, damit die Nachbarn profitieren.

Nach wie vor fehlt der politische Rahmen, um dieses gemeinsame Wirtschaften durchzusetzen. Die Ansätze skizziert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner Idee eines Krisenbudgets. Er muss erweitert werden um Schulden- und Reformregeln. Deutschland sollte das Thema angehen, bevor etwa eine durch US-Präsident Trump verursachte Welthandelskrise das nächste Drama des Euro auslösen kann. Historiker Heinrich August Winkler schrieb, "anders als 1990 könnte jetzt der Druck der Verhältnisse der Erkenntnis zum Durchbruch verhelfen, dass eine Währungsunion auf den Rahmen einer politischen Union angewiesen ist". Winkler schrieb das in der Krise 2010. Die Zeit für Reformen läuft ab.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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