Industriepolitik:Neue Fans für neue EU-Schulden

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Woher soll das Geld kommen, mit dem die EU sich gegen die massiven Wirtschaftssubventionen der USA wehren will? Charles Michel regt an, dafür neue Schulden aufzunehmen. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Die Europäische Union will auf das massive, grüne Subventionsprogramm der USA reagieren und mehr Fördergeld verteilen. Wo das herkommen soll, ist jedoch umstritten. Ratspräsident Michel hat aber schon eine Idee.

Von Björn Finke, Brüssel

Ihm wird eine wichtige Rolle zufallen, und er ist offenbar auf Seiten der Kommission: Charles Michel leitet und moderiert als Ratspräsident die Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs. Das nächste wird Anfang Februar stattfinden. Ein wichtiges Thema dort wird sein, wie die EU auf den Inflation Reduction Act (IRA) reagieren soll, ein massives Subventionsprogramm der amerikanischen Regierung. Michel, der früher Ministerpräsident von Belgien war, sprach sich jetzt in einem Interview mit einigen internationalen Medien dafür aus, die strengen Subventionsregeln der EU zu lockern. Daneben will er mehr Fördergeld aus Brüssel bereitstellen. Ähnliches hatte er bereits vor einer Woche in einem Gastbeitrag auf der Nachrichtenseite Politico verlangt.

Damit geht Michels Ansatz in die gleiche Richtung wie der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn das Verhältnis der beiden gilt als belastet und von starker Rivalität geprägt. Von der Leyen plädiert ebenfalls für gezielte und befristete Lockerungen der Beihilferegeln - und für mehr Geld aus Brüssel. Dass die beiden nun an einem Strang ziehen, macht es für Gegner der Ideen unter den 27 EU-Regierungen schwieriger. Die Bundesregierung zum Beispiel unterstützt die Aufweichung der Subventionsvorschriften, lehnt aber neue EU-Fördertöpfe ab, die mit Hilfe weiterer gemeinsamer Schulden gefüllt werden. Andere Regierungen wie die niederländische warnen dagegen vor allem, dass laxere Regeln für Staatsbeihilfen den gemeinsamen Binnenmarkt verzerren könnten.

Der Anlass der Querelen, der Inflation Reduction Act, fördert den grünen Umbau der amerikanischen Wirtschaft. Doch das Gesetz benachteiligt europäische Konzerne, die umweltfreundliche Produkte in die USA exportieren wollen. Schließlich möchte Präsident Joe Biden mit dem Programm vor allem US-Fabriken unterstützen. Die für Wettbewerb zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager klagte daher kürzlich in einem Brief an die EU-Regierungen, es bestehe das Risiko, dass "einige unserer EU-Unternehmen" Investitionen und Werke in die Vereinigten Staaten verlagerten.

Das strenge Regelwerk soll verhindern, dass der EU-Binnenmarkt verzerrt wird

Die Kommission ist dafür zuständig, Subventionen von EU-Regierungen zu prüfen und zu genehmigen. Das strenge Regelwerk soll verhindern, dass Konzerne Mitgliedstaaten gegeneinander ausspielen und dass der gemeinsame Binnenmarkt verzerrt wird. Vestager und von der Leyen wollen die Vorschriften aber nun aufweichen, damit die EU-Länder besser mithalten könnten mit den USA.

Dies könnte aber zu unfairen Vorteilen für reiche und große Mitgliedstaaten wie Deutschland führen, weil diese ihre Unternehmen einfacher päppeln können als klamme Länder wie Italien. Deshalb schlagen von der Leyen und Michel gleichzeitig mehr EU-Fördermittel vor, vor allem, um ärmere Staaten zu unterstützen. Von der Leyen schweigt sich bisher dazu aus, wie sie das finanzieren will.

Michel regt nun an, sich zunächst an einem EU-Programm namens Sure zu orientieren. Das hat Mitgliedstaaten in der Covid-Krise zinsgünstige Darlehen gewährt. Um den Topf zu füllen, nahm die Kommission Schulden auf, für welche die Regierungen gemeinsam gerade stehen. "Das ist der einfachste Weg, um unter den Mitgliedstaaten so viel Solidarität wie möglich zu garantieren, denn nicht alle Länder haben den gleichen Spielraum im Haushalt", sagte der Belgier in dem Interview.

Später solle zudem ein weiteres Programm hinzukommen, bei dem das EU-Förderinstitut EIB, die Europäische Investitionsbank in Luxemburg, Kapital für Investitionen in grüne Industrieprojekte zur Verfügung stelle, ergänzte Michel. Praktischerweise hat EIB-Präsident Werner Hoyer, ein deutscher FDP-Politiker, schon vorige Woche in einem Gastbeitrag versichert, dass seine Bank, die den EU-Regierungen gehört, bei dem Thema gut helfen könne.

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