Glaubt man der Deutschen Energie-Agentur, ist das Zeitalter der erneuerbaren Energien mindestens 3600 Kilometer weit entfernt. So viele neue Stromtrassen braucht es nach Auffassung der halbstaatlichen Agentur, um das stark wachsende Aufkommen an Windstrom im Norden nach Süddeutschland zu transportieren. Und weil im Süden bald weniger Atomkraftwerke Strom produzieren, weil die schwarz-gelbe Koalition die Atompolitik insgesamt noch einmal auf den Prüfstand stellen will, braucht es viele der Leitungen schneller als gedacht.
Die Antwort darauf könnte abgekürzt "Nabeg" heißen - "Netzausbaubeschleunigungsgesetz". Beamte des Bundeswirtschaftsministeriums haben Eckpunkte dazu bereits ausformuliert, sie liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Es ist eine der Blaupausen für die beschleunigte Energiewende. So soll es künftig ein bundesweit einheitliches Genehmigungsverfahren für neue Netze geben, heißt es in dem Papier, das Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) an diesem Montag in Brüssel vorstellen will.
Bisher wurden Leitungsprojekte oft verzögert, weil zwar die Behörden im einen Bundesland den Bau schon genehmigt hatten, jene im benachbarten Land aber nicht. Stattdessen solle es künftig einen "Bundesnetzplan" geben, analog zum Bundesverkehrswegeplan für Fernstraßen und Schienen. "Darin werden die notwendigen Trassenkorridore ausgewiesen und für den Bau von Höchstspannungsleitungen reserviert", heißt es in dem Plan.
Anders als bisher soll es auch einen "finanziellen Ausgleichsmechanismus" für Beeinträchtigungen geben, die Gemeinden durch den Leitungsbau erleiden. Vielerorts stoßen neue Stromtrassen auf erhebliche Widerstände auch in der Kommunalpolitik. Häufig schlägt sich die örtliche Politik auf die Seite betroffener Bürger, zumal die Gemeinde selbst von den neuen Freileitungen nichts hat.
Ungeachtet dessen regt das Wirtschaftsministerium "verbesserte Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger" an. Auch sollen Genehmigungsverfahren einfacher und schneller werden. Und damit Investoren mehr Anreiz haben, Geld in neue Leitungen zu stecken, sollten die "regulatorischen Rahmenbedingungen" verbessert werden - das deutet auf eine Anhebung der Rendite für Stromnetze hin. "Das Ausmaß der Herausforderungen", so schreiben die Beamten, "ist vergleichbar mit dem Infrastrukturbedarf nach der Wiedervereinigung."
Röttgen unterstützt Brüderle-Initiative
Brüderle will den Plan am Dienstag auch im Kanzleramt vorstellen, wenn dort abermals Kanzlerin, Ministerpräsidenten der Akw-Standortländer, Wirtschafts- und Umweltminister zusammenkommen. Bei dem Treffen wollen sie erörtern, wie sich ein rascherer Ausstieg aus der Atomkraft durch einen schnelleren Umbau der Energieversorgung abfedern lässt. Rückhalt von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ist Brüderle bereits sicher.
"Der beschleunigte Ausbau der Netze ist eine zentrale Voraussetzung zum Ausbau der erneuerbaren Energien", sagte Röttgen der Süddeutschen Zeitung. "Deshalb unterstütze ich die Initiative ausdrücklich."
Röttgen seinerseits will bei dem Treffen ein "Aktionsprogramm Energieeffizienz und erneuerbare Energien" vorschlagen. Es empfiehlt unter anderem eine Verschärfung der Effizienzstandards in Gebäuden und verlangt eine Aufstockung der Fördermittel für die Gebäudesanierung. Der Ausbau der Windenergie zu Lande und zur See müsse forciert, der Ausbau von Stromspeichern erleichtert werden, heißt es in dem Programm. "Das Papier enthält die Vorschläge des Bundesumweltministeriums für eine Beschleunigung des Umstiegs unserer Energieversorgung", sagte Röttgen.