Neue Industriepolitik:EU-Kommission will Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken

EU-Gipfel in Brüssel

Arbeiter reinigen während des EU-Gipfels in Brüssel ein Panel mit EU-Logos.

(Foto: dpa)
  • Die EU-Kommission will Unternehmen besser für die Digitalisierung und die Konkurrenz aus China wappnen.
  • Erste Inhalte der Strategie, die Anfang März vorgestellt werden soll, liegen nun vor. In erster Linie widmet sich das Strategiepapier der Frage, wie der Standort allgemein wettbewerbsfähiger werden kann.
  • Besonders Frankreich und Deutschland dürften gespannt sein. Beide Regierungen beklagten zuletzt, die Kommission berücksichtige nicht ausreichend die Konkurrenz durch chinesische Rivalen.

Von Björn Finke, Brüssel

Weniger Hürden im gemeinsamen Binnenmarkt, bessere Regeln für die Nutzung von Daten, mehr Schutz vor unfairer Konkurrenz sowie besondere Unterstützung für Schlüsselbranchen: Mit diesem bunten Strauß an Initiativen will die EU-Kommission Europas Industrie stärken. Anfang März wird die Brüsseler Behörde ihre Industriestrategie vorstellen; der Süddeutschen Zeitung liegen bereits Auszüge eines Entwurfs vor.

Es handelt sich um eine Auftragsarbeit - die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten wiesen die Kommission im vergangenen März an, einen Plan für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln. Schon einen Monat zuvor hatten sich die Regierungen von Deutschland und Frankreich in einem gemeinsamen Positionspapier für eine neue EU-Industriepolitik ausgesprochen. Auch das Europaparlament hegt ehrgeizige Forderungen: "Wir erwarten eine strategische Aufrüstung Europas", sagt der Abgeordnete Markus Pieper, der für die CDU im Industrieausschuss sitzt. Ein Sprecher der Kommission wollte keine Stellung beziehen zu dem Entwurf. Das Papier beschreibt die Herausforderungen für die Firmen: weltweit stärkere Konkurrenz, der digitale Wandel, Klimaschutz. Aufgabe der Politik sei es unter anderem, den "sicheren Zugang zu Rohstoffen" und zu bezahlbarer grüner Energie zu gewährleisten, heißt es da. Zudem brauche die EU "technologische Souveränität" in Schlüsselbereichen wie Internetsicherheit oder der Mobilfunktechnik 5G.

Gipfel zum Geld

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am 20. Februar zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammenkommen. Dort sollen sie über den EU-Finanzrahmen für die sieben Jahre von 2021 bis 2027 verhandeln. Ratspräsident Charles Michel lud die Spitzenpolitiker am Wochenende per Brief ein. Darin schreibt er, es sei nun an der Zeit, eine Vereinbarung zu erreichen. Er sei sich aber völlig bewusst, dass diese Verhandlungen sehr schwierig würden. Das nächste reguläre Treffen der Staats- und Regierungschefs steht erst Ende März an. Die Gespräche über den Sieben-Jahres-Etat sind noch mühsamer als sonst, weil mit Großbritannien ein wichtiger Beitragszahler wegfällt. Die Positionen liegen weit auseinander. Deutschland gehört zu den Staaten, die auf Sparsamkeit dringen. Außerdem will die Bundesregierung, dass ihr Beitragsrabatt verlängert wird. bfi

Die Kommission listet Branchen und Themen auf, die sie und die Mitgliedstaaten wegen ihrer überragenden Bedeutung gezielt fördern sollten: zum Beispiel die Raumfahrt-, Rüstungs- und Pharmaindustrie oder die Bereiche künstliche Intelligenz und umweltfreundlicher Verkehr. In erster Linie widmet sich das Strategiepapier aber der Frage, wie der Standort allgemein wettbewerbsfähiger werden kann.

Die Behörde klagt etwa, dass Unternehmen trotz des gemeinsamen Binnenmarkts der EU immer noch auf Hürden stoßen, wenn sie im europäischen Ausland tätig werden - vor allem im wachsenden Dienstleistungssektor. Zusammen mit der Industriestrategie wird die Kommission daher einen Aktionsplan für den Binnenmarkt vorlegen. Zudem seien neue EU-Gesetze notwendig, um auf die Digitalisierung zu reagieren und es Firmen zu erleichtern, ihre Datenschätze zu heben, heißt es.

Die Kommission will die Industrie auch besser vor unfairer Konkurrenz schützen. So prüft die für Wettbewerb und Digitales zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, ob schärfere Regeln für Staatskonzerne - zum Beispiel aus China - nötig sind, die in Europa Firmen zu überhöhten Preisen kaufen oder Aufträge mit Billigstangeboten ergattern können, weil sie die finanzielle Rückendeckung ihrer Regierung haben. Zugleich missfällt der Kommission, dass Länder wie China europäische Betriebe bei Ausschreibungen benachteiligen. Die Behörde schlägt vor, im Gegenzug chinesische Konzerne bei EU-Ausschreibungen zu diskriminieren, wenn sich die Praxis nicht ändert. Vestager lässt außerdem untersuchen, ob die Wettbewerbsregeln generell aktualisiert werden müssen, um Entwicklungen auf den Weltmärkten und die Digitalisierung abzubilden. Es müsse sichergestellt sein, dass die Regeln "zweckmäßig sind und zu einer starken europäischen Industrie zuhause und in der Welt beitragen", heißt es im Strategiepapier. Besonders die deutsche und französische Regierung werden hier gespannt auf die Ergebnisse warten. Vor einem Jahr untersagte Vestager die Fusion der Bahnsparten von Siemens und Alstom, weil der zusammengeschlossene Anbieter zu mächtig gewesen wäre. Die beiden Regierungen klagten, die Kommission berücksichtige nicht ausreichend die Konkurrenz durch chinesische Rivalen.

Berlin und Paris warben dafür, die Bildung europäischer Champions zu vereinfachen. In einem Gespräch mit der SZ betonte Vestager aber, dass die Kommission bereits eine ganze Reihe von Fusionen genehmigt habe, die zu europäischen Champions geführt hätten. Doch in diesen Fällen hätten die Übernahmen eben nicht die Auswahl für die Kunden zu sehr eingeschränkt - anders als bei Alstom/Siemens. Solange es genug Konkurrenz gebe und "man immer noch herausgefordert wird, kann man ein europäischer und ein globaler Champion sein", sagte Vestager.

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