Energiesparen:Der große Verbrauch des kleinen Mannes

Was sollen die paar Energiesparlampen in privaten Haushalten überhaupt bringen? Fragen sich viele Verbraucher, die die Wirtschaft für den größten Energievernichter halten. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Von Sabrina Ebitsch

Es ist noch nicht lange her, da hat sich die Deutsche Bank wieder einmal selbst gefeiert: dafür, dass sie mit der Rundum-Erneuerung ihrer Konzernzentrale viel Strom spart. Der Stromverbrauch der beiden markanten Bürotürme, die in den Frankfurter Himmel ragen, wurde um mehr als die Hälfte reduziert, beim Heizen sogar 67 Prozent eingespart.

Noch interessanter wird das Eigenlob, wenn man die nackten Zahlen ins Verhältnis setzt: Denn das, was der Konzern nun nach eigenen Angaben spart, entspricht dem Jahresverbrauch von 750 Einfamilienhäusern an Heizenergie und dem jährlichen Stromverbrauch von sogar 1900 solcher Häuser. Wenn die Wirtschaft so enorm viel einsparen kann, weil sie enorm viel verbraucht, was sollen dann eigentlich die Kippschalter und Energiesparlampen in besagten Einfamilienhäusern?

Süddeutsche.de und Le Monde sind Medienpartner von Arte für das Doku-Game "Fort McMoney". Wer mitspielt, bestimmt mit: Er übernimmt die Rolle der Einwohner von Fort McMurray in Kanada, ihren Zwiespalt zwischen Wirtschaftsboom einerseits, sozialen und ökologischen Problemen andererseits. Das Spiel wird von der kanadischen Medienförderung CMF/FMC mitfinanziert, vom kanadischen Filmboard ONF/NFB und der Firma Toxa produziert. Hier geht es zum Spiel.

Denn aus Sicht der Verbraucher sind die wahren Energievernichter Fabriken und Büros, Werkstätten und Geschäfte. Industrie sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistung (GHD) haben nach Berechnungen des Umweltbundesamtes einen Anteil von etwa 44 Prozent am bundesdeutschen Energieverbrauch, wobei der industrielle Sektor etwa doppelt so viel benötigt wie der GHD-Sektor. Zugleich haben verschiedene Studien von Umweltbundesamt, Bundesumweltministerium und der Deutschen Energie-Agentur (Dena) ergeben, dass sich der Gesamt-Energieverbrauch in Deutschland um 20 bis 24 Prozent bis 2030 verringern ließe - ohne schmerzhafte Einschnitte.

Möglich wäre das durch einige grundsätzliche, aber auch kleinere, punktuelle Maßnahmen. "Energiesparen ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch das Sinnvollste", sagt Tobias Schleicher, der sich als Wissenschaftler beim Öko-Institut vor allem mit dem Thema nachhaltiger Konsum beschäftigt. Sparen klingt nach Verzicht. In Wahrheit geht es aber oft um Effizienz.

Sparpotenzial in Industrie und Gewerbe

  • Der Unternehmensberatung Roland Berger zufolge gibt es beim Stromverbrauch in metallerzeugender oder papierverarbeitender Industrie Einsparpotenziale von 40 beziehungsweise 50 Prozent.
  • Ähnlich sieht es bei Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD) aus, wo die Dena eine Ersparnis von bis zu 50 Prozent für möglich hält.
  • Allein in den Rechenzentren der Unternehmen in Deutschland ließen sich zum Beispiel bis zu 75 Prozent Energie sparen, wenn die Server richtig ausgelastet wären und die Klimatisierung besser geregelt wäre.
  • Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov zufolge bleiben nachts in deutschen Büros zwei Drittel aller Bildschirme eingeschaltet - fast eine halbe Milliarde Euro unnötige Kosten pro Jahr.
  • Durch die Umstellung auf moderne Lichttechnik in Fabriken ließe sich eine Milliarde Euro einsparen, weitere 450 Millionen in Büros - jedes Jahr.
  • Im Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen ließen sich bis zu 70 Prozent der Heizenergie einsparen, schätzt die Dena.

Je nach Bereich können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Neben der Raumwärme könne etwa im Sektor GHD am meisten beim Licht gespart werden, mit mehr LED-Lampen oder schlicht dadurch, dass sich die Lampen in Büros automatisch ausschalten, wenn der Raum leer ist, sagt Annegret-Cl. Agricola von der Dena. In der Industrie dagegen wird am meisten Energie für Prozesswärme benötigt, also für Verarbeitung und Herstellung von Stoffen. Hier könne man durch bessere Dämmung und Abwärme-Nutzung viel erreichen, sagt Agricola.

Allein, es passiert immer noch zu wenig. Trotz Klimawandel, Energiewende und steigender Energiekosten ist der Verbrauch in Deutschland seit 1990 nur leicht rückläufig. Der Stromverbrauch steigt sogar, von 1990 bis 2011 um 15 Prozent. Wenn die Bundesrepublik das selbstgesteckte Ziel halten will, bis 2050 nur noch halb so viel Energie zu benötigen, muss sich einiges bewegen.

Ein Grund für die Reformträgheit ist der Unwille, Geld auszugeben. Wenn Unternehmen in Energieeffizienz investieren, dann sollen sich die Investitionen rasch lohnen, am besten innerhalb eines Zeitraums von anderthalb Jahren, hat das Umweltbundesamt festgestellt. Und die beschriebenen Investitionen sind zwar ökonomisch hochgradig rentabel, allerdings noch nicht innerhalb dieser kurzen Zeit.

Energieexperten sehen die zögerliche Haltung kritisch. "Energieeffizienz ist die sauberste, billigste, sicherste und sofort verfügbare Ressource. Jede Kilowattstunde Energie, die nicht verbraucht wird, muss nicht erzeugt und transportiert werden", sagt Agricola. Die volkswirtschaftlichen Potenziale seien nicht nur wegen der Kostenersparnis "enorm", sondern auch, weil aus einem ressourcenarmen Land wie Deutschland weniger Kapital für den Einkauf fossiler Energieträger abfließe.

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