Erdölförderung in Libyen:Europas Firmen auf der Jagd nach den Öl-Milliarden

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Despot Gaddafi ist noch nicht gefasst, da hat das Wettrennen um Libyens wichtigsten Rohstoff bereits begonnen: Europas Konzerne wollen schnell wieder ins libysche Ölgeschäft einsteigen. Auch Deutschland will wieder mitmischen.

Oliver Bilger und Sibylle Haas

Libyens Reichtum liegt unter dem Wüstensand. Das Land besitzt die neuntgrößten Ölreserven der Welt. Vor dem Krieg wurden jeden Tag 1,6 Millionen Barrel gefördert. Zuletzt waren es nur noch 60.000. Das soll sich nach dem Umsturz rasch wieder ändern. Ausländische Regierungen und Firmen wollen Teilhaben an diesem Schatz. Muammar al-Gaddafi ist nicht gefasst, da hat das Wettrennen um Libyens Öl-Milliarden bereits begonnen.

Der zerbrochene Helm eines Arbeiters vor der Ölraffinerie in Sawija. Der Ort liegt etwa 40 Kilometer westlich von Tripolis. (Foto: AFP)

Bereits am Dienstag reiste der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu in die Rebellenhochburg Bengasi und forderte die Freigabe der eingefrorenen libyschen Staatsgelder. Bis zu Beginn des Bürgerkriegs waren mehr als 200 türkische Firmen in Libyen aktiv.

Auch Frankreich will sich beim Wiederaufbau einbringen und im Gegenzug wichtige Aufträge erhalten. Rebellenführer Mahmud Dschibril wurde gestern Nachmittag zu einem Gespräch mit Präsident Nicolas Sarkozy in Paris erwartet. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi wollte ebenfalls noch am Mittwoch mit Dschibril zusammentreffen.

Zuvor hatte der libysche Botschafter in Rom, Hafed Gaddur, versichert, dass die sehr engen Beziehungen zwischen Italien und Libyen fortbestehen würden. Die Regierung dürfte das mit Freude vernommen haben. Die einstige Kolonialmacht unterhielt bis zum Kriegsausbruch eine enge Verbindung zu Libyen. Der italienische Erdöl- und Energiekonzern Eni erhielt bereits im 1959 die erste Förderkonzession in Libyen und sicherte sich so die Spitzenposition unter den ausländischen Ölfirmen in dem nordafrikanischen Land. Bis zum Bürgerkrieg bezog Italien 40 Prozent seines Öls aus Libyen.

Die Rolle der deutschen Firmen

Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle kündigte ein Darlehen von insgesamt 100 Millionen Euro an. Im Gegenzug zu dieser Aufbauhilfe sollen auch deutsche Unternehmen von neuen Aufträgen profitieren. Allerdings müssen die Unternehmen dafür viele neue Verträge aushandeln.

"Bislang ist nicht absehbar, wann es wieder zuverlässig arbeitende Institutionen geben wird", sagt der Hamburger Ölexperte Steffen Bukold. Pipelinebetreiber, Hafenterminals und die internationalen Konzerne, die das meiste libysche Rohöl fördern, bräuchten aber verlässliche Ansprechpartner. Die Ämter im Ölministerium und im staatlichen Ölkonzern NOC seien noch von Gaddafi-Anhängern besetzt und müssen neu organisiert werden.

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Sie treten goldene Statuen des Diktators durch den Dreck, reißen Denkmäler ein: Die libyschen Rebellen haben die Residenz Muammar al-Gaddafis in Tripolis gestürmt - und dort schon ihre Flagge gehisst.

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Diese Unsicherheit lässt deutsche Firmen bangen. Der Energiekonzern RWE-Dea hatte noch Ende 2010 mit dem staatlichen Ölkonzern NOC ein Abkommen zur Ölförderung geschlossen. Nun ist fraglich, was mit dem Vertrag geschehen wird. Man warte ab, sagte ein Sprecher. Seit 2003 ist RWE-Dea in Libyen tätig, zunächst mit der Suche nach Erdölquellen tätig, bis er fündig wurde.

Die BASF-Tochter Wintershall hofft, dass sie bald wieder die Arbeit in Libyen aufnehmen kann. Immerhin hatte der Konzern mit dem libyschen Geschäft einen Gewinn von 70 Millionen Euro nach Steuern erzielt und zuletzt 100.000 Barrel Öl am Tag in Libyen gefördert. Innerhalb weniger Wochen könne die Produktion wieder aufgenommen werden, sagte eine Sprecherin. Doch das hänge von der Infrastruktur und der Sicherheitslage ab.

Unklar ist auch, wie lange es dauert, bis libysches Öl wieder in großen Mengen nach Europa fließt. "Nun muss erst einmal untersucht werden, wie stark die Förderanlagen durch den Bürgerkrieg zerstört worden sind", sagt Leon Leschus vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI. Die Internationale Energieagentur IEA erwartet, dass Libyen erst 2015 wieder so viel Öl fördert wie vor dem Bürgerkrieg.

Bis zum Ausbruch der Kämpfe war die Ölförderung der wichtigste Wirtschaftszweig des nordafrikanischen Landes. 2009 wurden fast 57 Prozent des libyschen Bruttoinlandsprodukts im Bergbau und mit Erdöl erwirtschaftet, schätzt die Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland, Germany Trade & Invest.

Für Deutschland war Libyen der fünftwichtigste Rohöl-Lieferant. Nur Russland, Großbritannien, Norwegen und Kasachstan lieferten mehr. Nach Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle flossen im vorigen Jahr 7,3 Millionen Tonnen libysches Erdöl in die Bundesrepublik; das sind knapp acht Prozent der Gesamtimporte. Libyens Öl gilt als besonders hochwertig. Die fehlenden Liefermengen aus Libyen haben dazu beigetragen, dass sich der Ölpreis seit Februar über 100 Dollar hält - und zeitweise bis auf 126 Dollar gestiegen war.

© SZ vom 25.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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